Ein Mord ohne Opfer. Eine Zeugin, die sich nicht erinnern kann (oder will). Und ein okkulter Zirkel, der uralte Rituale an der deutsch-dänischen Grenze zelebriert: Die Geschütze, die Karen Kliewe in ihrem Buch „Nebelschwester“ auffährt, lassen den Leser erzittern. Dass eine Lesung mit ihr nicht gruselig, sondern unheimlich unterhaltsam ist, das bewies die Autorin im vollbesetzten Petersberger Rathaussaal.
Das Interesse an Krimis aus dem Norden ist riesig - so auch in Petersberg. Immer wieder mussten zusätzliche Stühle in den Saal getragen werden. Mehr als 60 Gäste wollten schließlich erfahren, was Karen Kliewe sich für den dritten Band ihrer „Die Brandung“-Reihe ausgedacht hat. Die Münsterländerin hat mittlerweile acht Bücher geschrieben, die alle an der Ostsee spielen. Was sie an der Region fasziniert? „Ich habe Höhenangst, deswegen können meine Krimis nicht in den Bergen spielen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern, bevor sie hinterherschiebt: „Dänemark, Schweden, Norwegen - da halte ich mich einfach gerne auf. Die Ostsee ist mein Sehnsuchtsort. Und ich liebe die Art der skandinavischen Krimis.“
In „Nebelschwester“ ist das ungleiche Duo Ohlsen Ohlsen und Fria Svensson wieder vereint. Er, der deutsche Kommissar, ein klassisches Nordlicht. Und sie, die dänische Archäologin und Museumsleiterin. Svensson soll von der Polizei eigentlich nur dann als Beraterin hinzugezogen werden, wenn es ihr Fachgebiet erfordert, aber sie ermittelt immer wieder auf eigene Faust und begibt sich mitunter in größte Gefahr. „Archäologen und Polizisten sind gar nicht so unterschiedlich. Beide begeben sich auf Spurensuche, wollen herausfinden, wie Menschen gelebt haben, entnehmen Proben und analysieren. Aber im Falle der Archäologen geht’s wortwörtlich um Cold Cases“, sagt Kliewe. Das aktuelle Buch dreht sich um eine junge Frau, die nackt und blutüberströmt auf einem Kliff gefunden wird, sich aber an nichts erinnern kann oder will. Außerdem um Völven, Seherinnen aus der nordischen Mythologie, die angeblich Unglücke voraussehen können, um die Rockerszene, Menschenopfer und Drogenexzesse. „Die Recherchen für solche Themen dauern oft wochen- oder monatelang“, erklärt Kliewe. Die Detailtreue merkt man den Büchern an. „Auch wenn nur eine Handvoll Leute auf der Welt weiß, wie die Lichtschaltung auf einem Forschungsschiff funktioniert - ich will es möglichst echt darstellen.“
Trotz des nordisch-düsteren Tons des Buches geht es bei der Lesung vor allem heiter zu. Etwa bei der Quintessenz von Krimis („Einer muss immer sterben, das steht fest.“), bei dänischen Gewohnheiten („Da trifft man sich nicht im Biergarten, sondern am Wurstwagen.“) oder Kliewes Theorie, warum vor allem Frauen an Krimi-Lesungen teilnehmen („Die suchen nach Tipps, wie man den perfekten Mord begeht.“). Auch bei der anschließenden Signierstunde in der Rathausbücherei ist die Autorin locker, scherzt mit den Gästen und beantwortet alle Fragen. Nur eine nicht: An Band 4 wird schon gearbeitet - worum es darin geht, ist aber noch streng geheim.