Der Weltfrauentag am 8. März macht auf die Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung aufmerksam und soll gleichzeitig immer noch bestehende Ungleichheiten anprangern. In der modernen Medizin ging man lange davon aus, dass Forschungsergebnisse, die vorrangig aus Untersuchungen an Männern stammten, automatisch auf beide Geschlechter übertragbar seien. Doch äußern sich viele Erkrankungen, beispielsweise Herzinfarkte, bei Frauen anders als bei Männern. Biologische, psychologische und vor allem soziale Faktoren führen oftmals zu Unterschieden in Bezug auf Prävention, Symptomatik und Therapie von Erkrankungen zwischen Frauen und Männern. Aus den Beobachtungen dieser „kleinen Unterschiede“ bildete sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte die Fachrichtung der Gendermedizin, welche die Unterschiede der Geschlechter in allen medizinischen Fragestellungen berücksichtigt.
Große Unterschiede zwischen den Geschlechtern lassen sich vor allem bei psychischen Erkrankungen nachweisen: Depressionen, Angst- und Essstörungen werden bei Frauen deutlich häufiger festgestellt als bei Männern. „Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede lassen sich auf verschiedene Faktoren zurückführen; es gibt momentan aber keine einzige Begründung, welche alleine die Unterschiede erklären könnte“ erläutert Prof. Dr. Anette Kersting, Leiterin des Fachreferates für genderspezifische Fragen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. Aktuelle Studien liefern jedoch Hinweise, dass Frauen und Männer unterschiedlich mit psychischem Stress umgehen, welche Symptome sie erleben und wie sie darüber berichten. Außerdem spielen vermutlich Unterschiede in den Lebensbedingungen eine Rolle: Frauen investieren deutlich mehr Zeit in die Alltagsorganisation, Kindererziehung sowie die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. Auch frauenspezifische Lebensphasen wie die Zeit vor und nach einer Geburt oder die Wechseljahre erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Psyche aus dem Gleichgewicht gerät. Körperliche als auch psychische Erkrankungen können die Folge sein.
Wie Frauen ihre mentale Gesundheit stärken können
Prof. Dr. Tanja Michael, Diplom-Psychologin und Lehrstuhlinhaberin an der Universität des Saarlandes, gibt Tipps, mit denen Sie selbst etwas zum Erhalt und zur Stärkung Ihrer mentalen Gesundheit tun können:
1. Achtsamkeit trainieren
Achtsamkeit heißt, bewusst im Hier und Jetzt zu leben. Dabei helfen Atemübungen oder Meditation. Auch die bewusste Konzentration auf eine einzelne Tätigkeit anstelle von Multitasking, etwa ganz bewusstes Essen ohne Ablenkungen, unterstützt das Üben von Achtsamkeit im Alltag. Wichtig ist auch, sich regelmäßig Zeit für sich selbst, zu nehmen, um sich seiner eigenen Gedanken und Bedürfnisse bewusst zu werden. Ein Tagebuch ist dabei ein wunderbares Hilfsmittel und hilft beim Sortieren.
2. Sport treiben
Mehrmals die Woche körperliche Bewegung tut Körper und Psyche gut. Wem Krafttraining oder Ausdauersport nicht liegen, der kann auch längere Spaziergänge oder regelmäßige Radtouren in den Alltag einbauen.
3. Soziale Beziehungen pflegen
Gute Freunde und ein stabiles soziales Netzwerk unterstützen in herausfordernden Phasen. Seinen Freunden sollte man Zeit widmen, denn Freundschaften erfordern Pflege. Wenn es in Ihrem Umfeld Menschen gibt, die Ihnen dauerhaft nicht guttun oder die Ihnen immer wieder die Kraft rauben: Betreiben Sie Selbstfürsorge! Reduzieren oder beenden Sie diese Beziehungen.
4. Auf gesunde Ernährung achten
Viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch und Fast Food sowie wenig Alkohol: Das ist nicht nur für unsere körperliche Fitness relevant. Auch die Funktionsweise des Gehirns ist von zugeführten Nährstoffen abhängig. Somit trägt die Qualität unserer Nahrung auch zur mentalen Gesundheit bei.
5. Ruhezeiten finden
Ruhezeiten ohne digitale Ablenkung unterstützen die Entspannung von Körper und Psyche. Es hilft schon, beim Warten an der Kasse nicht automatisch auf sein Handy zu schauen. Tun Sie öfters mal bewusst nichts anderes, als Ihre Umgebung zu beobachten, etwa beim gemütlichen Schauen aus dem Zugfenster.
6. Positiv denken und Dankbarkeit praktizieren
Konzentrieren Sie sich im Alltag bewusst auf Positives und brechen Sie bewusst aus negativen Denkmustern und Grübeleien aus. Sie können sich zum Ritual machen, an jedem Abend zu überlegen, was an diesem Tag gut geklappt hat und wofür Sie in Ihrem Leben dankbar sind. Das können auch Dinge sein, die Ihnen zuvor selbstverständlich erschienen.
7. Ausreichend schlafen
Mindestens sieben Stunden sollten Erwachsene täglich schlafen, um sich körperlich und geistig zu erholen. Bei Einschlafschwierigkeiten empfiehlt es sich, sich schon eine Stunde vor dem Zu-Bett-Gehen auf das Schlafen vorzubereiten. Vermeiden Sie Alkohol, schweres Abendessen oder eine grelle Beleuchtung. Dazu gehört auch, das Handy oder das Fernsehgerät vor dem Schlafen auszuschalten.
Alle Menschen sind unterschiedlich: biologisch, psychologisch und in ihren sozial zugewiesenen Rollen. Wenn die Geschlechterperspektiven in den Bereichen der Prävention und Medizin weiterhin verstärkt berücksichtigt werden, kann eine gerechte gesundheitliche Versorgung sichergestellt werden – für jeden Menschen, individuell und bedarfsorientiert.
Sie wollen mehr Informationen zur Gendermedizin oder anderen genderspezifischen Themen? Die FrauenGenderBibliothekSaar (www.frauengenderbibliothek-saar.de) stellt eine vielseitige Auswahl an fachlichen Themen und aktuellen Informationen zur Verfügung.
Dieser DSLG-Gesundheitstipp ist ein Gastbeitrag von Diplom Psychologin Mareike Hill. Frau Hill ist Projektmitarbeiterin bei „Generation Z wie Zukunft“ (www.pugis.de/generation-z/) und widmet sich der ganzheitlichen Gesundheitsförderung junger Erwachsener an Berufsschulen.
Literatur:
Michael, T., Hartmann, C. (2023). 55 Fragen an die Seele. Wie sie tickt und was ihr Halt gibt. München: dtv.
Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2023) Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland – wichtige Fakten auf einen Blick. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. RKI: Berlin.
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (2016). Psychische Gesundheit von Frauen: geschlechtsspezifischen Aspekten größere Beachtung schenken. Zugriff am 2.Februar 2024 unter https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/news-archiv/artikel/psychische-gesundheit-von-frauen-geschlechtsspezifischen-aspekten-groessere-beachtung-schenken/