im Nachgang zum Jahresrückblick 2023 in der vergangenen Woche, finden Sie nachstehend meine Neujahrsrede anlässlich des Neujahrsempfangs am 05. Januar.
Es gilt das gesprochene Wort:
Sehr geehrter Herr Minister Jost, lieber Reinhold,
sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Schäfer, lieber Raphael,
sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Waldraff, lieber Patrick,
sehr geehrte Frau Kreisbeigeordnete Beck,
sehr geehrte Herren Beigeordnete der Gemeinde Ensdorf,
sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder aus Kreistag und Gemeinderat,
sehr verehrte Unternehmerinnen und Unternehmer,
liebe Gäste des heutigen Abends,
liebe Ensdorferinnen und Ensdorfer,
ich glaube, dass der eben präsentierte Jahresrückblick sehr eindrucksvoll gezeigt hat, was im vergangenen Jahr in unserem Ort los war – und - worauf wir uns alle in diesem und in den nächsten Jahren in der Realisierung freuen dürfen.
Die Gemeinde war insbesondere mit dem Thema Wolfspeed positiv in den Schlagzeilen, ARD und ZDF haben in ihren Hauptnachrichtensendungen berichtet, wir waren bei „Mainz, wie es singt und lacht“, auch wenn uns Lars Reichow - ich betone bis dato – nicht auf der Landkarte fand.
Und auch viele überörtliche Zeitungen und politische und wirtschaftliche Magazine haben berichtet.
Ich habe in jenen Tagen den Stolz der Ensdorferinnen und Ensdorfer, der Bevölkerung des Landkreises und des Saarlandes überhaupt gespürt. Und dieser Stolz ist es, auf den ich auch für 2024 setze.
Ich habe in der Vorbereitung dieser Neujahrsrede sehr lange darüber nachgedacht, welchen Schwerpunkt diese Rede haben soll. Betrachtet man das Unwort des Jahres 2023 „Krisenmodus“, müsste die Rede eigentlich sehr pessimistisch ausfallen.
Warum pessimistisch? Alle aktuellen Krisen stehen derzeit ohne Lösung dar. Niemand kann absehen, ob die derzeit begonnenen Kriege in diesem Jahr endlich beendet, ob humanitäre Probleme beseitigt werden und ob die große Vertrauenskrise, die meines Erachtens derzeit in der Bevölkerung gegenüber den politischen Verantwortungsträgern – insbesondere im Bund und den ostdeutschen Bundesländern herrscht – beendet werden kann.
Ich zitiere nur ansatzweise aus der Pressekonferenz des Deutschen Städte- und Gemeindebundes von Mittwoch dieser Woche:
„Die Finanzsituation der Kommunen ist prekär. Städten und Gemeinden fehlt seit Jahren das Geld, um zu investieren und die Auswirkungen werden immer deutlicher sichtbar. Die Infrastruktur bröckelt, bei Straßen und öffentlichen Gebäuden besteht ein hoher Sanierungsbedarf und die Schulen und Sportstätten (dazu zählt auch ein Schwimmbad) sind in einem schlechten Zustand. Wir müssen dringend umsteuern und mehr Geld in die Investitionen lenken. Dazu ist ein Bündel an Maßnahmen erforderlich - etwa ein Moratorium bei neuen Leistungsversprechen und eine Neuausrichtung der Förderprogramme des Bundes“. Angesichts von 70 Mrd. € Sozialausgaben müssen in Zeiten knapper Kassen diese steigenden Kosten mit dem Verzicht auf Investitionen teuer erkauft werden. Diese Entwicklung darf so nicht weitergehen. Es muss gelingen, den dringend notwendigen Investitionen Vorrang einzuräumen.“ – Zitat Ende
Und auch in den saarländischen Städten und Gemeinden, speziell bei uns in Ensdorf, sieht es nach wie vor finanziell düster aus. Wie so oft muss ich Sie auch in diesem Jahr damit langweilen, dass unsere Haushaltslage desolat ist und notwendige Investitionen in die Zukunft möglicherweise ob dieser Situation verschoben oder gar ausbleiben müssen.
In der momentanen Phase sind wir verwaltungsseitig kurz vor dem 1. Ausrollen des Haushaltes 2024.
Und wenn ich mir unser Zahlenwerk ansehe, dann weiß ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, wie wir es hinbringen sollen, dass der Gemeinderat einen genehmigungsfähigen Haushalt verabschieden kann. Das sogenannte „strukturelle Defizit“ ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt derart bedenklich hoch, dass es vermutlich einer großen Kraftanstrengung bedarf. Es gilt, einen gesunden Kompromiss zwischen erkennbarem und nachhaltigem Sparwillen einerseits zu finden - andererseits aber auch Maßnahmen zum Erhalt und zur Schaffung gemeindlicher Infrastruktur einzuleiten.
Insofern bin ich sehr froh, dass heute Abend der saarländische Innenminister – und damit auch Chef der Kommunalaufsicht - unser Gast ist.
Lieber Reinhold,
ich freue mich sehr, dass du dem Neujahrsempfang der Gemeinde Ensdorf beiwohnst und damit deine Wertschätzung zum Ausdruck bringst.
Ich glaube, wärst du heute Abend bei Neujahrsempfängen anderer Städte und Gemeinden in diesem Land zu Gast, so wären in 40 oder 45 dieser Gemeinden gleiche oder ähnliche Feststellungen zur finanziellen Lage getroffen worden.
Ich bitte dich deshalb inständig darum, mit dafür zu sorgen, dass unsere und die Handlungsfähigkeit 51 weiterer saarländischer Kommunen für die nächsten Jahre wiederhergestellt bzw. gewahrt wird.
Für Ensdorf kann ich sagen:
Wir haben prompt geliefert, als ein städtebaulicher Vertrag und die B-Pläne für die Wolfspeed-Ansiedlung und die Erweiterung der Amprion-Umspannanlage zu erstellen waren.
Wir haben uns nicht weggeduckt, als die Anfrage des Innenministers für ein Containerdorf an uns gerichtet wurde.
Wir haben, als die Sanierung des Bahnhofes und die Gestaltung seines Umfeldes bis zum St. Nimmerleinstag zu kippen drohte, hart aber fair für unsere Interessen gekämpft und
wir haben sehr früh geliefert, als es darum ging, mit der Renaturierung des Lochbachs und der Erstellung eines Hochwasserschutzkonzeptes Vorsorgemaßnahmen zu treffen – ein Thema, das gerade in diesen Tagen hochaktuell ist.
Mir ist dabei bewusst, dass das Land bereits in der Vergangenheit sehr viel für uns Kommunen getan hat – Stichwort SaarlandPakt – und auch mit unterschiedlichen Programmen (KInvFG I und II) oder Bedarfszuweisungen versucht, dort Hilfestellung zu geben, wo es notwendig ist. Allerdings appelliere ich an dieser Stelle dennoch an dich und die gesamte saarländische Landesregierung, euer politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen und bei Entscheidungen des Bundes, die ohne Gegenfinanzierung zu Lasten der Gemeinden getroffen werden, ein Veto einzulegen. Leider ist es uns saarländischen Gemeinden bisher – und ich befürchte leider auch perspektivisch – nicht gelungen, eine kommunale Entschuldung auf Bundesebene zu erwirken.
Betrachtet man hierzu die Haltungen einzelner Fraktionen im Deutschen Bundestag in der Vergangenheit – auch in der jüngsten - dann entlarvt der politische Beobachter leider eine gewisse Scheinheiligkeit über die Dauer bislang bemühter Argumentationen.
Hier appelliere ich aber auch erneut an alle politischen Kräfte, ihres dafür zu tun, dass diese Haltung – insbesondere die des amtierenden Bundesfinanzministers - noch einmal auf den Prüfstand gestellt wird. Ich möchte an dieser Stelle nicht Stammtischparolen das Wort reden, dennoch halte ich es für unerlässlich, dass die Verantwortlichen im Bund sehr genau auf das achten, was Volkes Meinung ist, ohne auf jedes einzelne Bedürfnis, jeden Wunsch, eingehen zu müssen. Es fällt durchaus schwer, erklären zu müssen, warum hunderte von Millionen oder gar Milliarden einerseits für Aufgaben zur Verfügung stehen, die außerhalb dieser Republik liegen, andererseits vielfach für notwendige Investitionen in die staatliche Infrastruktur auf allen Ebenen kein Geld zur Verfügung steht.
Habe ich jetzt doch zu viel gejammert? Ich glaube nicht. Fakt ist, und dies darf und muss auch gesagt werden:
Die Not auf kommunaler Seite in vielen Bundesländern ist groß, es geht um die Menschen, die in diesen Städten und Gemeinden leben und die daraufsetzen, dass die örtlichen Lebensverhältnisse in allen 16 Bundesländern in keinem groben Missverhältnis stehen.
Und da, lieber Oliver Kirch, Saarbrücker Zeitung, ist der Ruf nach einer neuerlichen Gebietsreform zwar grundsätzlich erlaubt, möglicherweise sogar perspektivisch richtig und notwendig, zumal die vorgebrachten Argumente von Fachkräfte- und Kompetenzbündelung ja nicht von der Hand zu weisen sind. Aber ist er auch zu Ende gedacht? Schließlich bilden zwei oder drei zusammengelegte arme Kommunen längst noch keine reiche oder zumindest finanziell besser aufgestellte Verwaltungseinheit.
Mein Ziel des heutigen Abends ist es, positiv und optimistisch in die Zukunft blicken, ohne dabei als Hellseher oder Ankündigungsbürgermeister aufzutreten.
Dazu möchte ich wieder die Bilder des Vorjahres bemühen. Die Ansiedlung der weltweit größten Silicium-Carbid Fabrik der Firma Wolfspeed - da sind wir uns einig - ist ein Glücksfall für das Land, den Landkreis und die Gemeinde. Hochwertige Arbeitsplätze werden geschaffen und jeder weiß, dort wo Zukunfts-Produkte hergestellt werden, da werden sich auch andere Firmen ansiedeln. Die Ministerpräsidentin hat in ihrer Neujahrsansprache gesagt, sie freue sich darauf, wenn die Türme am Kraftwerksstandort fallen. Und sie hat dies sicher losgelöst von dem Eventcharakter der Sprengungen gesehen; denn dann könnte bereits der nächste Schritt, der nächste Entwicklungsschritt für Ansiedlungen auf der Nordfläche erfolgen. Und betrachtet man die Zukunftsinvestitionen bei Saarstahl, die hoffentlich erfolgreiche Ansiedlung von S-Volt in Überherrn und die noch anstehende Anschlussregelung für das FORD-Werk auf dem Röderberg, dann haben wir Meilensteine für den Strukturwandel an der Saar und in der Transformation hin zu grünem Stahl geschafft.
Warum sage ich das?
Auch wir in Ensdorf werden davon profitieren, denn die Nachfrage nach Wohnraum ist heute schon immens hoch und sie wird weiter steigen.
Immer mehr Menschen wollen in unseren Wirtschaftsraum, suchen attraktiven aber bezahlbaren Wohnraum. Und dem wollen wir Rechnung tragen: Ich hoffe sehr, dass wir gemeinsam mit dem Flächeneigentümer RAG und dem Land neue Wege in der Wohnraumbeschaffung gehen und auf Duhamel ein Urbanes Gebiet entwickeln können. Dass wir dafür Partner auf kommunaler und Landesseite benötigen ist genauso klar, wie dass es auch Investoren braucht, die solche modernen Konzepte zur Wohnraumbeschaffung bereits erfolgreich umgesetzt haben.
Aktuell stehen wir kurz vor der Fertigstellung der Erweiterung des Kindergartens - und wenn es notwendig wird, dann haben wir mit dem Ankauf des Pfarrgartens neben der Kirche genau dafür Potentialfläche erworben.
Genauso verfolgen wir konsequent den Abriss des Plattenbaus und die Errichtung eines Ersatzneubaus an gleicher Stelle. Eine europaweite Ausschreibung entsprechender Planungsleistungen soll in diesem Jahr erfolgen. Unsere Gemeinde ist attraktiv für junge Familien und dafür wollen wir die entsprechenden Infrastrukturmaßnahmen rechtzeitig angehen. Dabei setzen wir auf das von der Landesregierung beschlossene Schulentwicklungspaket in einer Größenordnung von 200 Mio. €, stellen uns aber auch gleichzeitig die Frage, wie dies bei einem landesweit ermittelten Bedarf von 700 Mio. € auskömmlich sein soll.
Zukunftsinvestitionen heißen deshalb so, weil sie für die Zukunft sind und ihre Wirkung sich nicht über den Vierjahreszeitraum einer mittelfristigen Finanzplanung entfaltet.
Unter genau diesem Vorzeichen bietet es sich heute auch an, ein Projekt zu skizzieren, das mir ein besonderes Anliegen ist. Ensdorf hat kein Dorfgemeinschaftshaus, kein Zentrum, wo Vereine ihre Proben abhalten können, wo man sich zu Vorstandssitzungen trifft oder einfach beieinander sein kann. Hier liegt es nahe, das Schwimmbadgebäude zu einem solchen umzufunktionieren.
Ein erster vorsichtiger Kostenrahmen liegt bei knapp 1,4 Mio. €, von denen rund 862.000 € über Fördermittel aus dem Umwelt- und Innenministerium über das sogenannte Cappuccino-Prinzip gedeckt wären. Das Delta zur eben genannten voraussichtlichen Bausumme ist allerdings angesichts unserer Haushaltslage und dem uns zur Verfügung stehenden Kreditrahmen unmöglich zu stemmen.
Lieber Reinhold,
ich glaube der Rat und die gesamte Bevölkerung von Ensdorf wären dir und der Landesregierung sehr dankbar, wenn du über die avisierten Mittel hinaus weitere Mittel zur Umsetzung dieses ebenso ehrgeizigen wie gleichzeitig notwendigen Projekts bewilligen und damit den Eigenanteil der Gemeinde erheblich reduzieren würdest. Wir setzen sehr auf deine Unterstützung.
Gegen Ende möchte ich noch ein paar Sätze zu einem weiteren Baustein des Strukturwandels an der Saar und im Landkreis Saarlouis, nämlich zum Tourismus, sagen. Das rund um die Halde mit ihrer einzigartigen Landmarke, dem Saarpolygon, generierte Tourismuskonzept hat ein erhebliches Wertschöpfungspotential herausgearbeitet. Mir war es aber wichtig, dazu nicht bis zur Fertigstellung der Haldensanierung im Jahre 2031 zu warten. Vielmehr bedurfte es eines ernsthaften Signals einer nachhaltigen, die Sanierungsmaßnahmen an der Halde aber nicht beeinflussenden, Veranstaltung.
Lieber Joachim Arnold,
ich bin sehr froh, dass es uns gemeinsam gelungen ist, mit kräftiger Unterstützung aus dem Wirtschaftsministerium, des Haldeneigentümers RAG, Landrat Patrik Lauer und zahlreichen Kooperationspartnern aus der Wirtschaft, eine Veranstaltung – „Die Oper Zauberflöte“ zu konzipieren, die im Jahr 1 auf saarländisches Publikum setzt, aber danach ihr Publikum über die Landesgrenzen hinaus suchen – und ich bin mir sicher – auch finden wird.
Es bedarf genau dieser sogenannten weichen Standortfaktoren, die eine Region für ihre Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für die Unternehmer und ihre hochkarätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, attraktiv macht.
Ich habe den CEO von Wolfspeed, Gregg Lowe, bereits eingeladen, sich im August ein Bild von seiner Baustelle zu machen und gleichzeitig kulturellen Hochgenuss zu erleben.
Meine Damen und Herren,
wenn ich Ihnen eingangs vielleicht zu pessimistisch war, dann hat der Ausblick der letzten Minuten Sie hoffentlich wieder optimistischer gestimmt.
Wir in Ensdorf haben hier eine genaue Vorstellung, was unsere Zukunft ist - wenngleich die Grundvoraussetzung, nämlich eine solide, belastbare und vor allem planbare Finanzierung der Gemeindehaushalte durch eine Reform der kommunalen Finanzen - nach wie vor auf sich warten lässt.
Die Saarpolygongemeinde Ensdorf hat ihren eigenen Charme – und vor allem - sie hat großes Wirtschaftspotenzial.
Ich weiß, dass sehr viele sehr genau auf die Entwicklung dieses Ortes schauen und ich verspreche Ihnen auch hier:
Wir werden liefern - wenn man uns nur lässt.
Bereits heute danke ich dem amtierenden Gemeinderat für sein engagiertes Wirken in der laufenden Legislaturperiode.
Und wenn ich einen subtilen Wunsch äußern dürfte zur Kommunalwahl am 09. Juni 2024, dann den, dass mir die derzeit im Gemeinderat vertretenen – auf den Füßen des Grundgesetzes stehenden Fraktionen - auch für die neue Amtsperiode 2024 bis 2029 völlig ausreichen.
Genauso danke ich allen Ehrenämtlern in den Hilfsdiensten von Feuerwehr DRK und THW in den caritativen und sozialen Einrichtungen und den unzähligen Engagierten in den Vereinen.
Ihr seid diejenigen, die unseren Ort lebens- und liebenswert erhalten und die diese Gesellschaft zusammenhalten.
Lassen Sie uns in 2024 noch ein Stück weiter zusammenrücken, noch mehr Gemeinschaftssinn entwickeln, denn dann sind wir besonders stark.
Ich wünsche Ihnen allen ein gutes, vor allem gesundes Jahr 2024.
Glückauf!
Ihr Jörg Wilhelmy