Das Gedicht „Jedes Johr im Herbschd“ der in Kaiserslautern lebenden Autorin Helga Schneider ist Mundarttext des Monats im November 2024, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil er präzise und schnörkellos aus der Zeit gefallen zu sein scheint und doch sich punktgenau im Jetzt einpasst.
Über den ausgewählten Text schreibt die saarländische Autorin Hildegard Driesch:
Man stellt sich vor: Es klingelt. Zwei junge Leute in der Ausgehuniform der Soldaten stehen vor der Tür, halten die Sammelbüchse hoch und bitten höflich um eine Spende. Ein Gedankenblitz: Sind denen die Panzer alle auseinandergefallen, oder muss man jetzt für Raketen oder sonstiges Kriegsmaterial spenden? Wie weit sind wir gekommen? Nein, es ist die alljährliche Sammlung der Kriegsgräberfürsorge. Soldatenfriedhöfe, große und kleinere, dort braucht niemand Panzer und Waffen, keinen Raketenlärm, dort hat kein unheiliger Kriegstreiber mehr das Sagen, dort finden sich, aufgereiht unter Kreuzen und Denkmälern, die Opfer der Größenwahnsinnigen, die ausgelöschten Leben. Dort gibt es nicht mehr Freund und Feind. Die Friedhöfe, sie werden oft gepflegt von jungen Menschen aus aller Herren Länder, die ihre Ferien, ihren Urlaub opfern für den Erhalt der Gräber. Soldatengräber, Soldatenfriedhöfe, sie werden nie ein Ende nehmen.
Jedes Johr im Herbschd
Jetzt rabbeln se wirrer
wie jedes Johr im Herbschd
die Sammelbichse
net
fer die Panzer
net
fer die Rakete
net
fer die Bombe
net
fers Giftgas
bloß
fer die Gräwer
bloß
fer die Gräwer