Am Sonntag, dem 13. November 2022, fand die alljährliche Gedenkfeier zum Volkstrauertag mit Kranzniederlegungen am Ehrenmal auf dem Friedhof statt, zu der der Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderten und Rentner Deutschlands (VdK) -Ortsverband Ensdorf- und die Gemeinde Ensdorf eingeladen hatten.
Die Gedenkfeier wurde mitgestaltet von Pastor Christian Müller und Pfarrerin Jutta Seibert, der Chorgemeinschaft MGV "Heiterkeit" und "Concordia" und dem Verein der Musikfreunde. Neben Bürgerinnen und Bürgern nahmen außerdem Mitglieder des DRK, der Freiwilligen Feuerwehr, des Berg- und Hüttenarbeitervereins, der Marinekameradschaft Ensdorf sowie der Marinekameradschaft Stiring Wendel an der Feier teil.
Nachfolgend meine Ansprache zum Volkstrauertag 2022:
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Am heutigen Volkstrauertag wird überall in Deutschland an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert und gleichzeitig zu Versöhnung, Verständigung und Frieden gemahnt. 2018 stand das Gedenken an den Ausgang des Ersten Weltkriegs, in den vergangenen Jahren die Erinnerung an den Beginn und das Ende des Zweiten Weltkriegs sowie an den Vernichtungskrieg in Osteuropa im Mittelpunkt der offiziellen Gedenkfeiern. In diesem Jahr bilden die Beziehungen zu Lettland und das Engagement des VdK im Baltikum den Schwerpunkt. Zugleich ist das Gedenken an die unzähligen Toten des russischen Angriffskrieges in der Ukraine von besonderer Dringlichkeit an diesem Trauertag.
Für mich wie wohl für jeden hier war es kaum vorstellbar, dass Russland tatsächlich die Ukraine angreifen könnte. Seit Februar, wenn wir genauer hinschauen, eigentlich bereits seit der Annexion der Krim im Jahre 2014, herrscht wieder Krieg in Europa. Russland hat mit dem Angriff auf die Ukraine erneut das Völkerrecht und alle Regeln der Nachkriegsordnung in Europa gebrochen. Im Jahr 2022 müssen wir Bilder aus der Ukraine sehen, von denen wir gehofft hatten, dass sie sich gerade auf unserem Kontinent niemals wiederholen: Menschen, die vor Bomben in U-Bahnschächte fliehen, die sich an der Grenze von ihren Familien trennen oder gar für immer Abschied nehmen müssen an langen, frisch ausgehobenen Grabreihen. Wir sehen, was die Menschen erleiden müssen nach dem skrupellosen Überfall Russlands, für den Präsident Putin und die russische Regierung die politische Verantwortung übernehmen müssen.
Deshalb müssen wir allen Aggressoren entgegenhalten und immer wieder eintreten:
| • | Für die Achtung und den aktiven Schutz der Würde eines jeden Menschen, unabhängig von Rasse und Religion, von Hautfarbe und Herkunft, |
| • | für den wirklichen sozialen Ausgleich im Innern, ebenso |
| • | für den immer wieder neu zu organisierenden Ausgleich zwischen den Völkern und Staaten dieser Welt. |
Dies müssen die zentralen Leitlinien der Politik unseres Staates und der Europäischen Union bleiben, aber auch die Grundübereinstimmung möglichst aller Menschen in unserer Gesellschaft. Dafür müssen wir immer und überall eintreten und offensiv werben.
Der Volkstrauertag ist und bleibt wichtig – weil er uns zeigt, was passiert, wenn wir nicht für unsere Werte und unsere Demokratie und ein friedliches Miteinander mit unseren Nachbarn einstehen.
Es ist gut so, wir haben eine stabile Demokratie! Die letzten Wahlen in unserem Land haben hiervon Zeugnis abgelegt.
Der souverän von Angela Merkel und Olaf Scholz, auch von Tobias Hans und Anke Rehlinger demonstrierte Machtwechsel zeigt, die unterschiedlichen demokratischen Parteien, die im Wahlkampf
streitig um Mehrheiten kämpfen, empfinden sich keineswegs als politische Feinde, sondern als Wettbewerber um die besseren Lösungen.
So soll es bleiben!
Dies gibt uns Sicherheit im Innern und legitimiert unsere friedensstiftende Einmischung weltweit.
Lassen Sie uns trotz aller Krisen zuversichtlich der vor uns liegenden Zeit entgegensehen. Vielleicht kann die Botschaft des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt, die er in seiner ersten Regierungserklärung an unser Volk richtete, eine Orientierung sein:
„Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, nach Innen und nach Außen!“
Nehmen wir uns dies alle vor! Damit schaffen wir Frieden um uns herum, in Europa und in der weiten Welt!
Gestatten Sie mir deshalb, dass ich Ihnen abschließend noch ein Gedicht vortragen möchte, das mich in der Vorbereitung des heutigen Morgens sehr berührt hat. Es stammt von Janina Bodendörfer, sie ist 28 und lebt in München.
ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur
geschichtsbuchkapitel
mit schaubildern und einem spannenden titel,
mit fakten und daten und zahlen und quoten:
Erster Weltkrieg, 1914–18, mit 17 Millionen und
zweiter Weltkrieg, 1939–45, mit 80 Millionen Toten.
ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur literaturmeisterwerke
wohlklingende Worte von schönheit und stärke
von brecht und remarque, die sie uns hinterließen:
Wir waren 18 Jahre und begannen
die Welt und das Dasein zu lieben;
wir mussten darauf schießen.
ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur abendessenanekdoten
am tisch ist schwerwiegendes schweigen geboten,
wenn opa uns wieder von damals erzählt:
Wir hatten hunger und hatten kein geld.
Wir stahlen gefrorene Kartoffeln vom Feld.
ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur
nachrichtenbilder
explosionen in städten und weinende kinder,
daneben der sprecher, der sachlich erklärt:
„Am 6. Tag der Invasion in der Ukraine haben
die russischen Truppen ihre Angriffe verstärkt.“
ich kenne keinen Krieg
ich kenne nur
frieden
ich musste nie fliehen, bin immer geblieben.
ich hatte nie hunger, bin immer schon satt.
ich musste nie schießen, weil man‘s mir befohlen
hat.
ich kann seine schrecken nur benennen,
doch andere müssen den krieg durchleben.
ich wünschte, ich wär‘ nicht so machtlos dagegen.
ich wünschte, ein jeder würd‘ ihn wie ich
nur noch vom
hörensagen
kennen.
Weitere Bilder von der Gedenkfeier sehen Sie unter Rubrik „Aus unserer Gemeinde“.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Ihr
Jörg Wilhelmy