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Neues aus Ensdorf
Ausgabe 48/2023
Bürgermeisterecke
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Bürgermeisterecke KW 48 2023

Liebe Ensdorferinnen,

liebe Ensdorfer,

Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte weitreichende Folgen für die Gemeinde haben

Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat mit Urteil vom 15.11.2023 das 2. Nachtragshaushaltsgesetz 2021 und im Kern die Überführung der im Jahr 2021 aus dem Corona-Krisenfonds nicht unmittelbar benötigte Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Mrd. Euro in das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“, welcher zwischenzeitlich in „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) umbenannt wurde, für nichtig erklärt. Im KTF stehen für 2024 geplante Ausgaben von 58 Mrd. Euro nunmehr geplante Einnahmen aus Rücklagen und Steuern von 39 Mrd. Euro gegenüber. Es besteht somit ein Fehlbetrag für 2024 von mindestens 19 Mrd. Euro. Weiterhin wurde die zunächst für den KTF geltende Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt ausgeweitet, weil der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds nach denselben Mechanismen funktioniert wie der KTF (Kreditermächtigungen). Seit wenigen Tagen wissen wir z.B. sicher, dass die Strom- und Energiepreisbremse zum 31.12.2023 ausläuft.

Und natürlich geht eine solche Entscheidung nicht an den Länderhaushalten vorbei. Der saarländische Transformationsfonds steht ebenfalls ob seines Finanzierungsansatzes in der Kritik

Dies alles kann sich im Ergebnis auf die kommunalen Haushalte auswirken.

In drei ganz besonders wichtigen Punkten könnte unserer Gemeinde massiv betroffen sein:

1. Wolfspeed-Ansiedlung

Neben den Standorten in Dresden und Magdeburg ist in unserer Gemeinde ebenfalls der Bau einer Halbleiterfabrik - hier durch die US-Amerikaner von Wolfspeed - vorgesehen. Dazu hatten EU, Bundes- und Landesregierung umfangreiche Subventionen zugesagt. Hintergrund dieser Überlegungen und den damit verbundenen Subventionen war die Absicht (und muss es auch bleiben), Europa und Deutschland von den asiatischen Märkten unabhängiger zu machen. Gleichzeitig besteht damit die Möglichkeit in strukturschwachen Regionen einen Wandel in der Qualität der Arbeitsplätze zu erreichen. Die Veröffentlichung des Urteils hat Verunsicherung ausgelöst - derzeit kann niemand genau sagen, wie es weitergehen soll. Schaut man sich die Statements der Verantwortungsträger in Bund und Ländern an, glaube ich allerdings sagen zu können, dass sich alle in die Richtung äußern, das getroffenen Zusagen auch eingehalten werden – nicht das Ob darf die Frage sein, sondern vielmehr das Wie. Der Kanzler hat sich dazu wie folgt geäußert:

….“Zugleich wäre es ein schwerer, ein unverzeihlicher Fehler, über die Bewältigung all dieser akuten Herausforderungen die Modernisierung unseres Landes zu vernachlässigen. Diese Modernisierung ist nötig und richtig. Sie schafft die Voraussetzung für gute Arbeitsplätze und eine starke Wirtschaft, damit das Fundament unseres künftigen Wohlstands gesichert bleibt. Natürlich haben auch die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder das allergrößte Interesse daran, dass Zukunftsinvestitionen bei ihnen vor Ort auch zustande kommen, Investitionen etwa in Chipindustrie, in klimafreundlichen Stahl oder in Batteriefabriken. Uns eint darüber hinaus eine Überzeugung: Nur wenn sich Deutschland modernisiert, werden wir in der Lage sein, auch künftig auf unvorhergesehene Krisen kraftvoll zu reagieren. ……Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir in Deutschland die Transformation unserer Wirtschaft hinbekommen und als starkes Industrieland wettbewerbsfähig bleiben...“

Schaltet man den gesunden Menschenverstand ein, scheint auch nur dies die einzig zulässige Möglichkeit zu sein. Was wäre der Wirtschaftsstandort Deutschland, die Reputation einer deutschen Regierung international bei anderen Regierungen und insbesondere Investoren noch wert, wenn getroffene Zusagen nicht eingehalten würden? Ich glaube, um beim Stichwort „Kredit“ zu bleiben: Dieses Land hätte in doppelter Hinsicht die Kredite verspielt.

2. Bahnhof Ensdorf

Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes in einer Größenordnung von rund 4 Mrd. € stehen zur Disposition. Dementsprechend würden sich die umfassenden Schieneninvestitionen auf die Qualität und Entwicklungsmöglichkeiten des Fern- und Nahverkehrs auswirken, die wiederum die für 2027 geplante Ertüchtigung unseres Bahnhofes und der Schaffung einer Mobilitätsstation auf der gegenüberliegenden Seite infrage stellen könnte.

3. Kommunale Wärmeplanung

Von dem BVerfG-Urteil zum KTF ist auch die Förderung für kommunale Wärmepläne betroffen. Vom Bund vorgesehene Finanzhilfen des Bundes an die Länder zur Förderung von Maßnahmen zur kommunalen Wärmeplanung waren für 2024 mit 100 Mio. Euro im KTF verplant. Darüber hinaus stehen mittlerweile durch die inzwischen verhängte allgemeine Haushaltssperre übergreifend alle investiven Bereiche „auf dem Prüfstand“ – das betrifft auch Projekte, die durch die Kommunalrichtlinie 2023 gefördert werden sollten. Die Kommunalrichtlinie, durch die Projekte zur kommunalen Wärmeplanung gefördert werden, ist Teil der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI), welche wiederum durch den KTF finanziert wird. Im Bundeshaushalt für 2023 waren 354,5 Mio. Euro für die NKI veranschlagt. Die Förderprogramme der NKI werden größtenteils von der ZUG (Zukunft Umwelt und Gesellschaft) umgesetzt, die uns berichtet hat, dass der Förderstopp für Projekte gilt, die 2023 beantragt wurden und noch keinen Förderbescheid erhalten haben.

Wie Sie wissen, hat die Gemeinde hier gemeinsam mit Bous und Schwalbach einen Förderantrag gestellt, dessen Zukunft jetzt ungewiss erscheint.

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Sie wie ich erwarten von den politischen Entscheidungsträgern klare Positionen und verlässliches Handeln. Die derzeitige Lage – ungeachtet der Frage, wer für sie verantwortlich ist – bedarf einer gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung und Lösung durch eine möglichst breite Mehrheit des Deutschen Bundestags – idealerweise losgelöst von ideologischen Debatten und dem Schielen auf Wählergunst.

Wir alle brauchen Planungssicherheit – und dies zeitnah.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Adventszeit

Ihr Jörg Wilhelmy