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Neues aus Ensdorf
Ausgabe 9/2024
Ensdorf lebt gesund
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Gesundheitstipp: Cybergrooming

„Cybergrooming – die Gefahr aus dem Netz“

Zur Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen gehören heutzutage nicht nur Kontakt mit realen Mitmenschen, sondern auch Begegnungen und der Austausch im virtuellen Raum. In vielen Bereichen bietet das Internet besondere Vorzüge und dient beispielsweise auf recht einfache Art als Informationsdienst, Nachschlagewerk, Partnerbörse, Freizeitgestaltung, Videospiel etc. Dies alles ist bequem von zu Hause aus durchführbar, aber auch von unterwegs können die vielfältigen Möglichkeiten genutzt werden.

Häufig werden aber die Gefahren, die damit verbunden sind, nicht wahrgenommen und den Kindern und Jugendlichen vermittelt, so dass diese oftmals ungeschützt im Internet unterwegs sind. Eine dieser Gefahren ist das sogenannte Cybergrooming. Dabei handelt es sich um das gezielte Ansprechen und Manipulieren von Kindern und Jugendlichen im Internet, mit dem Ziel, sie zu sexuellen Handlungen in digitalen Medien (z. B. das Versenden von eigenen Nacktbildern oder Videos) oder sogar zu einem realen Treffen zu verleiten. Cybergrooming ist nur eine Form des sexuellen Missbrauchs. Schon der Versuch, sich online an unter 14-Jährige heranzumachen, kann zu einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren führen (§§ 176a und 176b StGB).

Die Täter nutzen dabei verschiedene Vorgehensweisen, um das Vertrauen und die Zuneigung ihrer Opfer zu gewinnen und ihre eigenen Bedürfnisse sowie ihr Bedürfnis nach Macht auf Kosten der Kinder und Jugendlichen zu befriedigen. Zu solchen Täterstrategien gehören beispielsweise das Vortäuschen einer falschen Identität, Komplimente und Geschenke, das eigene Versenden von obszönen Inhalten oder das Erpressen von persönlichen Informationen. „Diese Täterstrategien ähneln sich sehr oft und es gilt daher, diese frühzeitig zu erkennen, um sich vor Schlimmerem zu schützen“, äußert sich der Psychologe und Leiter der Beratungsstelle „Phoenix“ der Arbeiterwohlfahrt Saarland e. V. Lothar Woll. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden im Jahr 2022 in Deutschland knapp 50.000 Fälle von Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendpornografie im Internet registriert. Diese Zahl hat sich im Vergleich zum Jahr 2020 sogar fast verdoppelt.

Betroffen sind vor allem jüngere Kinder: 98 % der Opfer sind 13 Jahre oder jünger. Kinder mit familiären Problemen oder einem geringeren Selbstwertgefühl sind ebenso besonders gefährdet. Diesen Kindern fehlt häufig eine Vertrauensperson, die sie bei Tätern im Netz zu finden glauben. Da bis auf wenige Ausnahmen fast alle Schulkinder digitale Medien nutzen, ist letztlich jedes Kind gefährdet, durch die Anbahnung sexualisierter Kontakte mit Tätern in Berührung zu kommen.

Laut der aktuellen JIM-Studie haben 23 % der befragten Jugendlichen (zw. 12-19 Jahre) ungewollt pornografische Inhalte im Netz gesehen. Es geht sogar noch weiter: Laut einer repräsentativen Studie durch die Landesanstalt für Medien NRW wurden bereits 24 % der Kinder und Jugendlichen im Netz von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert.

Sexuelle Belästigung findet da statt, wo sich Kinder gerne aufhalten. Täterinnen und Täter sprechen sie entweder über Messenger wie WhatsApp oder soziale Netzwerke wie Snapchat, Instagram und TikTok gezielt an. Aber auch immer häufiger in Online-Spielen wie Fortnite, Minecraft oder FIFA. Besonders beliebt bei Tätern sind auch Online-Spiele, die häufig von Mädchen gespielt werden, wie Roblox oder das Pferdespiel „Star Stable“.

„Es ist wichtig, dass Eltern und Erziehungsberechtigte ihre Kinder über die Risiken des Cybergroomings aufklären und ihnen beibringen, wie sie sich sicher im Internet bewegen können“, ergänzt der Psychologe der Beratungsstelle Marco Flatau. Dazu gehört beispielsweise das Vermeiden von persönlichen Informationen in öffentlichen Foren oder sozialen Netzwerken und das Aufstellen von Chat-Regeln. Es ist auch ratsam, die Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Medien zu überprüfen und zu nutzen. Viele gute Internetseiten bieten hierzu reichlich Informationen, beispielsweise www.klicksafe.de, www.schau-hin.info, www.fragzebra.de.

Des Weiteren sollten Kinder und Jugendliche ermutigt werden, bei verdächtigen oder unangenehmen Situationen im Internet sofort einen Erwachsenen ihres Vertrauens zu informieren. „Es ist wichtig, dass sie wissen, dass sie nicht alleine sind und dass es Unterstützung gibt. Eine gute Beziehung zu den Kindern als auch ein erkennbares Interesse an den verwendeten digitalen Anwendungen der Kinder erleichtert diesen Schritt“, so der dritte Psychologe der Beratungsstelle Thomas Abel.

Zusätzlich können technische Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko des Cybergroomings zu verringern. Das Installieren von Kindersicherungssoftware oder das Aktivieren von Filtern kann helfen, den Zugang zu gefährlichen Inhalten, insbesondere zu pornografischen Inhalten, einzuschränken.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Cybergrooming ein komplexes Problem ist und keine einfache Lösung bietet. Eine Kombination aus Aufklärung, Kommunikation und technischen Maßnahmen kann jedoch dazu beitragen, das Risiko zu minimieren und Kinder besser zu schützen. Fachliche Unterstützung bietet die Fachberatungsstelle Phoenix der Arbeiterwohlfahrt Saarland e. V.

Dieser Gesundheitstipp ist ein Gastbeitrag von der Beratungsstelle Phoenix der AWO Saarland. Phoenix ist eine saarlandweite Beratungsstelle gegen sexuelle Ausbeutung von Jungen. Sie bietet ein kostenloses und niedrigschwelliges Hilfsangebot für Jungen, männliche Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre, die sexuelle Gewalt erfahren haben und deren Bezugspersonen an. Die Beratung erfolgt persönlich (auf Wunsch auch anonym), per Telefon oder Mail. Weitere Informationen zur Beratungsstelle finden Sie unter www.awo-saarland.de/phoenix

Literaturempfehlung:

Müller, S. (2023). Wir verlieren unsere Kinder!: Gewalt, Missbrauch, Rassismus – Der verstörende Alltag im Klassen-Chat. München: Droemer Knaur.

Weitere Informationen zum saarlandweiten Netzwerk „Das Saarland lebt gesund!“ (DSLG) finden Sie unter www.pugis.de oder www.das-saarland-lebt-gesund.de

Weiterführende Literatur

Bundeskriminalamt. PKS 2022. Zugriff am 01. Februar 2024 unter https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2022/pks2022_node.html

Bundeskriminalamt. PKS 2020. Zugriff am 01. Februar 2024 unter https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2020/pks2020_node.html

Landesanstalt für Medien NRW (2021, 10. Dezember). Kinder und Jugendliche als Opfer von Cybergrooming. Zentrale Ergebnisse der 1. Befragungswelle 2021. Zugriff am 01. Februar 2024 unter https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/NeueWebsite_0120/Medienorientierung/Cybergrooming/211216_Cybergrooming-Zahlen_Praesentation_LFMNRW.pdf

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2023, November). JIM-Studie 2023. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Zugriff am 01. Februar 2024 unter https://www.lfk.de/fileadmin/PDFs/Publikationen/Studien/JIM-Studie/jim-studie-2023.pdf

Web.de (2023, 09. Okotber). Cybergrooming: aktuell eines der größten Risiken für Kinder. Zugriff am 01. Februar 2024 unter https://web.de/email/tipps/posts/gefaehrliches-cybergrooming/615/