Im Verlauf eines langen Winters verringert sich das natürliche Nahrungsangebot für Vögel. Daher stürzen sie sich allzu gerne auf das Futter, das ihnen von Menschen angeboten wird. Doch wovon ernähren sich unsere Vögel, wenn diese Möglichkeit nicht zur Verfügung steht?
Alle Vögel, die auch im Winter nicht auf Insekten, insbesondere fliegende Insekten als Hauptnahrung verzichten können, sind längst im Süden. Andere Arten, die ihre Jungen mit Insekten füttern, darunter alle Meisenarten und die meisten Finken, stellen für den Winter auf vegetarische Nahrung um. Vor allem die Samen von Bäumen sind dann ihre wichtigsten Nahrungsquellen.
So ernährt sich der Buchfink vor allem von Bucheckern – genauso wie sein naher Verwandter, der Bergfink aus dem Norden. Der Erlenzeisig bevorzugt Erlensamen, der Birkenzeisig Birkensamen – die Namen deuten bereits darauf hin. Selbiges gilt für den Fichtenkreuzschnabel, der das ganze Jahr über die Samen der Fichte aus den entsprechenden Zapfen klaubt. Auch der Eichelhäher bevorzugt die namensgebenden Früchte der Eiche. Der Kernbeißer dagegen lässt sich besonders häufig die Samen der Hainbuche schmecken, eher seltener – und nur im Sommer – diejenigen der Kirsche, wie man meinen könnte, da er oft Kirschkernbeißer genannt wird. Die verschiedenen Baumsamen sind für unsere Meisenarten die wichtigste Nahrung. Ihre Brutbestände im Folgejahr hängen hauptsächlich von der Intensität der winterlichen Samenmast in den Wäldern ab. Können die Samen direkt von den Bäumen gepflückt werden, sind diese Nahrungsquellen wetterunabhängig. Müssen sie jedoch vom Boden aufgenommen werden, wie zum Beispiel Bucheckern, machen dicke Schneedecken und Eis das Angebot schnell unzugänglich.
Neben Bäumen tragen auch viele Wildkräuter noch im Winter Samen, die die Vögel nutzen können. Stieglitze lieben dabei besonders die Samenstände der distelartigen Wilden Karde, wo diese Pflanze auf ungenutzten Ruderalflächen oder Brachen wachsen kann. Kleinere Wildkräuter werden von hohem Schnee schnell verdeckt.
Es gibt aber auch Insektenfresser, die selbst im Winter bei uns ausharren: Sowohl der Zaunkönig als auch die beiden Baumläuferarten schaffen das, indem sie mit ihren langen dünnen Schnäbeln überwinternde Insekten aus engen Ritzen, z. B. in der Borke eines Baumes, picken. Auch Buntspechte und ihre Verwandten können ihre Hauptnahrung, holzbewohnende Insekten, im Winter genauso gut aus morschen Stämmen und Ästen klauben wie im Sommer. Die winzigen Wintergoldhähnchen und Schwanzmeise scheinen im Winter in ihrer eigenen ökologischen Nische, auf den äußersten Spitzen von Zweigen, die nur sie dank ihres geringen Gewichts beklettern können, noch genügend kleine Insekten zu finden. Manche dieser Arten erleiden in harten Wintern heftige Bestandseinbrüche, die erst über mehrere Jahre wieder ausgeglichen werden können.
Die als „Weichfutterfresser“ bezeichneten Vögel sind meist Arten, die normalerweise von Insekten und Würmern am Boden leben, oft Drosselvögel wie die Amsel oder das Rotkehlchen. Wann immer möglich suchen sie im Winter nach überwinternden Insekten am Boden und ergänzen ihre Nahrung gerne durch übriggebliebene Beeren und Äpfel. Sie sind meist Teilzieher; viele von ihnen ziehen im Winter in den Süden, auch wenn einige Artgenossen bei uns bleiben. Zu ihnen gesellt sich in manchen Jahren der Seidenschwanz aus dem hohen Norden. Er hält sich bei uns meist an Mistelbeeren oder Vogelbeeren als Winternahrung.