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Ausgabe 2/2023
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Mythencheck

Bei Vollmond schlafen wir schlecht - stimmt's?

Schlechter Schlaf kann einem den letzten Nerv rauben. Viele Menschen suchen eine Erklärung dafür in den Mondphasen.

Heute Nacht kein Auge zugekriegt? Der Schuldige für viele Menschen: der Vollmond. Was an dem Glaube dran ist, dass die Mondphasen einen Einfluss auf die Qualität unseres Schlafes haben.

Wer am Morgen zerknüllt aufwacht und kaum die Augen aufbekommt, schiebt den miserablen Schlaf gerne auf den Vollmond. Aber schlafen wir bei Vollmond wirklich schlechter oder ist das nur ein Mythos?

Auch in der Forschung beschäftigt man sich schon länger mit dieser Frage - allerdings wird sie in Studien unterschiedlich beantwortet. In manchen Untersuchungen finden sich Hinweise darauf, dass die Mondphasen unseren Schlaf beeinflussen könnten und andere wiederum finden dafür keine Belege. Deshalb gehen viele Wissenschaftler:innen von einem subjektiven Effekt aus. So etwa der Soziologe Edgar Wunder. Er hat mehrere hundert Studien analysiert, die sich mit dem Einfluss des Mondes auf den Schlaf beschäftigen. Er kommt zu dem Ergebnis: "Es gibt aus meiner Sicht keine überzeugenden Studien, die so einen Zusammenhang aufgezeigt haben", sagte er gegenüber "Deutschlandfunk Nova".

Vollmond und schlechter Schlaf - alles nur Einbildung?

Forschende der Washington University haben das Schlafverhalten von vier unterschiedlichen Teilnehmergruppen über zwei Mondzyklen hinweg untersucht. Eine Gruppe waren Studierende aus Seattle und die anderen drei Gruppen bestanden aus indigenen Völkern aus Argentinien, die teils auf dem Land und ohne Strom oder nur mit begrenztem Zugang zu Elektrizität leben. Die Wissenschaftler:innen statteten die Teilnehmer:innen mit einem Armband aus, welches ihren Schlaf anhand verschiedener Messwerte protokollierte.

Die Forschenden haben bei allen vier Gruppen periodische Schwankungen im Schlafverhalten festgestellt. Und das, obwohl die Teilnehmenden ganz unterschiedlich leben und nicht alle Proband:innen Kunstlicht ausgesetzt sind. Drei bis fünf Tage vor Vollmond schliefen Menschen aus allen vier Gruppen im Vergleich zu ihrer normalen Schlafenszeit 30 bis 80 Minuten später ein. Und schliefen insgesamt auch 20 bis 90 Minuten weniger. Zwischen der indigenen Bevölkerung, die keinem Zugang zu Elektrizität hat, und den Studierenden aus der Großstadt gab es nur geringe Unterschiede. "Wir sehen hier einen klaren lunaren Einfluss auf den Schlaf", sagte Studienautor Horacio de la Iglesia gegenüber "Scinexx".

Mögliche Erklärung: Evolution und die Schwerkraft

Eine mögliche Erklärung für das Phänomen: "Wir vermuten, dass die von uns beobachteten Schlafmuster für unsere Vorfahren vorteilhaft waren, weil sie dann das zusätzliche abendliche Licht dieser Mondphasen nutzen konnten", erklärte Hauptstudienautor Leonardo Casiraghi gegenüber "Scinexx". Doch wer in einer Großstadt lebt, weiß, dass Leuchtreklamen oder die beleuchtete Hausnummer des Nachbarhauses weit aus heller in die Wohnung strahlen als das Mondlicht. Die Wissenschaftler:innen haben deshalb noch eine weitere Annahme. Sie vermuten, dass der Schwerkraft-Einfluss des Mondes sich auf unseren Schlafrhythmus auswirken könnte.

Welche Faktoren genau eine Rolle auf den Schlaf in den verschiedenen Mondphasen spielt, wurde in dieser Studie nicht eindeutig geklärt, dazu ist weitere Forschung nötig. Ein Kritikpunkt an der Untersuchung: Die Studiendauer über zwei Mondzyklen (rund zwei Monate) sei zu kurz, um Scheineffekte ausschließen zu können, so Edgar Wunder. Außerdem müsste man die Wochentage kontrollieren. Denn: Am Wochenende gehen viele Menschen später ins Bett.

Gute-Nacht-Tee statt Alkohol

Endlich mal ausgeschlafen:

zehn Tipps für eine gesunde Schlafhygiene

1. Machen Sie sich gute Gedanken

Klar, freiwillig legt sich wohl niemand grübelnd ins Bett. Aber viele Menschen neigen dazu, sich vor dem Schlafen den Kopf über Gott und die Welt zu zerbrechen. Erholsamer Schlaf ist so kaum möglich. Um dieses Muster zu durchbrechen, können Sie zum Beispiel geführte Fantasiereisen oder Einschlafmeditationen nutzen - oder sich bewusst ein schönes Erlebnis ins Gedächtnis rufen.

2.

Verzichten Sie auf Genussmittel

Wir wollen keine Spielverderber sein, aber Alkohol und Zigaretten sind vor dem Schlafengehen ziemlich kontraproduktiv, zumindest in Massen. Ein Glas Wein am Abend ist kein Problem, während zu viel Alkohol oder Nikotin ein Garant für einen schlechten Schlaf sind. Einschlafen geht zwar meistens gut, aber der Schlaf ist deutlich weniger erholsam als ohne Alkohol im Blut.

3.

Verzichten Sie auf den Mittagsschlaf

Wer in der Nacht nicht ausreichend Schlaf bekommt, der ist tagsüber entsprechend erschöpft und müde. Sich mittags dann einen ausgiebigen Power Nap zu genehmigen, ist dabei allerdings keine gute Idee. Denn dann sind wir im Zweifel abends nicht müde genug, um besser zu schlafen. Besser: Tagsüber wach bleiben und abends zur gewohnten Zeit ins Bett gehen.

4.

Etablieren Sie eine Schlafroutine

Wir Menschen sind Gewohnheitstiere - und das auch rein biologisch betrachtet. Indem wir immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen, bringen wir unserem Körper also bei, rechtzeitig das Schlafhormon Melatonin zu produzieren und sich damit auf die Schlafenszeit einzustellen.

5.

Essen Sie abends bewusst

Wenn unser Verdauungssystem auf Hochtouren arbeitet, dann fällt Schlafen schwer. Experten raten deshalb dazu, abends nur leicht verdauliche Kost zu sich zu nehmen. Das heißt: Nichts zu fettiges, süßes oder säurehaltiges. Und die letzte Mahlzeit spätestens zwei Stunden vor dem Zu-Bettgehen zu sich nehmen.

6.

Sorgen Sie für regelmäßige Auszeiten

Stress ist einer der größten Schafräuber unserer Zeit. Wenn das Stresslevel zu hoch ist, fällt es schwer, abends runterzufahren. Die Folge: Wir wälzen uns die ganze Nacht in der Bettdecke herum, statt seelenruhig vor uns hin zu schlummern. Für gesunden Schlaf lohnt es sich deshalb, auch im Alltag bewusste Entspannungspausen einzubauen.

7.

Bewegen Sie sich an der frischen Luft

Bewegung ist gesund für Körper und Geist, das ist schon lange kein Geheimnis mehr. Aber auch unsere Schlafqualität profitiert wesentlich davon, wenn wir aktiv sind - am besten an der frischen Luft. Dafür reicht schon ein langer Spaziergang im Wald. Übrigens: In den letzten zwei Stunden vor dem Schlafengehen sollte man lieber auf sportliche Aktivität verzichten.

8.

Schalten Sie das Licht aus

Unser Körper braucht das Licht. Wenn die Sonne scheint, dann schüttet er das Glückshormon Serotonin aus und signalisiert uns, dass Wachsein angesagt ist. Denn Serotonin unterdrückt das Schlafhormon Melatonin. Für guten Schlaf sollte es deshalb so dunkel wie möglich sein.

9.

Entwickeln Sie Abendrituale

Eine heiße Milch mit Honig, ein leckerer Tee oder eine kurze Meditation - indem Sie jeden Abend vor dem Schlafengehen das Gleiche machen, gewöhnen Sie Ihren Körper irgendwann daran, in den Schlafmodus zu schalten. Das hilft nachweislich dabei, besser einzuschlafen.

10.

Legen Sie Ihr Smartphon und Co weg

Wer abends im Bett als letztes im Smartphone rumscrollt, der braucht sich über schlechten Schlaf kaum wundern. Das Blaulicht des Displays hindert die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Wenn wir uns dann auch noch lustige oder aufregende Inhalte ansehen, dann ist unser Gehirn schnell wieder im Wachmodus angekommen. Also erklären Sie das Bett zur handyfreien Zone.

Mondphasen und der Schlaf

2013 haben Christian Cajochen und sein Team der Universität Basel bereits den Einfluss des Mondes auf die Schlafqualität untersucht. Dazu haben die Wissenschaftler:innen im Schlaflabor die Gehirnströme, Augenbewegungen und Hormonspiegel von 33 Personen in den verschiedenen Schlafphasen gemessen. Die Proband:innen waren im Labor ohne Fenster untergebracht und wussten nicht, welche Mondphase ist.

Das Ergebnis: Bei Vollmond brauchten die Proband:innen im Schnitt fünf Minuten länger, bis sie einschliefen. Und sie schiefen auch insgesamt 20 Minuten weniger. Die Wissenschaftler:innen stellten außerdem fest, dass die Aktivität in jenen Hirnregionen, die mit dem Tiefschlaf in Verbindung stehen, um 30 Prozent fiel.

Doch auch an dieser Studie gibt es Kritik: Bei der kleinen Proband:innenzahl können keine Rückschlüsse von der Gruppe auf die Bevölkerung übertragen werden. Außerdem lässt sich durch die geringe Zahl an Teilnehmenden nicht ausschließen, dass es sich bei den entdeckten Ergebnissen nur um Zufallsfunde handelt. Dies müsste noch mit einer größeren Studie untersucht werden.

Eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts hat im Gegensatz zu den beiden anderen Studien keinen Zusammenhang zwischen der Mondphase und unserem Schlaf gefunden. Die Forschenden haben die Schlafdaten von 1265 Proband:inenn aus 2097 Nächten analysiert. "Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen", sagte Martin Dresler Neurowissenschaftler vom Max-Planck-Institut in einer Mitteilung zur Studie.

Keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege

Für Soziologe Edgar Wunder besteht bei der Erforschung des Einflusses des Mondes auf den Schlaf ein grundlegendes Problem. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der schlechte Schlaf bei Vollmond durch einen psychologischen Effekt verursacht wird. Wer denkt, dass er bei Vollmond schlecht schläft, wird auch schlechter schlafen, weil er gestresst ist und sich dies negativ auf die Nachtruhe auswirkt. Um den psychologischen Faktor ausschließen zu können, müssten also Proband:innen für einen langen Zeitraum (ein halbes Jahr bis ein Jahr) isoliert werden und nicht wissen, welche Mondphase ist, um den Einfluss des Mondes auf unseren Schlaf gut untersuchen zu können. Eine solche Studie ist natürlich aus ethischen Gründen nicht umsetzbar.

Heißt also: Wissenschaftlich ist ein Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf und Vollmond nicht belegt. Einige Studien liefern dazu lediglich Hinweise.

Quellen: Mitteilung zur Studie vom Max-Planck-Institut, Studie Washington University,Studie Uni Basel, Mitteilung zur Studie der Uni Basel, Deutschlandfunk Nova, Scinexx