Titel Logo
Selterser Kurier
Ausgabe 6/2025
Gestaltung Innenteil Seite 2
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe
-

150 Jahre Bahnhalt in Niederselters

Goldener Grund/Niederselters. (uk). Das Selterswasser war an allem schuld, nennt der Heimatforscher Dieter Frey zu recht den Grund für den Verlauf der Bahnstrecke Limburg-Frankfurt durch den Goldenen Grund. Vor 150 Jahren, am 1. Februar 1875, fuhr der erste Zug offiziell auf dem ersten Abschnitt der neuen Bahnlinie von Eschhofen nach Niederselters. Zu diesem Anlass verkündete der Verwaltungsrat der Bauherrin, der hessischen Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft, in Mainz, die Bahnstrecke Limburg-Niederselters sei ab dem 1. Februar für den Personen- und Güterverkehr eröffnet, und täglich würden vier Züge fahren.

Niederselters und seine Mineralquelle waren mit die wichtigen Gründe für den Bau der Bahn und für die gewählte Streckenführung. Schon bei den Vorplanungen spielte die wirtschaftliche Bedeutung des Brunnens eine große Rolle. Schließlich wurde das Selterswasser in ganz Europa, ja sogar weltweit, getrunken. Zur Zeit des Herzogtums Nassau, im 19. Jahrhundert, machte der Versand des Selterswassers 81 Prozent des gesamten nassauischen Mineralwasser-Exports aus und war damit der größte Einnahmeposten des Herzogtums. Mit der Eisenbahn, so die Überlegungen, könnten viele Verkaufsstandorte schneller und kostengünstiger angefahren werden. Geschätzt wurde von den Bahnbefürwortern, täglich zwölf Waggons Selterswasser verschicken zu können.

Der Bau der Strecke Limburg-Frankfurt, finanziert vom Königreich Preußen, begann 1872. Niederselters wurde 1875 erreicht. In Camberg begann das Eisenbahnzeitalter am 15. Mai 1876, in Idstein am 12. Juli 1877, Frankfurt-Höchst wurde am 15. Oktober 1877 erreicht.

Beim Streckenbau fanden nicht nur heimische Arbeiter Beschäftigung, sondern auch Arbeitskräfte aus dem Ausland, etwa aus Italien und Polen. Vor allem beim Bau des zweiten Gleises in den Jahren 1911 bis 1913, wurden zahlreiche ausländische Kräfte eingesetzt, weil deutsche Arbeiter „lohnenderen Beschäftigungen nachgingen und sich nicht mehr für Erdarbeiten hergaben“, nennt Dieter Frey in seiner Eisenbahngeschichte im Idsteiner Land die damalige Begründung dafür.

Bei den Bauarbeiten, insbesondere auf den teils schwierigen Teilstrecken, kam es nicht selten zu Unfällen, und wieder spielte Niederselters eine besondere Rolle. Bei Baubeginn 1872 wählte die Baudirektion das Niederselterser Kloster der Dernbacher Schwestern, das sich in der Nähe der alten Kirche befand, als Kranken- und Verwundetenpflegestation aus. Allein 1873 mussten insgesamt 19 kranke und verletzte Eisenbahnarbeiter von den Selterser Krankenschwestern versorgt werden, wie der Vorsitzende des Kultur- und Geschichtsvereins, Dr. Norbert Zabel, berichtete.

Der Niederselterser Mineralbrunnen hatte sogar Einfluss auf den Streckenverlauf, der gezielt über das Brunnengelände geführt wurde, während der Bahnhof nur etwa 70 Meter von Abfüllgebäude entfernt errichtet wurde. Fast zeitgleich wurden in Niederbrechen, Oberbrechen und Camberg in Aussehen und Größe sehr ähnliche Bahnhofsgebäude errichtet, zweieinhalbgeschossige Empfangsgebäude mit angeschlossenem Güterschuppen. In Camberg soll, so Dr. Zabel, der Landerwerb problematisch gewesen sein, weil dort 152 Eigentümer betroffen waren. Ein Verlauf der Bahnstrecke über Dauborn und Wallrabenstein, über den später immer wieder spekuliert wurde, sei allerdings nie ernsthaft erwogen worden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich auch der Niederbrechener Bahnhof mit zuletzt sechs Gleisen zum wichtigsten Verladebahnhof zwischen Limburg und Bad Camberg, vor allem für landwirtschaftliche Produkte und andere Güter aus der näheren Umgebung. Insgesamt waren damals über 20 Menschen im Bahnhofsbereich einschließlich der Stellwerke beschäftigt.

Im Mai 1875 schlossen die königliche Regierung in Wiesbaden und die Spezial-Direktion in Mainz, die Eigentümerin der Strecken Limburg-Frankfurt Limburg-Wiesbaden war, einen Vertrag über die Verlegung eines Verbindungsgleises und den Bau zweier Drehscheiben auf dem Brunnengelände. Dadurch konnten die Waggons direkt vor dem 1857 errichteten Glaspavillon über der Quelle beladen werden. Zwei neue Rollwagen sollten die Arbeit erleichtern. Die Gesamtkosten beliefen sich, so Dr. Zabel, auf 17722 Reichsmark. In der Nähe des Bahnhofs wurde 1876 die Bahnmeisterei errichtet, von der aus die Strecken und der Gleiszustand kontrolliert wurden und notwendige Reparaturen vorgenommen werden konnten.

1876 wurden auf dem Brunnenhof 1016 Waggons mit Krügen und Flaschen Selterswasser beladen. Für das Einlaufen auf dem Brunnengelände zahlte der Brunnen eine Mark pro Waggon. 1877 wurden 833 Waggons beladen, 1878 waren es 912 Waggons. In den folgenden Jahren gingen die Wassertransporte per Eisenbahn leicht zurück, sie schwankten beispielsweise zwischen 923 im Jahre 1891 und 656 im Jahr 1893, bis sie nach fast 100 Jahren nach dem zweiten Weltkrieg vom Lkw-Transport abgelöst wurden.

Das „Hotel-Restaurant zum Bahnhof“, heute eine Gastwirtschaft, das die Familie von Heinrich Hänchen seinerzeit gegenüber dem Bahnhof baute, erinnert an die Zeit, als dank des Brunnens in Niederselters bedeutender Kurbetrieb herrschte. Bis heute ist die Bahnverbindung Limburg-Frankfurt von großer Bedeutung, nicht zuletzt für die zahlreichen Arbeitnehmer des Goldenen Grundes und der Umgebung, die im Rhein-Main-Gebiet beschäftigt sind.

An der Stelle, wo früher die Eisenbahnwaggons mit den Selterswasserkrügen und -flaschen beladen wurden, erinnerten der Armin Illion, Annette Weniger, Dr. Norbert Zabel, Thomas Brühl, Markus Weniger, Ortsvorsteher Heinz Seidel, Julia Westendorff, die auch Brunnenführungen leitet, Michaela Schmidt-Illionn, Heinz Michalek und Eva Michalek vom Kultur- und Geschichtsverein sowie „Mir sein Seldersch“ an die erste Fahrt vor 150 Jahren auf der neuen Eisenbahnstrecke zwischen Eschhofen und Niederselters. Damals reichten die Brunnenmädchen den Passagieren beim Halt in Niederselters Mineralwasser zur Erfrischung. Foto: Königstein

Fast zeitgleich wurden an der neuen Bahnstrecke die vier Bahnhöfe in Niederbrechen, Oberbrechen, Niederselters und Camberg gebaut, zweieinhalbgeschossige Empfangsgebäude mit angeschlossenem Güterschuppen wie der in Niederselters, vor dem sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bahnbediensten und die Bauarbeiter zum Erinnerungsbild formierten. Repros: Königstein

In den Jahren ab 1911 wurde die Bahnlinie Limburg-Frankfurt durch den Goldenen Grund zweigleisig ausgebaut. Dieses Bild entstand am Bahnhof in Niederbrechen.