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Selterser Kurier
Ausgabe 8/2025
Kirchliche Nachrichten
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Fassenacht-Gottesdienst widmet sich Joachim Ringelnatz

Selters-Münster und Villmar-Weyer (uf) Eine schöne Tradition sind seit vielen Jahren die Fassenacht-Gottesdienste in den Evangelischen Kirchengemeinden Münster und Weyer. Seit Jahren nimmt sich Gemeindepfarrer Ulrich Finger immer wieder eine für ihren Humor und ihre Dichtkunst bekannte Person vor, um diese im Gottesdienst ausgenzwinkernd vorzustellen.

Nach noch heute gut bekannten Großmeistern wie Loriot, Heinz Ehrhardt, Karl Valentin oder Wilhelm Busch stellte Finger in den Gottesdiensten in Münstern und in Weyer Joachim Ringelnatz vor. Einen Künstler, dessen Name bekannt ist, aber kaum noch sein Werk.

Ringelnatz wurde 1883 im sächsischen Wurzen geboren. Klein von Gestalt wurde er in Kindheit und Jugend oft wegen seines Aussehens gehänselt. Aber er blieb beständig auf der Suche nach seinem kleinen Glück. So heuerte er nach dem Realschulabschluss als Schiffsjunge auf den sieben Meeren an. Erst nach dem 1. Weltkrieg, den er als Marinesoldat fast ausschließlich in den Häfen Norddeutschlands verbracht hatte, begann er seine schriftstellerische und künstlerische Karriere in München und später in Berlin. Seine spitzzüngigen und hintergründigen Gedichte fanden viele Freunde, unzählige Gedichtbände und Bücher veröffentlichte er. Aber sein liebstes Metier war die Bühne, auf der er mit „gutmeinender Bosheit“ seine Zeitgenossen und zuallererst sich selbst auf die Schippe nahm. Seine Parade-Rolle war der Seemann „Kuttel Daddeldu“. Besonders eindrucksvoll sind seine sozialkritischen Gedichte, die er nicht moralisch oder solidarisierend schriebt, sondern aus eigener Erfahrung. Seine Pointen erschließen sich oft erst eine Weile später. Wichtig war es ihm aber auch, dass er nicht über die anderen lachen wollte, sondern dass diese auch ganz bewusst mitlachen sollten.

Schon kurz nach Machtantritt der Nazis wurde die Verskunst des Ringelnatz als „entartete Kunst“ diffamiert. Der „reisende Artist“ bekam Berufs- und Auftrittsverbot. Ringelnatz vereinsamte und wurde krank. Kurz nach seinem 50. Geburtstag starb er 1934 in Berlin. Die Kollekte der Gottesdienste wurde auch in diesem Jahr wieder durch eine Spende aus der Marmeladenkasse auf 500 Euro aufgestockt und kommt der Arbeit der Clownsdoktoren zu Gute.