Es klingt wie ein Scherz, wenn man sich die vergangenen 3 Jahre der jungen Lisa betrachtet. Eine „Vita“, die man seinem ärgsten Rivalen nicht ansatzweise gönnt.
Eine fröhliche, lustige, schlaue und hübsche Teenagerin startet im Anfang ihrer „Sturm und Drang“ Zeit mit gerade einmal 14 Jahren in die Covid 19 Pandemie: Keine Kirmes, keine Partys, nur Masken, Ausgangssperren und Homeschooling. Dann kommen die ersten Lockerungen, da ist sie 16 Jahre.
Es finden Kirmesveranstaltungen, Partys und Diskobesuche statt -alles mit Muttizettel versteht sich- und weil sie auf dem Land wohnt, ist Mama Karina immer am Start, um Lisa in fast allen Vorhaben zu unterstützen.
Zuhause ist sie gut eingespannt, gemeinsam mit den drei kleineren Geschwistern im Haus der Großeltern gibt es genug zu tun. Wer am Wochenende Feiern will, muss unter der Woche auch mal mit anpacken. Wenn die Mama bei der Arbeit ist, heißt es schnell, kannst du bitte deiner Schwester (11) bei den Schulaufgaben helfen und wenn du damit fertig bist, würde ich mich freuen, wenn du die Zwillinge (6) vom Kindergarten abholen würdest.
Die Mama kommt gegen 17:00 Uhr nachhause, sie muss schließlich noch einkaufen und 30 km von der Arbeit heimfahren, dann essen wir gemeinsam Abendbrot. Der alltägliche „Wahnsinn“ einer normalen Familie, in diesem Fall leider ohne Vater.
Es ist Sommer 2021 und Lisa hat gerade den Realschulabschluss geschafft. Wie viele junge Menschen startet Sie in das Freiwillige Soziale Jahr um sich selber zu finden. Dies absolviert die junge Frau im Eichsfeld Klinikum sehr erfolgreich und beginnt dort im Anschluss 2022 ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft. Mit dem erlernten Wissen aus ihrem FSJ und ihrer freundlichen, hilfsbereiten Art kommt Lisa im Krankenhausalltag, bei den Kollegen und den Patienten gut an. Die junge Lisa begleitet unter anderem ihren Nachbarn aus dem Heimatort auf der Station bis in den Tod und lernt früh, dass der Tod zum Leben dazugehört, ohne zu wissen, dass sie bald dem Tod nur knapp entkommen wird.
Schnell ist der Ausbildungsvertrag unterschrieben und das Arbeits- Ausbildungsleben beginnt mit großer Freude, denn es ist der Traumjob, den sie bereits im Jahr ihrer FSJ-Zeit lieben gelernt hat.
Aufgrund der Ortslage ist sie an die öffentlichen Verkehrsmittel gebunden. Dieser passt sich leider nicht den notwendigen Schichtzeiten an und muss nun doch weiterhin durch den persönlichen Fahrdienst durch Mama Karina ergänzt werden. Aber das ist ja kein Problem, denn der Plan steht.
Ich mache den Motorradführerschein von meinem ersten eigenen verdienten Geld und wenn es das Budget zulässt, kaufe ich mir ein Motorrad.
Gesagt, getan. Die Anmeldung läuft, die Theorie- und Praxisprüfung direkt beim ersten Mal bestanden geht es nun an das Vorhaben, ich kaufe ein Motorrad. Geld sparen bis November und dann läufts. Leider nicht direkt, aber dafür gibt es ja die Familie. Mittels eines Darlehens aus der Familie ist es dann doch möglich, ein Motorrad zu kaufen und über die kommenden Jahre abzustottern, genau so muss es laufen in der Familie.
Es ist so weit, Lisa hat eine Woche Urlaub zwischen Theorie und Praxis. Es ist ihr 17ter Geburtstag und der Führerschein ist in der Tasche. Mama hat ein paar Tage frei und kauft endlich mit mir ein Motorrad.
Es war an einem Dienstag im November, das Wetter war noch warm und die Vorfreude auf die Ausfahrten riesig. „Wo ich mit dem Teil alles hinkomme, zu selbstbestimmten Zeiten“ der Wahnsinn, das Lächeln und Glück über dieses neu gewonnen Stück Freiheit in ihrem jungen Leben und Selbstbestimmtheit, unbezahlbar.
Es ist Mittwoch einen Tag nach dem Kauf, alles noch sehr vorsichtig, jedes Staubkorn wird sofort weggeputzt und jede Fliege am neuen Helm entfernt.
Es ist Donnerstag, 2 Tage nach dem Kauf der gewonnenen Freiheit. Lisa verbringt den Vormittag zusammen mit Mama. Mit Freunden verabredet zieht sie sich an und verabschiedet sich fröhlich mit einem Kuss „ich habe dich lieb, fahr vorsichtig“ „ja, mach ich“ und schon ist sie auf dem Weg.
Etwa 15-20 Minuten später ertönt das Martinshorn, nicht selten auch nicht unüblich. Ein unwohles Gefühl aber kein weiterer Gedanke bei der Mama zu Hause.
Wenig später klingelt das Handy. Unbekannte Nummer, schlechter Empfang. Gespräch weg, immer noch keine nervösen Gedanken bei der Mama.
Zur selben Zeit im Nachbarort. Eine junge Motorradfahrerin ist gestürzt. Als Ersthelferin ist zufällig eine Krankenschwester zur Stelle. Diese alarmiert den RTW und leistet erste Hilfe. Schwerverletzt wird sie ins Krankenhaus gefahren. Auf dem Weg dorthin kurze Kommunikation mit der völlig unter Schock stehenden Lisa, die ihrem Motorrad hinterher trauert und es zurück lassen musste an der Unfallstelle.
Die Ersthelferin berichtet, ich kann deine Mama nicht erreichen. Die behandelnde Notärztin kennt die Familie, hat zufällig die Telefonnummer der Tante der Verunfallten. Diese ruft Mama Karina an und berichtet vom Unfall und dem Transport ins Krankenhaus. Mama Karina begibt sich sofort auf den Weg ins Krankenhaus.
Angekommen im Krankenhaus wird sofort die Notoperation der schwerverletzten 17-jährigen Motorradfahrerin eingeleitet. Noch schnell ein Küsschen von Mama und weg ist sie. Nach 6h Operation der Anruf, OP gut verlaufen bei schwerster Rückenmarksverletzung.
Die Rekonstruktion an der Unfallstelle lässt vermuten, vom Fahrzeug geflogen und mit großer Wucht gegen die Straßenlaterne geprallt. Die verschwommene Erinnerung der Motorradfahrerin, ein Auto bzw. Fremdkontakt verspürt zu haben, konnte nicht belegt werden und wurde nicht weiterverfolgt. Fazit: Verkehrsunfall durch Eigenverschulden.
Die folgenden Tage und Wochen auf der Intensivstation sind eine Mischung aus Todesangst, Verzweiflung, Selbsthass, Trauer, Hoffnung und Wut.
Was folgt sind unzählige Telefonate, Gespräche, gefahrene Kilometer, Kampf, Tränen, Verzweiflung, Vorwürfe, schlaflose Nächte und Sorgen ums Überleben des eigenen Kindes.
Das erste Telefonat mit der Versicherung. Mama Karina schildert mutig den Vorfall, versucht tapfer zu sein und gleichzeitig die beste Behandlung für Lisa zu organisieren, denn bis auf Rechnungen, Absagen, Formulare und Warteschleifen ist nicht viel passiert.
Die Kollegin der Versicherung am Telefon war freundlich, hat zugehört und hörbar betroffen. Einziger Kommentar, das ist ja jetzt blöd, dass es kein Wegeunfall gewesen ist.
Tatsächlich hatte Lisa in den Tagen Urlaub. Danke für den Hinweis!
Mittlerweile sind 2 Wochen auf Intensivstation vergangen.
Die Zeit in der Unfallklinik neigt sich dem Ende zu. Es ist der 24. November 2022, die erste Verlegung steht nach langem Kampf an. Diese bringt Hoffnung aber auch Probleme mit sich, logistische Probleme und drohende Existenzängste. Ein Platz in einer auf Querschnittslähmung spezialisierte Klinik wurde gefunden. Der Aufenthalt soll nun 3 Monate dauern.
Die erlebten Dinge aus einem Klinik Alltag passen in nicht nur ein Buch und wie sollte es anders sein, hätte man kein Vitamin B, wäre auch diese erste Station anders gut verlaufen.
Lisa verbringt die Adventzeit in nun größtenteils allein dort. Da ist man nicht mal so schnell bei ihr um sie zu besuchen. Weihnachten möchte Mama und Geschwister ein paar Tage mit ihr verbringen. Da muss Mama leider kurzfristig absagen, denn Mama liegt flach und die Geschwister haben auch Erkältungssymptome. Weihnachten also ganz allein in der Klinik und keine geliebte Person um sich.
Die Diagnose unverändert, keine bis wenig Aussichten auf Heilung.
Lisa hat viel erlebt und viel gelernt. Zwischen vielen alten und sehr alten Menschen in der Klinik, die alters- und/oder krankheitsbedingt in den Rollstuhl geraten sind, war sie hier aufgrund dieses Unfalls und muss jetzt neu Leben lernen. Sie strengt sich an, macht Fortschritte, Übungen, Schmerzen, ….sie möchte hier raus, endlich auch mal wieder Menschen in ihrem Alter sehen, oder einfach mal keine Krankenhauswände.
23. Februar 2023, es ist soweit, die Kinder- und Jugendreha wartet. Endlich ein weiterer Schritt in Richtung Leben.
Zugleich nehmen die Herausforderungen in der Familie weiter zu. Die Fahrt zur Rehaeinrichtung 7h (hin und rück) Sprit- und Fahrzeugkosten sowie Kosten für die Übernachtung sind lang nicht mehr im Haushaltsbudget drin.
Die Folge, Lisa ist jetzt ganz allein, Mama kann nicht einfach mal rumkommen. In der Reha zwischen Kindern von 5 bis 18 Jahren mit unterschiedlichen Schicksalsschlägen und trotzdem allein. Die Geschwister und Mama Karina kommen vielleicht gerade mal noch alle 14 Tage zu Besuch. Selbstverständlich telefonieren sie weiterhin mehrmals täglich mit Bild, aber ist es dasselbe? Nein ist es nicht, jedes Kind will von seiner Mama einmal am Tag in den Arm genommen werden und wenn es krank oder verletzt ist auch zweimal am Tag und man will ihr den Kopf streicheln und sagen, du bist nicht allein, zusammen schaffen wir das. Wichtig ist, dass du am Leben bist für alles andere gibt es Lösungen.
Zwischenmeldung: Der Antrag auf Begleitperson (also ggfls. Übernachtungskostenübernahme für zumindest 1 Person) für Mama ist abgelehnt.
Die Zwillinge sind in die erste Klasse gekommen, die Aufgaben werden nicht weniger. Die Situation auch für die Geschwister fast unerträglich. Mama ist kaum noch da, muss viel erledigen. Die Schwester kommt nicht mehr nach Hause. Überall und von allen Seiten nur noch die eine Frage: Wie geht es Lisa?
Eine Frage, die sich Mama Karina jeden Tag selbst stellt und nicht beantworten kann.
Es sind tatsächliche völlig normale Reaktionen und Betroffenheit der Menschen, dennoch eine sehr schwere Situation für eine alleinerziehende Mutter.
Eine Aussage, aller Kliniken gegenüber Mama Karina war immer, wenn sie und ihre Familie Hilfe, Unterstützung oder psychologische Hilfe benötigen, sind wir jederzeit für sie da. „in der Theorie klingt das großartig“, aus der Praxis live erlebt, stehst du völlig allein da. Es gibt keine Hilfe, sobald dieses Angebot in Anspruch genommen werden soll, ist niemand da, man wird vertröstet oder als lästig empfunden.
Ständig unter Strom und gefolgt von Gedanken, was, wenn Lisa dann endlich nach Hause kommen darf? Ach ja, unser zuhause ist überhaupt nicht Rollstuhlgerecht und ein Umbau ist ausgeschlossen. Also stellt sich eine weitere zusätzliche Aufgabe, eine Wohnung finden die Rollstuhlgerecht und bezahlbar ist.
Ohne Vitamin B geht hier gar nichts. Darüber hinaus hat die Mama keine Erfahrung, wie man eine Wohnung überhaupt Rollstuhlgerecht ausstattet und einrichtet.
Wenn dann eine Wohnung gefunden ist, wer stattet diese aus und wie soll sie das bezahlen. Kurz vor Ohnmachtsgedanken meldet sich die örtliche Wohnungsgenossenschaft mit der ersten guten Nachricht seit Monaten. Wir könnten Ihnen eine Wohnung zeigen… Wow, Mega, Danke.
Die Miete, puh, ja alles klar, ich frage mal bei den Behörden denkt sich Mama Karina.
Die Antwort, Abgelehnt! Begründung, zu teuer! Die Wohnung ist bis auf weiteres reserviert aber auch nur reserviert nichts weiter. Die Wohnung ist leer, keine Küche, kein Wohnzimmer, kein Schlafzimmer. Klingt verdächtig nach Formularen, Anträgen, Gesprächen, Erklärungen und Hoffnung auf das kleine Stück Gerechtigkeit im Leben. Bedeutet, Wiederspruch einlegen und parallel weiter suchen nach einer günstigeren Wohnung für Rollstuhlfahrer, die es nur sehr wenig gibt am Wohnungsmarkt, speziell in Heiligenstadt und Umgebung.
Der dringend benötigen Rollstuhl für Lisa lässt inkl. fehlender Kostenübernahme bis heute auf sich warten.
Und dann soll man stark bleiben und tapfer sein. Es ist schon erstaunlich wie leistungsstark ein gesunder Körper bei seelischer Belastung ist. Aber Lisas Lächeln bei den nur noch seltenen Besuchen in der Reha, entschädigt einfach alles. Während Mama Karina alles dransetzt, die Ungerechtigkeiten und teilweise unverständlichen Argumente von Menschen auf deren Hilfe man angewiesen ist fernzuhalten.
Geprägt von den Gedanken, wie kommuniziere ich mit meinen Freunden. Wer ist eigentlich noch mein Freund, habe ich überhaupt noch Freunde. Während alle ihrem Leben, dem Job oder Studium nachgehen liege ich hier irgendwo im nirgendwo und muss alles wirklich neu lernen. Die Familie ist weit weg, die Gedanken einer 17-Jährigen in diesem Moment möchte wohl niemand geteilt haben. In einem stark geschädigten Körper mit dem Wunsch, ich möchte niemandem zur Last fallen. Dabei wollte Lisa doch nur mal kurz ihre Freundin im Nachbarort besuchen mit ihrem neuen Motorrad und der frisch gewonnen Freiheit.
Auf diesem Weg die Bitte in der Gesellschaft um Anteilnahme an dem Schicksal der jungen Lisa und bitte um eine Spende um das neue Leben bestreiten zu können, während der Kampf um Gerechtigkeit und Unterstützung unermüdlich weiter geht.
Kontakt:
Karina Blase
01701406389