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Der afrikanische Strauß hat nur zwei, der Mensch hat gleich fünf: Die Rede ist von Fingern und Zehen. Doch warum hat sich bei uns gerade diese Fünferzahl durchgesetzt? Ein Primatenforscher klärt auf.
Die Antwort kommt von Dietmar Zinner, Primatenforscher und leitender Wissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen:
Im Erdzeitalter Devon, also vor mehr als 370 Millionen Jahren, krochen einige Arten der sogenannten Muskelflosser aus dem Wasser und eroberten langsam das Land. Zu dieser Gruppen gehören auch die noch heute lebenden Quastenflosser und Lungenfische. Sie hatten bereits Muskeln in Brust- und Bauchflossen und konnten so kurze Strecken an Land robben. Einige dieser Vorfahren hatten bereits zehn Finger und zehn Zehen. Doch gab es auch Vertreter mit zwölf oder sogar mehr Fingern.
Wann genau und warum sich letztendlich die Fünf als Fingerzahl durchsetzte, wissen die Forschenden nicht genau. Vielleicht ließen sie sich einfach besser koordinieren als sechs oder acht - oder es war Zufall, dass gerade die „Fünffingerigen“ überlebten und die anderen Vertreter ausstarben.
Die Evolution strebt nicht unbedingt nach absoluter Perfektion. Neue Merkmale, die zufällig entstehen, bleiben erhalten, solange sie funktionieren und die Tiere sich erfolgreich fortpflanzen können und es keine „besseren“ Möglichkeiten gibt.
Es gibt auch genetische Hinweise, die auf eine entwicklungsbiologische Stabilität der „Fünferzahl“ hindeuten. Das Hand-Fuß-Genital-Syndrom zum Beispiel ist eine seltene Erkrankung, bei der, der Urogenitaltrakt und die Gliedmaßen missgebildet sind. Entscheidend ist, dass die verantwortlichen Gene zu den Genen gehören, die die Anzahl der Finger und Zehen mitbestimmen.
Obwohl dies nichts über die Bedeutung der Ziffernzahl aussagt, ist es ein wichtiger Hinweis auf die Entwicklungsstabilität. Die Mechanismen, die an der Embryonalentwicklung der Gliedmaßen beteiligt sind, sind auch für unseren Fortpflanzungserfolg verantwortlich. Mutationen, also Veränderungen in diesem Bereich, hätten wohl negative Folgen für eine erfolgreiche Fortpflanzung.
Es gab natürlich Anpassungen an verschiedene Lebensräume und Lebensweisen, doch sind diese genetisch gesehen relativ gering. Eine Kombination von Genen bestimmt die Entwicklung der Hände, wobei bestimmte Gene für die Fingerlänge oder die Bildung von Klauen und Hufen verantwortlich sind. Schon winzige Veränderungen können Anpassungen an den Lebensraum bewirken, die grundlegende Struktur der fünf Finger aber bleibt unverändert.
in Beispiel dafür sind Pferde, bei denen die Anlage für fünf Zehen vorhanden ist, aber nur der dritte Zeh als Huf erhalten geblieben ist, um schneller laufen zu können. Hunde haben normalerweise nur vier Zehen an den Hinterpfoten, ein fünfter kann gelegentlich auftreten und wird als Wolfskralle bezeichnet. Bei einigen Affenarten wie Gibbons oder Spinnenaffen bildete sich der Daumen stark zurück, um besser von Ast zu Ast hangeln zu können.
Die frühen Menschen kamen dagegen gut mit ihren fünf Fingern und Zehen an jeder Hand und jedem Fuß zurecht, Anpassungen in der Zahl waren nicht nötig. Für die Entwicklung unserer Kultur, etwa die Herstellung und Nutzung von Werkzeugen, war die genaue Anzahl der Finger nicht entscheidend. Eine viel größere Rolle spielte neben dem wachsenden Gehirn ein den anderen Fingern gegenübergestellter Daumen, mit dem sich besonders präzise zugreifen lässt. Das hätte auch mit weniger oder mehr als vier zusätzlichen Finger funktioniert.