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Ausgabe 4/2024
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Heuschnupfen wird unterschätzt und kann schlimme Folgen haben

Die Nase läuft, die Augen tränen. Wer auf Pollen reagiert, leidet. Wie gefährlich ist Heuschnupfen und was hilft wirklich dagegen?

Quelle: https://www.quarks.de

Was ist Heuschnupfen?

Beim Heuschnupfen reagieren Betroffene auf spezielle Eiweißverbindungen von Pollen im Blütenstaub. Deswegen spricht man in der Medizin auch von einer Pollenallergie oder allergischem Schnupfen (allergische Rhinitis).

Bei Pollenallergiker:nnen kommt es innerhalb von Sekunden zu einer Reaktion, wenn sie in Kontakt mit dem Blütenstaub von Gräsern, Sträuchern oder Kräutern kommen. Auch frühblühende Bäume wie Hasel, Erle und Birke lösen bei ihnen Symptome aus. Weil je nach Blütezeit andere Pollen unterwegs sind, sind die Beschwerden saisonal unterschiedlich.

Wie viele Menschen sind betroffen?

Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass in Deutschland mehr als 20 Prozent der Kinder und über 30 Prozent der Erwachsenen mindestens eine Allergie im Leben bekommen. Weltweit sind, je nach Quelle, zwischen 10 und 30 Prozent davon betroffen. Heuschnupfen ist am meisten verbreitet. In Deutschland leiden darunter rund zwölf Millionen Menschen, auf der ganzen Welt mehr als 400 Millionen. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl auf hohem Niveau stabil.

Die hohe Anzahl der Betroffenen führt zu einem entsprechend hohen wirtschaftlichen Schaden. Heuschnupfen und andere Allergien verursachen pro Jahr in der EU einen wirtschaftlichen Schaden von 100 Milliarden Euro. In Deutschland gehen nach Daten der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF) eine Million Fehltage pro Jahr allein auf das Konto von Heuschnupfen. Jede zehnte Krankschreibung ist auf eine Allergie zurückzuführen. Bei vielen Schulkindern leiden die Leistungen während der Pollensaison.

Was passiert bei Allergien wie Heuschnupfen im Körper?

Eine Allergie ist ein "Fehlalarm" des Immunsystems. Es reagiert dabei auf Stoffe, die eigentlich harmlos sind. Kommt der Körper damit in Kontakt, identifiziert er sie fälschlicherweise als Krankheitserreger. Die Folge: Er produziert Antikörper, um die Eindringlinge abzuwehren. Das sind Verbindungen aus Eiweiß und Zucker.

Wird das Immunsystem dann erneut mit den vermeintlichen Krankheitserregern konfrontiert, setzen die Mastzellen, das sind Zellen, die für die körpereigene Abwehr zuständig sind, Histamine frei. Diese Entzündungsstoffe lösen dann die eigentlichen Beschwerden aus. Aber: Nicht jeder Mensch, der Antikörper gegen Pollen entwickelt, bekommt auch eine Allergie. Warum das so ist, ist wissenschaftlich nicht geklärt.

Was sind die typischen Symptome?

Beim Kontakt mit den Allergenen tränen und jucken die Augen, die Nase läuft. Viele Pollenallergiker:innen müssen niesen, oft auch mehrmals hintereinander. Weil die Schleimhäute anschwellen, bekommen sie schlecht Luft. Manchmal gehören auch Müdigkeit und Juckreiz in den Gehörgängen zu den Symptomen.

Die Entwicklung einer Allergie ist unabhängig vom Alter. Doch meistens bekommen Kinder schon im Vorschulalter die ersten Symptome. In der Kindheit sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen.

Später leiden mehr Frauen darunter. Das liegt am Östrogenspiegel, der im weiblichen Körper mit Beginn der Pubertät ansteigt. Das Sexualhormon sensibilisiert unter anderem die Mastzellen, die dann empfindlicher auf Allergene reagieren. Deshalb kommen Allergien auch häufig in der Schwangerschaft oder in der Menopause oder verschwinden dann. Auffällig ist, dass ältere Menschen seit einiger Zeit überdurchschnittlich häufig eine Allergie bekommen. Eine wissenschaftliche Erklärung gibt es dafür bisher nicht.

Was hat Heuschnupfen mit allergischem Asthma zu tun?

Wenn eine Allergie nicht behandelt wird, kann sich daraus allergisches Asthma entwickeln. Das passiert in 40 Prozent der Fälle. Weil die Pollenallergie dann von Augen und Nase in die unteren Atemwege wandert, sprechen Mediziner:innen auch vom "Etagenwechsel". Dabei wird das gesamte Bronchialsystem gereizt, also die Lunge und die anderen Atemwege und es kommt zu Entzündungsreaktionen. Die Folgen sind Husten, Kurzatmigkeit und Luftnot. Wer allergische Symptome bemerkt, sollte deshalb auf jeden Fall zum Arzt oder zur Ärztin gehen.

Wie unterscheidet man Heuschnupfen von einer Erkältung?

Obwohl die Symptome ähnlich sind, gibt es zuverlässige Hinweise für eine Pollenallergie. Beim Heuschnupfen ist zum Beispiel das Sekret klar und wässrig. Auch Juckreiz und Niesanfälle sind Anzeichen für eine Allergie.

Bei einer Allergie treten die Beschwerden in dem Moment auf, in dem man mit dem Allergen in Kontakt kommt. Entwickeln sich die Symptome immer zur gleichen Jahreszeit und bleiben über mehrere Wochen, steckt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Heuschnupfen dahinter.

Welche Rolle spielen Kreuzallergien bei Heuschnupfen?

Bei einer Kreuzallergie reagiert man nicht nur auf Pollen, sondern auch auf bestimmte Nahrungsmittel. Dies geschieht aufgrund ähnlicher Eiweißstrukturen. Personen, die auf Gräser- oder Getreidepollen allergisch sind, vertragen häufig auch keine Tomaten oder Sellerie. Bei einer Birkenpollenallergie treten oft Probleme mit Birnen, Avocados oder Äpfeln auf. Solche Kreuzallergien kommen bei rund der Hälfte der Pollenallergiker:innen vor, bei Erwachsenen häufiger als bei Kindern.

Bei Äpfeln gibt es allerdings Unterschiede. Alte Apfelsorten werden besser vertragen, als neue Züchtungen.

Welche Risikofaktoren gibt es?

Grundsätzlich kann jeder Mensch allergischen Schnupfen entwickeln. Weil die Anlage dazu aber vererbt wird, steigt das Risiko, wenn beide Elternteile ein oder mehrere Allergien haben. Dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind krank wird, zwischen 50 und 70 Prozent. Forschende am Max Delbrück Center haben in einer großen Studie herausgefunden, dass das Risiko für Heuschnupfen, Asthma und ein allergisches Ekzem meistens zusammen vererbt wird.

Mikrobiom kann schützen

Eine weitere Rolle spielt das Mikrobiom - also die individuelle Zusammensetzung der Bakterien auf der Darmschleimhaut. Studien zeigen, dass es dabei vor allem um die Vielfalt geht. Je bunter die Mischung, desto geringer das Risiko, eine Allergie zu entwickeln. Weniger entscheidend ist dagegen, welche Bakterien dort unterwegs sind.

In der Wissenschaft wird außerdem diskutiert, welche Effekte die Psyche hat. In einer Untersuchung konnten Forschenden sehen, dass Menschen mit einer generalisierten Angststörung häufiger Heuschnupfen hatten als andere. Das könnte daran liegen, dass es eine enge Verbindung zwischen dem Immun- und dem Nervensystem gibt. Die genauen Mechanismen sind aber noch nicht erforscht.

Belegt ist auch, dass Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, häufiger Allergien bekommen als andere.

Widersprüchliche Ergebnisse zum Stillen

Während einige Untersuchungen zeigen, dass gestillte Kinder besser vor Allergien geschützt sind, als andere, schreibt die Gesellschaft für Pädriatrische Allergologie und Umweltmedizin in ihren Leitlinien zur Allergieprävention: "Aus den wissenschaftlichen Daten lässt sich nicht ableiten, dass Stillen zu einem geringeren Risiko für Allergien beim Kind führt."

Unstrittig ist dagegen, dass es besser ist, sich mit Allergenen - also den Stoffen, die Allergien auslösen können - zu konfrontieren, anstatt ihnen aus dem Weg zu gehen. Kinder, die auf dem Bauernhof groß werden, entwickeln deshalb seltener Allergien als andere.

Immunsystem langweilt sich

Weil die hygienischen Bedingungen in den Industrieländern besser geworden sind, sind weniger Parasiten und andere Krankheitserreger unterwegs. Forschende gehen davon aus, dass sich das Immunsystem deshalb auf harmlosere Stoffe stürzt.

Luftverschmutzung begünstigt Allergien

Es ist belegt, dass Zigarettenrauch bei Kindern das Risiko für Allergien erhöht. Stickoxide und Feinstaub greifen außerdem die Schleimhäute an und machen sie durchlässiger für mögliche Allergene. Und sie verändern die Struktur der Pollen und erhöhen so ihre allergene Wirkung. In Gebieten mit hoher Luftverschmutzung entwickeln Menschen deshalb überdurchschnittlich häufig Heuschnupfen.

Wie wirkt sich der Klimawandel aus?

Weil es wärmer wird, verlängert sich die Pollensaison. Unter Umständen sind dann schon im Januar Pollen von Frühblühern wie Hasel und Erle unterwegs. Und erst im Herbst fliegen die letzten Gräser- und Brennnesselpollen durch die Luft. Die Pollen fliegen zudem schneller und weiter. Deshalb verändern sich die Verbreitungsgebiete. Das begünstigt auch die Ausbreitung von fremden Arten, die ein hohes Allergiepotential haben, wie zum Beispiel Ambrosia artemisifolia.

Wie wird Heuschnupfen diagnostiziert?

Dafür gibt es verschiedene Untersuchungs- und Testverfahren, die oft erst in der Kombination eine zuverlässige Diagnose ergeben. Besteht der Verdacht auf Heuschnupfen, wird in der Regel als erstes ein Pricktest gemacht. Dabei werden die verdächtigen Allergene auf den Unterarm aufgetragen und die Haut wird mit einem kleinen Pieks angeritzt, damit sie eindringen können.

Ist der Pricktest nicht eindeutig, folgen weitere Untersuchungen, wie der Provokationstest. Dabei wird das Allergen direkt auf die Schleimhaut aufgebracht. Gibt es weiter Unstimmigkeiten, kann man die Antikörper im Blut bestimmen.

Was hilft gegen Heuschnupfen?

Es gibt keine Heilung für Heuschnupfen, aber mit der richtigen Behandlung können die Symptome gelindert werden, um die Lebensqualität zu verbessern. In den Leitlinien, also den wissenschaftlich geprüften Behandlungsempfehlungen, werden als erste Wahl Kortisonpräparate und Antihistaminika aufgeführt. Kortison wirkt gegen Entzündungen und lässt die Schleimhäute abschwellen.

Ausschüttung von Histamin verhindern

Antihistaminika lindern die Symptome, indem sie die Effekte des Histamins unterdrücken, das bei allergischen Reaktionen freigesetzt wird. Sie helfen zwar relativ schnell, können aber müde machen und Kopfschmerzen auslösen. Andere Medikamente verhindern, dass Histamin ausgeschüttet wird, beziehungsweise blockieren bestimmte Botenstoffe.

Relativ neu ist der Ansatz, Heuschnupfen mit Probiotika, also Darmbakterien zu behandeln. Dass sie Symptome lindern könnten, hat eine relativ kleine Studie der Charité in Berlin gezeigt. Die Probandi:innen haben dazu vier Monate lang ein probiotisches Nahrungsergänzungsmittel eingenommen und hatten danach weniger Beschwerden. Um sie aber als Standardtherapie zu empfehlen, muss weiter geforscht werden, die wissenschaftlichen Belege sind dafür bislang noch nicht ausreichend.

Was passiert bei einer Hyposensibilisierung?

Die Hyposensibilisierung bekämpft die Allergie als solche. Dabei wird das Immunsystem mit den Allergenen konfrontiert, damit es sich an sie gewöhnt. Dazu werden sie in immer höheren Dosen gespritzt oder als Tropfen oder Tabletten gegeben. Eine Hyposensibilisierung dauert mindestens drei Jahre. Nebenwirkungen können die typischen Reaktionen sein, die auch auftreten, wenn das Immunsystem mit echten Allergenen in Kontakt kommt.

Hyposensibilisierung hilft

Eine Hyposensibilisierung ist bei bis zu 90% der Patient:innen erfolgreich und hält bis zu zehn Jahre. Es gibt Hinweise, dass sie etwas besser wirkt, wenn die Allergene gespritzt werden.

In seltenen Fällen kann es zu einem so genannten anaphylaktischen Schock mit Atemnot kommen.

Wie kann man sich vor Pollen schützen?

Wenn die Pollenbelastung hoch ist, können ein paar einfache Verhaltensregeln helfen, die Beschwerden zu lindern. Es kann helfen, vor dem Schlafengehen die Haare zu waschen und tagsüber eine Nasendusche zu machen. Außerdem ist es ratsam, nur zu bestimmten Zeiten zu lüften. In der Stadt sind morgens die wenigsten Pollen unterwegs, auf dem Land am frühen Abend.

Bei Starkregen und Gewitter sollten Pollenallergiker:innen besser drinnen bleiben. Unter bestimmten Bedingungen können dabei die Pollen in kleinere Bestandteile zerplatzen und tief in die Lunge gelangen. Obwohl die genauen Zusammenhänge noch nicht vollständig erforscht sind, scheinen Personen mit unbehandeltem Heuschnupfen besonders gefährdet zu sein.

Während und kurz nach einem Regenschauer sinkt die Pollenbelastung in der Luft. Deshalb ist das eine gute Zeit, um nach draußen zu gehen.

Pollenvorhersagen können helfen

Um herauszufinden, welche Allergene gerade in der Luft sind und sich darauf vorzubereiten, können Allergiker:innen auf Pollenflugvorhersagen zurückgreifen. Die sind oft auch als Apps verfügbar. Die Europäische Stiftung für Allergieforschung rät dazu, auf nichtkommerzielle Angebote zurückzugreifen. Denn die haben in der Regel ein enges Netz von Messstationen und ordnen die Daten wissenschaftlich ein.

Dabei wird in Zukunft auch immer häufiger die KI zum Einsatz kommen. Fachleute versprechen sich davon deutlich genauere und zuverlässigere Prognosen.