Quelle: https://www.esquire.de
In einer Welt, die ständig nach Höchstleistungen verlangt, kann Perfektionismus schnell zur Falle werden.
Der um sich greifende Perfektionismusdrang in unserer Gesellschaft fühlt sich an wie eine Krankheit, ein unkaputtbarer Virus, den man nie so ganz los wird. Doch das ist wichtig - für unsere eigene Gesundheit. Wir verraten Ihnen daher, wie man sich erfolgreich gegen den Höchstleistungsdrang zur Wehr setzt.
Alle wollen immer nur höher, schneller, weiter. Aber manchmal ist es dort, wo man sich gerade befindet, doch vollkommen ausreichend.
Nach Perfektionismus zu streben ist grundsätzlich ja durchaus eine lobenswerte Eigenschaft. Schließlich beweist das, dass man willens ist, sein Bestes zu geben. Nur: Perfektionismus im Sinne von „alles muss perfekt sein“ ist nun mal ein unerreichbarer Zustand, dessen muss man sich bewusst sein. Doch vielen Menschen ist das entweder nicht klar oder sie versuchen, das Unmögliche möglich zu machen - und dann wird das Streben nach Perfektionismus zur psychischen Belastung.
Das Schlimme ist jedoch: Wir sind permanent von vermeintlich Perfektem umgeben: Im Fernsehen, Kino, Social Media - überall sind sie, die perfekten Menschen mit ihren perfekten Leben in ihrer perfekten Welt. Als Menschen vergleichen wir uns logischerweise damit, und mal abgesehen davon, dass es sich dabei um Trugbilder handelt, ist Fehlerlosigkeit in sämtlichen Lebensbereichen schlichtweg unmöglich (und liegt zudem im Auge des Betrachters und der Betrachterin). Das Streben danach schlägt dann schnell ins Gegenteil um, indem einen der Druck dermaßen aus der Bahn wird, dass das unperfekt erscheinende Leben nur noch unperfekter wird. Schlimmstenfalls führt das zu Angststörungen, chronischem Stress, Burnout und Depressionen.
Man unterscheidet in der Wissenschaft zwischen zwei verschiedenen Arten von Perfektionismus: einem gesunden, adaptiven Perfektionismus und einem ungesunden, maladaptiven Perfektionismus. Die gesunde Form ist motivierend und treibt einen zu Bestleistungen, die ungesunde Form frustriert einen und führt zu permanenter Unzufriedenheit.
Was aber sicherlich nicht verwundert, ist: Der ungesunde Perfektionismus hat in den vergangenen Jahren zugenommen, ganz besonders bei jüngeren Generationen. Vieles hängt mit dem Druck zusammen, der durch den permanenten Konsum von Social Media entsteht. Generell sind die Vorstellungen von Erfolg in den vergangenen Jahren noch mehr verzerrt worden, der Leistungsdruck ist gestiegen, und auch die Gesellschaft wirkt weniger nachsichtig mit vermeintlichen Fehlern. Parallel dazu hat das Phänomen zugenommen, sich ständig mit anderen zu vergleichen - und zwar in sämtlichen Bereichen. Stellt sich also die Frage: Was kann man dagegen tun?
Ratsam ist es in jedem Fall, mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln - auch wenn das sehr theoretisch klingt. Gemeint ist damit, dass man sich selbst gegenüber freundlicher ist, sich mit mehr Verständnis und Geduld begegnet - besonders und vor allem dann, wenn einem Fehler unterlaufen. Anstatt sich selbst direkt als Trottel anzusehen und sich innerlich zu beschimpfen, wäre Verständnis hier der richtige Ansatz. Studien haben belegt, dass das nicht nur Stress verringert, sondern auch die Motivation steigert.
Studien zeigen, dass übertriebener Perfektionismus mit einer Reihe von psychischen Problemen in Verbindung gebracht wird, darunter chronischer Stress, Depressionen, Angststörungen und Burnout.
Damit einem das gelingt, sollte man vor allem 4 Strategien beherzigen und umsetzen:
1. Realistische Ziele setzen
Die selbstgesteckten Ziele von Perfektionist*innen sind häufig viel zu hoch und unrealistisch. Logisch, dass das damit einhergehende vorprogrammierte Nicht-erreichen zu Frustration führt. Anstatt sich also Ziele zu setzen, die kaum zu erreichen sind, sollte man sich kleinere Ziele setzen, deren Erreichen realistisch ist - und sich bei deren Erreichen dann den Erfolg bewusst machen. Dadurch vermeidet man einerseits, die eigenen Ansprüche zu hoch zu schrauben, und andererseits, die Eigenmotivation hoch zu halten.
2. Fehler als Chancen begreifen
Jedem kleinen Kind wird bereits in der Kita beigebracht: Fehler zu machen ist nicht schlimm, denn dadurch lernt man. Als Erwachsene vergessen wir das manchmal. Dabei wäre es wichtig, sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen, denn es ist ja wirklich so: Nur durch Fehler wachsen wir, verbessern wir uns, entwickeln wir uns weiter. Und wenn man das erstmal verinnerlicht hat, setzt man sich wegen gemachter Fehler auch nicht mehr ganz so sehr unter Druck.
3. Ansprüche runterschrauben
Es mag sicherlich Dinge geben, die perfekt ausgeführt werden müssen, aber in den meisten Fällen ist das überhaupt nicht nötig. Bei vielen Dingen reicht es vollkommen, wenn sie mit 80% Hingabe und Sorgfalt erledigt werden anstatt mit 100%. Das spart nicht nur Zeit und Energie, sondern sorgt auch dafür, dass man schneller mit sich zufrieden ist - weil man das realistische Ziel eben erreicht.
4. Verständnis für sich selbst aufbringen
Von vielen Perfektionist*innen wird gar nicht verlangt, dass sie alles perfekt machen. Den Stress machen sie sich selbst. Da hilft nur: Lockerer und verständnisvoller mit sich selbst zu werden und nicht zu hart mit sich ins Gericht zu gehen. Die Freundlichkeit und Zugewandtheit, die man anderen entgegen bringen sollte, sollte man auch sich selbst gegenüber an den Tag legen.
Stellt sich bloß die Frage: Wie bekommt man das hin? Denn die wenigsten Menschen haben sich ihren Perfektionismus selbst ausgesucht, sondern sind dessen Opfer. Aber es gibt ein paar Übungen und Techniken, die helfen können, seinen Perfektionismus schrittweise abzubauen und geduldiger und großmütiger mit sich selbst zu sein.
1. Fehler machen üben
Es mag banal klingen, aber: Machen Sie im Alltag absichtlich mal kleine Fehler. Sie werden feststellen: Es passiert nichts Schlimmes dadurch. Wenn Sie das erst einmal verinnerlicht haben, sollte das dazu führen, dass Ihre Angst davor deutlich sinkt. Und versuchen Sie im Alltag auch ruhig einmal, ihren abgelegten Perfektionismus an den Tag zu legen, indem Sie beispielsweise mal Freunde einladen, ohne dass Ihre Wohnung vorher grundgereinigt wurde. Sie werden sehen: Sie überleben das. Und Ihre Freunde auch!
2. Schreiben Sie Ihre Perfektionismusgedanken auf
Führen Sie eine Art Tagebuch, in dem Sie notieren, wenn Ihnen Ihr Perfektionismus wieder im Nacken gesessen hat. Schreiben Sie alles auf, denn auf diese Weise setzen Sie sich bewusst damit auseinander und können Alternativen dazu entwickeln.
3. Hören Sie auf, sich zu vergleichen
Sich mit anderen zu vergleichen ist Quatsch - eigentlich immer. Denn das führt zu einem unerfüllbaren Druck, mithalten zu können, und zwar zumeist mit Leben, die keine echten sind wie auf Social Media. Was dabei hilft: Gelegentlich Digital Detox und ganz bewusster Konsum von Medien.
4. Belohnen Sie sich selbst
Wann immer sie feststellen, dass Sie einen Schritt nach vorne gemacht haben, weg vom Perfektionismus, machen Sie sich das bewusst. Klopfen sie sich selbst mental auf die Schulter und belohnen sie sich ruhig mal dafür: Mit einem leckeren Essen, einer schönen Unternehmung oder einer kleinen Anschaffung. Gönnen Sie sich ruhig mal was! Sie haben es sich verdient.
5. Üben Sie sich im Achtsamkeit
Dieser letzte Punkt ist möglicherweise nicht für jede*n etwas, aber wenn Sie der Typ dafür sind, versuchen Sie ruhig, regelmäßig zu meditieren, Atemübungen und/oder Yoga zu machen. Und wenn Sie das tun, bleiben Sie im Moment, bleiben Sie bei sich, und versuchen Sie, nicht alles, was Sie tun, einer Wertung zu unterziehen. Sie werden sehen, Sie werden sich bald besser fühlen.
Und ganz zum Schluss noch der Hinweis: Verstehen Sie uns bitte nicht falsch. Dies soll keine Anleitung sein, sich stets nur mit dem Mittelmaß zu begnügen. Es kann nach wie vor durchaus sinnvoll sein, in manchen Feldern und Aspekten Perfektion anzupeilen, nur: Das darf Sie nicht krank machen und zum Zwang werden. Solange Sie sich Ihre Lebensfreude und Gesundheit erhalten, ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie in bestimmten Bereichen Höchstleistungen erzielen wollen. Aber achten Sie dabei auf sich. Und vergessen Sie nicht, dass es Zeit und Geduld braucht, sich aus den Fängen des Perfektionismus zu befreien - diese Zeit müssen Sie sich selbst geben.