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Solmser Stadtnachrichten
Ausgabe 5/2025
Aus dem Rathaus
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Wider die Legendenbildung: „Wir kennen unsere Zahlen“ Presseerklärung

Gemeinsame Presseerklärung BgmKV Lahn-Dill und LDK 16.1.2025

Derzeit bewegen etliche Themen die „kommunale Familie“ und die Bürgerinnen und Bürger im Lahn-Dill-Kreis: a) Umsetzung der Grundsteuerreform, b) Leistungsfähigkeit der Kommunen und c) Anwendung der „bereinigten“ Einwohnerzahlen ab dem kommunalen Finanzausgleich 2026.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Lahn-Dill-Kreis und der Lahn-Dill-Kreis haben sich seit Monaten gemeinsam und partnerschaftlich mit diesen Themen auseinandergesetzt und gehen jetzt, auch weil diverse Presseveröffentlichungen Misstrauen und Zweifel säen, mit einer gemeinsamen Er-klärung in die Öffentlichkeit. Es geht um nicht mehr, aber auch um nicht weniger, als die Handlungs-fähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung zu sichern.

Zu den einzelnen Themen:
a) Umsetzung der Grundsteuerreform:

Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil vom 10. April 2018 die Vorschriften zur Einheits-bewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Insofern waren der Bund und die Bundesländer zu einer Grundsteuerreform gezwungen. Diese wurde in den letzten Jahren vorbereitet und steht nun für das Jahr 2025 vor der Umsetzung. Die Umsetzung erfolgt letztlich dadurch, dass die Städte und Gemeinden ihre Realsteuerhebesätze überprüfen und zum 1. Januar 2025 neu festsetzen müssen. Soweit so gut.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die Stadt- und Gemeindeverwaltungen haben sich in einem arbeitsintensiven Prozess dieser Aufgabe gestellt. Ernüchternd war aber Anfang Juli 2024 festzustellen, dass das Hessische Finanzministerium Empfehlungen für die Hebesätze der einzelnen Kommunen in einer Presseerklärung veröffentlichte, ohne diese vorher mit den Kommunalen Spitzenverbänden oder gar den Kommunen abzustimmen.

Alle Städte und Gemeinden haben zwischenzeitlich, auch entsprechend der Empfehlungen des Landes Hessen im Finanzplanungserlass vom 11. November 2024, eine Hebesatzsatzung erarbeitet und von der Gemeindevertretung bzw. der Stadtverordnetenversammlung beschließen lassen.

Mehr als ärgerlich hat sich dabei erwiesen, dass die Basis der unabgestimmten Empfehlungen des Landes zu den für 2025 „aufkommensneutralen Hebesätzen“ als nicht ausreichend belastbar erwiesen haben, und die Berechnungen der Kommunen selbst nunmehr zu ganz anderen Werten geführt haben.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Städte und Gemeinden begrüßen, dass das Land darauf aufmerksam macht, dass eine gesunde kommunale Selbstverwaltung eine ausreichende Finanzausstattung der Städte und Gemeinden voraussetzt und auch betont, dass „die Kommunen […] nach der Hessischen Gemeindeordnung zum jährlichen Haushaltsausgleich (Aufwendungen = Erträge) verpflichtet“ sind. Sie bedauern aber gerade deswegen auch, dass das Land ohne Abstim-mung mit den Kommunen Hebesatzempfehlungen Anfang Juni veröffentlicht hat: „Es ist schön, wenn der Finanzminister in einem Interview erklärt, dass es ‚unsere Absicht ist, Transparenz und Nachvollziehbarkeit herzustellen. Ob eine Kommune Steuern erhöhen muss, entscheidet jede Kommune selbst. Das ist und bleibt ihr gutes Recht‘, aber im Vorfeld der Veröffentlichung der Empfehlungen (die nicht bindend sind), leider die notwendige Kommunikation und Abstimmung hat vermissen lassen.“

Wie titelte „Die Welt“ in einem bemerkenswerten Kommentar am 6. Januar 2025 zu dem Thema:

„Das Grundsteuer-Versprechen droht an der Realität in den Kommunen zu scheitern“. Wie wahr!

Da die Städte und Gemeinde auch 2025 handlungsfähig sein und bleiben müssen und die diversen wirtschaftlichen Krisen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen nachdrücklich gefährden, wäre ein abgestimmtes Verhandeln sinnvoll gewesen. „Nicht abgestimmte Presseerklärungen tragen weniger zur Transparenz bei, sondern verunsichern die Bürgerinnen und Bürger, statt für die notwendige

Information und Klärung zu sorgen“, kritisieren die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister das gewählte Vorgehen.

Nun wurden aufgrund der Festlegungen der einzelnen Kommunen die Abgabebescheide versendet und führen bei allen Städten und Gemeinden zu einer Vielzahl von Nachfragen von verunsicherten

und zum Teil auch wütenden Bürgerinnen und Bürgern.

Als weiteres Problem erweist es sich dabei, dass entsprechend der Vorgaben zur Umsetzung der Grundsteuerreform die Eigentümer zum Stichtag 1.1.2022 die Steuererklärungen gegenüber den Finanzämtern abgegeben mussten - entgegen der Ankündigung des Landes 2024 die neuen Messbescheide für die jetzigen Eigentümer seitens der Finanzämter aber vielfach noch nicht erfolgt sind. „Wir wehren uns gegen den bei den Bürgerinnen und Bürger entstehenden Eindruck, als würden wir unsere Zahlen nicht kennen und die Umsetzung der Grundsteuerreform still und heimlich nutzen, um unsere Erträge zu erhöhen. Wir kennen unsere Zahlen - und wünschen uns sehr, dass wir Gleiches auch vom Land sagen könnten. Wir sind entsprechend der gesetzlichen Vorgaben der Hessischen Gemeindeordnung nur dann dauerhaft handlungsfähig, wenn unsere Haushalte ausgeglichen sind.

Und exakt dies versuchen wir - auch eine unzureichende Finanzausstattung durch den Bund und das Land Hessen kompensierend - weiter sicherzustellen.“

Dies leitet zur zweiten Thematik über:

b) die Leistungsfähigkeit der Kommunen:

Bei der Frage der Erhaltung der Leistungsfähigkeit machen der Lahn-Dill-Kreis und Städte und Gemeinden in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass zunehmend in Vergessenheit geraten ist, dass das demokratische Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland bewusst „von unten nach oben“ konzipiert wurde und es insofern vornehmste Aufgabe von Bund und Land ist, die Kommunen als Basis des Staatswesens handlungsfähig zu halten. Dies ist das Wesen der kommunalen Selbstverwaltung, die Artikel 28 des Grundgesetzes sehr bewusst formuliert.

Artikel 137 der Hessischen Verfassung führt dazu u.a. aus: „Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet unter eigener Verantwortung die ausschließlichen Träger der gesamten örtlichen öffentlichen Verwaltung. (…) Den Gemeinden und Gemeindeverbänden oder ihren Vorständen können durch Gesetz oder Verordnung staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Anweisung übertragen werden. (…) Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. (…) Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Landesgesetz oder Landesrechtsverordnung zur Erfüllung staatlicher Aufgaben verpflichtet, so sind Regelungen über die Kostenfolgen zu treffen. Führt die Übertragung neuer oder die Veränderung bestehender eigener oder übertragener Aufgaben zu einer Mehrbelastung oder Entlastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände in ihrer Gesamtheit, ist ein entsprechender Ausgleich zu schaffen.“

Dazu führen die Städte und Gemeinden und der Lahn-Dill-Kreis übereinstimmend aus: „In den letzten Jahren wurden wir im Zuge vieler Krisenszenarien mit immer neuen Aufgaben betraut, ohne dass uns allerdings die zu Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt wurden.“

Bei einem einfachen Vergleich der Plandaten der Jahre 2023 bis 2025 kann diese Kritik von den Städten und Gemeinden belegt werden:

„Eben weil wir unsere Zahlen und auch unsere Aufgaben kennen, stimmt uns diese Entwicklung mehr als nachdenklich. Sie ist für uns ein Indiz dafür, dass die kommunale Selbstverwaltung, wie sie das

Grundgesetz und die Hessische Verfassung vorsehen, nur dann wirklich gelebt werden kann, wenn Bund und Land die Kommunen auch angemessen und entsprechend der Aufgaben finanziell ausstatten. Derzeit können alle Städte und Gemeinden ihre Haushalte 2025 voraussichtlich noch durch Rück-lagen aus den Vorjahren ausgleichen. Für etliche Kommunen werden die Rücklagen aber Ende

2025 bzw. spätestens Ende 2026 aufgebraucht sein, wenn sich am kommunalen Finanzausgleich nichts ändert.“

In dieses traurige Bild passen auch die besorgniserregenden Zahlen, mit denen der Lahn-Dill-Kreis derzeit im Nachtrag 2024 arbeiten muss:

  • die noch im März 2024 geplanten Erträge sanken um 4.456.382 € von 504.039.489 € auf 499.583.107 €,
  • im gleichen Zeitraum erhöhten sich die geplanten Aufwendungen um 19.383.479 € von 530.146.130€ auf 539.379.368 € 549.529.608 €.
  • Insofern stieg der planerische Fehlbedarf von bisher 26.106.640 € € um 23.839.861 € auf 49.946.501 € an.

„Diese Zahlen sind durchaus besorgniserregend und Beleg für eine unzureichende Finanzausstattung auch des Kreises, aber auch der Städte und Gemeinden,“ kommentiert Landrat Carsten Braun.

Gemeinsam stellen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrat Carsten Braun fest: „Wir kennen unsere Zahlen! Und wir sehen eine besorgniserregende Entwicklung bezüglich der wir der

festen Überzeugung sind, dass Bund und Land nunmehr 2025 handeln müssen! Es kann nicht so weiter gehen, dass wir mit Aufgaben belastet werden ohne dass man uns die notwendigen Finanzmittel bereitstellt!“

c) Anwendung der „bereinigten“ Einwohnerzahlen ab dem kommunalen Finanzausgleich 2026 Die Leistungen aus dem kommunalen inanzausgleich werden u.a. auf Basis der Einwohnerzahlen errechnet und bereitgestellt. Nunmehr hat das Land aber angekündigt, dass ab dem Finanzausgleich 2026 die „bereinigten Einwohnerzahlen“ nach dem Zensus 2022 zu Grunde gelegt werden sollen. Dies kann eigentlich kein Problem sein, wenn nicht das Land Hessen aufgrund einer nicht nachvoll ziehbaren Auswertung und entgegen der bei den Einwohnermeldeämtern der Städte und Gemeinden vorhandenen Einwohnerzahlen, nunmehr zu ganz anderen und in der Regel niedrigen Zahlen gelangt:

Ähnlich wie in anderen Kommunen, die zum Teil bereits gegen die Einwohnerzahlen nach dem Zensus 2022 Rechtsmittel eingelegt haben, können die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrat Carsten Braun die auf einmal viel zu geringen Zahlen nicht verstehen: „Wir kennen unsere Zahlen - und wir wissen besser als Statistiker, wie viele Bürgerinnen und Bürger wir haben. Eine Abweichung von 4.181 Einwohnern in der Summe für den Kreis, also die Größe einer kleinen Gemeinde ist für uns nicht nachvollziehbar. Bedauerlich wäre es, wenn diese aus unserer Sicht fehlerhaften Zahlen nach Zensus 2022 zur Grundlage des Finanzausgleichs 2026 werden würden!“

In Würdigung dieser drei Themen fordert die kommunale Familie im Lahn-Dill-Kreis den Bund und das Land Hessen auf, den bisherigen Umgang mit der Finanzausstattung der Städte, Gemeinden und Landkreise dringend und grundsätzlich zu überdenken! „So kann es nicht weitergehen. Wir kennen unsere Zahlen und bedauern, dass dies anderweitig nicht der Fall zu sein scheint!“

Die Städte und Gemeinden sind ohne Abstriche bereit sich auch den diversen Herausforderungen zu stellen, betonen aber klar und deutlich, dass Herausforderungen und krisenhafte Situation sinn-vollerweise im Miteinander gelöst werden sollten.

Bereits 2018 hat der damals amtierende Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble bei seiner Rede auf der Kommunalkonferenz anlässlich des Hessentags gesagt: „Für Kommunen heißt das: Die Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung [zu] sichern. Ohne rechtliche und finanzielle Gestaltungsspielräume droht sie, ausgehöhlt zu werden. Die Realität ist doch: zu viele Vorgaben, zu wenig Spielräume für eigene Ideen. Und erst die Finanzen! ‚Die kommunale Selbstverwaltung ist eine Farce und besteht nur noch auf dem Papier‘. So drastisch fasste es kürzlich der langjährige, frühere Kämmerer der Stadt Leverkusen, Rainer Häusler, zusammen. Man muss es nicht so schwarzsehen - und hoffentlich sehen das auch die meisten von Ihnen nicht so. Aber ernst nehmen sollten wir die Warnung!“ (aus: Rede Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble bei der Kommunalkonferenz Hessentag 2018 Quelle: https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/009d-571382)

„Darum noch einmal: Wir kennen unsere Zahlen! Und wir ziehen in unserem Bemühen um den Erhalt und die Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung am gleichen Strang - und jetzt sogar gemeinsam in eine Richtung!“, erklären die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie der Landrat gemeinsam.