Titel Logo
Amtsblatt Staufenberg
Ausgabe 19/2025
Seite 2 - AB
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe
-

KOLUMNE DES BÜRGERMEISTERS

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

in dieser Woche jährt sich zum 80. Mal das Ende der zwölfjährigen Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten. Als am 8. MAI 1945 nach fast sechs Jahren die Waffen endlich schwiegen, waren mehr als 60 Millionen Menschen tot. Gefallen an der Front, ermordet in Konzentrationslagern, verbrannt in Bombennächten, gestorben an Hunger, Kälte und Gewalt auf der Flucht.

Mit dem Holocaust hatte das NS-Regime einen bis dahin unvorstellbaren Zivilisationsbruch begangen: Während des Kriegs errichteten die Nazis hinter den Frontlinien jene Vernichtungslager, in denen etwa sechs Millionen Juden, unzählige Sinti und Roma aber auch ganz viele behinderte Menschen ermordet wurden.

Als Folge des Zweiten Weltkriegs mussten etwa 20 Millionen Menschen aus ihrer Heimat fliehen oder wurden vertrieben oder deportiert. Überall lagen die Städte in Trümmern, überall irrten Menschen umher auf der Suche nach Angehörigen oder nach einer Bleibe. Zigtausende Kinder waren zu Waisen geworden, zahllose Menschen, Soldaten wie Zivilisten, Heranwachsende wie Erwachsene durch schwere Verletzungen oder traumatische Erlebnisse für ihr Leben gezeichnet.

Auch in unseren damals noch selbstständigen Gemeinden Staufenberg, Daubringen, Mainzlar und Treis verloren viele Menschen ihr Leben oder wurden vermisst. Alleine auf den Tafeln der Gedenkstätten in Staufenberg, Daubringen und Mainzlar stehen bis heute 298 Namen. Das von Dieter Vöglin in der Treiser Leichenhalle hinterlegte Buch der dortigen Kriegsopfer führt weitere 160 Namen. Nicht vergessen dürfen wir zudem die 38 Opfer des NS-Regimes, denen wir mit der Verlegung von Stolpersteinen gedacht haben. Fast 500 Menschen also, die alleine in unseren Orten diesem Wahnsinn zum Opfer fielen.

Deutschland war 1945 an einem Nullpunkt und sollte in den kommenden Jahren, wie ganz Europa, eine Teilung durch einen kaum überwindlichen Eisernen Vorhang erleben. Aber Deutschland war Anfang Mai 1945 auch von den Nazis befreit und hatte die Chance zu einem Neuanfang. Und diese Chance hat es genutzt.

Lediglich fünf Jahre und einen Tag später, also am 09. MAI 1950, schlug der französische Außenminister Robert Schuman in einer Rede die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor. Gründungsmitglieder der EGKS waren: Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg.

Um weiteren Kriegen vorzubeugen, einigten sich die Regierungen dieser europäischen Länder darauf, ihre Kohle- und Stahlproduktion zusammenzulegen. Auf diese Weise wollten sie einen weiteren Krieg zwischen den Erzrivalen Frankreich und Deutschland nach dem Wortlaut der Schuman-Erklärung „nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich“ machen.

Sie gingen zu Recht davon aus, dass ein Zusammenschluss ihrer wirtschaftlichen Interessen eine Erhöhung des Lebensstandards zur Folge haben würde. Der erste Schritt zu einem geeinten Europa war getan.

Deutschland entwickelte in den Nachkriegsjahrzehnten friedliche Beziehungen zu den einstigen Kriegsgegnern und wurde wieder zu einem geachteten Partner in der Staatengemeinschaft. Wir konnten eine stabile Demokratie aufbauen, in der die Menschenrechte geachtet werden. Und wir konnten dank der friedlichen Revolution der Bürgerinnen und Bürger der damaligen DDR die beiden deutschen Staaten wiedervereinen. Am 3. Oktober werden wir dies in diesem Jahr nun schon zum 35. Mal feiern.

Aber nicht nur Deutschland auch ganz Europa hat nach 1945 einen Weg der Verständigung und der Annäherung eingeschlagen, zunächst im Westen und mit dem Fall des Eisernen Vorhangs später auch im Osten. Auch wenn es ab und an - meist des lieben Geldes wegen - Meinungsstreite unter den Partnern gibt, gilt die heute auf 27 Mitgliedstaaten angewachsene EUROPÄISCHE UNION anderen Regionen in der Welt nach wie vor als Muster.

Die europäische Integration ist ein Erfolgsmodell: Sie ist Grundlage für ein Leben in Frieden, Sicherheit, Wohlstand und Fortschritt. Dies alles sind Werte, die wir heute wie selbstverständlich hinnehmen. Aber wir wissen auch, dass Frieden und Freiheit, dass Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte immer gefährdet sind. Ein Blick auf die Kriege in der Ukraine und in Gaza zeigt dies mehr als deutlich.

Dennoch haben viele Menschen ihre Begeisterung für die europäische Idee verloren, weil die aktuellen Probleme die selbstverständlich gewordenen Errungenschaften der europäischen Integration überlagern. Die Europapolitik der Verordnungen und Richtlinien wird oftmals als kalt und bürokratisch wahrgenommen. Gleichzeitig sammeln sich in vielen Ländern Ultranationalisten und Populisten mit der Forderung nach einer Renationalisierung.

Ich lehne eine Abkehr von der Idee eines geeinten Europas und einen Rückfall in Nationalstaaten nachdrücklich ab. Ich möchte ein geeintes Europa! Seine einzelnen Staaten sind den vielen Herausforderungen unserer Zeit längst nicht mehr alleine gewachsen. Bei einer Weltbevölkerung von bald neun Milliarden Menschen werden die europäischen Einzelstaaten alleine untergehen, wenn sie sich nicht endgültig und unwiderruflich zusammentun. Auch deshalb ist der Weg der europäischen Integration ohne Alternative.

Aber was geht das alles uns hier in Staufenberg an? Ich glaube ganz viel. Wir leisten mit unserer Stadt auf vielfältige Art und Weise einen entscheidenden Beitrag zum europäischen Integrationsprozess. Wir setzen eine Vielzahl von europäischen Regelungen um und bringen die Menschen Europas durch z. B. unsere Partnerschaften mit Tarján in Ungarn, Mährisch Trübau in Tschechien und Mönichkirchen in Österreich zusammen. Zudem bieten wir in unserer Stadt Menschen aus fast 50 Nationen dieser Welt eine Heimat. Mit unserer Infrastruktur und unseren Dienstleistungen gestalten wir die Lebensbedingungen für diese Menschen. Und schließlich tragen wir mit der Vielzahl unserer Vereine entscheidend zur Überwindung sozialer Ausgrenzung bei und sichern so den sozialen Zusammenhalt.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Peter Gefeller
Bürgermeister