Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
die Stromtrasse mit dem seltsamen Namen „RHEIN-MAIN-LINK“ beschäftigt unsere Region nun schon seit mehreren Monaten. Ich gehe stark davon aus, dass dies auch in den nächsten Jahren noch der Fall sein wird. Mit der Ersterwähnung in meiner Kolumne vom 16.02.2024 hatte ich angekündigt, Sie zu diesem auch für unsere Stadt so wichtigen Thema auf dem Laufenden zu halten. Dieser Ankündigung komme ich heute mit einem weiteren Zwischenbericht nach.
Was versteht man eigentlich unter dem Namen „Rhein-Main-Link“? Hierbei handelt es sich um eine leistungsstarke Gleichstromverbindungsleitung. Ab dem Jahr 2033 soll über eine unterirdische Stromtrasse Windstrom aus dem Nordseeraum in das Rhein-Main-Gebiet gebracht werden.
Der „Rhein-Main-Link“ betrifft auch unsere Stadt Staufenberg. Seine Trasse soll auf der Gemarkungsfläche von Staufenberg fünf Kilometer lang durch das Tiefenbachtal, entlang der Waldgrenze zu den Didier-Werken und über die Seilbach in die Busecker Gemarkung verlaufen. Die Trasse selbst soll im Ausbaustadium 40 Meter breit sein, benötigt jedoch in der Bauphase eine Breite von 75 Meter.
Grundsätzlich stehen die Verantwortlichen der Stadt Staufenberg dem „Rhein-Main-Link“ positiv gegenüber. Über diese Stromtrasse wird in nur wenigen Jahren regenerativ erzeugter Strom von den Windparks der Nordsee in unser hessisches Ballungszentrum gebracht. Das Rhein-Main-Gebiet hat mit der dort ansässigen Industrie und einer hohen Bevölkerungsdichte einen besonders hohen Energiebedarf. Dieser wird in den folgenden Jahren insbesondere durch die Dekarbonisierung der Industrie und den Ausbau von Rechenzentren noch deutlich zunehmen. Der Wärmepumpenausbau und die E-Mobilität werden ihr Übrigens hinzutun. Insofern ist es mehr als sinnvoll, den in der Nordsee produzierten Windstrom in dieses Ballungsgebiet zu bringen.
Auch stehen die Verantwortlichen der Stadt Staufenberg der Energiewende selbst positiv gegenüber. Der Solarpark Buchenberg sowie der Windpark Lumdatal belegen dies deutlich. Beide Parks werden von regionalen Gesellschaften betrieben, die jeweils auf Initiative der Stadt Staufenberg ins Leben gerufen worden sind und an denen sich neben den Bürgerinnen und Bürgern der Region ausschließlich kommunale Partner beteiligt haben.
Dennoch hat die Stadt Staufenberg schon vor dem eigentlichen Start des „Rhein-Main-Links“ ihre Bedenken zum Trassenvorschlag des Netzbetreibers Amprion und insbesondere zur geplanten Erdkabelverlegung angemeldet. Dabei möchte ich auch heute ganz deutlich festhalten: Einer Änderung der Ausführungsweise weg von einer Erdkabelverlegung und hin zu einer Freileitungsverlegung steht die Stadt Staufenberg äußerst aufgeschlossen gegenüber.
Mit dieser Meinung steht unsere Stadt auch nicht alleine. Experten wie etwa Universitätsprofessor Albert Moser, der an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen das Institut für elektrische Anlagen und Netze leitet, sehen die größeren Nachteile beim Erdkabel. In einem erst vor wenigen Tagen in der Gießener Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Interview sah er in den vierfach höheren Baukosten den wesentlichsten Nachteil. Mit Blick auf diese immensen Zusatzkosten in Milliardenhöhe muss die Frage erlaubt sein, ob die Erdkabelverlegung tatsächlich der richtige Weg ist.
Neben Experten üben aktuell auch einige Bundesländer zunehmend Druck auf die Bundesregierung aus. Sowohl in Hessen und Sachsen-Anhalt als auch in Thüringern steht aktuell infrage, ob die Verkabelung unter der Erde tatsächlich Vorrang vor Freileitungskabeln haben soll.
Von dieser aktuell geführten Diskussion losgelöst haben wir zwischenzeitlich den für die Planung des „Rhein-Main-Links“ Verantwortlichen des Netzbetreibers Amprion einen alternativen Trassenverlauf entlang der autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraße 3 A vorgestellt. Diese Trasse liegt ebenfalls innerhalb des von der Bundesnetzagentur vorgegebenen Präferenzraums. Die Planer sagten eine Prüfung dieser Alternative zu.
Selbstverständlich werden wir - losgelöst von dieser Prüfung - unseren Alternativvorschlag in das formelle Beteiligungsverfahren der Bundesnetzagentur einbringen, das im Rahmen der Planfeststellung voraussichtlich ab August starten wird.
Darüber hinaus habe ich bereits Anfang Mai Regierungspräsident Dr. Ulrich um Mithilfe gebeten. Konkret ging und geht es mir um die Befriedung verschiedenartiger Konflikte, die die erdgebundene Stromtrasse bei der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft, den Belangen des Umwelt- und Naturschutzes und nicht zuletzt bei den unmittelbar von der Trasse beeinträchtigten Anrainerkommunen bereits ausgelöst hat.
Regierungspräsident Dr. Ulrich hat mein Schreiben den maßgeblichen Fachbehörden für den Wasser- und Naturschutz vorgelegt. Diese prüfen derzeit den Sachverhalt. Ich gehe davon aus, dass diese Prüfung in den nächsten Tagen abgeschlossen sein wird und wir im Anschluss das weitere Vorgehen mit dem Regierungspräsidium Mittelhessen besprechen werden. Auch darüber werde ich Sie selbstverständlich informieren. Das Thema bleibt für uns alle weiter spannend.