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Amtsblatt Staufenberg
Ausgabe 31/2025
Seite 2 - AB
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KOLUMNE DES BÜRGERMEISTERS

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

In der letzten Woche haben sich rund 50 Menschen aus dem gesamten Lumdatal am TAG DER OFFENEN TÜR ein Bild über das HOCHWASSERRÜCKHALTEBECKEN (HRB) TREIS machen können.

Nach einer kurzen Begrüßung durch mich als Vorsteher des für das HRB zuständigen Wasserverbands Lumdatal konnten unser Talsperrenbeauftragten Jan Philipp Körber sowie der erfahrene Stauwärter Manfred Zahrt die technischen Raffinessen, die Steuerungssysteme und die Funktionsweise des neuen Damms vorstellen. Es war eine einmalige Gelegenheit, Einblick in moderne Hochwasserschutztechnik zu bekommen - und zu erleben, wie hier vor Ort Zukunft gestaltet wird.

Gerade aber was die Zukunft betrifft, sollte beim Hochwasserschutz niemals der Blick zurück in die Vergangenheit vernachlässigt werden. Wer sich an das Jahr 1966 erinnert oder davon gehört hat, weiß, welche Zerstörungskraft Hochwasser auch in unserer Region haben kann. Die Jahrhundertflut damals hat ganze Orte verwüstet - und uns die dringende Aufgabe mitgegeben, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um solche Katastrophen künftig zu verhindern. Heute, fast 60 Jahre später, sind wir einen großen Schritt weiter: Mit dem HRB Treis ist nun schon die fünfte Hochwasserschutzanlage im Lumdatal in Betrieb genommen worden.

Dieses neue Rückhaltebecken, gelegen zwischen Allendorf/Lda. und Treis, ist nicht nur ein technisches Meisterwerk, sondern auch ein sichtbares Zeichen verantwortungsvoller Zukunftsgestaltung. Rund 110.000 Kubikmeter Wasser kann das Becken im Ernstfall aufnehmen - das entspricht bis zu 600.000 gefüllten Badewannen. Besonders stolz sind wir auf die innovative und landschaftsangepasste Bauweise des überströmbaren Damms. Ein solches Konzept wurde in Mittelhessen bislang noch nie realisiert.

Trotz schwieriger Bodenverhältnisse und wetterbedingter Verzögerungen während der Bauphase konnten wir - dank moderner Mischfertigteilbauweise und dem Einsatz vieler engagierter Fachleute - dieses bedeutende Bauwerk erfolgreich fertigstellen. Insgesamt rund 5,5 Millionen Euro wurden investiert, wovon das Land Hessen erfreulicherweise fast 70 % übernommen hat.

Dies ist aus meiner Sicht gut angelegtes Geld. Denn Hochwasserschutz ist Klimaanpassung - und damit nicht nur eine technische Aufgabe, sondern ein gesellschaftlicher Auftrag. Wir handeln heute für die Sicherheit von morgen.

Mein ausdrücklicher Dank gilt an dieser Stelle nochmals allen Beteiligten - von den Verantwortlichen des ZLS über die Planer, die Bauausführenden bis hin zu meinen Kollegen im Wasserverband.

Zum Schluss ist es mir ein besonderes Anliegen, zwei Menschen zu danken, ohne deren langjährigen Einsatz dieses Projekt wohl kaum realisiert worden wäre: Unserem ehemaligen Verbandsvorsteher, Bürgermeister a. D. Dr. Bernd Wieczorek, sowie dem früheren Geschäftsführer des ZLS, Jochen Becker. Beide haben sich mit großem Engagement, Fachwissen und Beharrlichkeit in die Planung und das anspruchsvolle Bewilligungsverfahren eingebracht. Sie waren es, die - oft in schwierigen Situationen - sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch den zuständigen Behörden Rede und Antwort standen. Nicht immer war das angenehm, häufig fordernd, aber stets von einem Ziel getragen: den Schutz unserer Region vor zukünftigen Hochwasserereignissen zu verbessern.

Die vom Landkreis Gießen eingestellte Fördermittellotsin hat dort seit 1. Juli eine andere Aufgabe übernommen. Aktuell wird zwischen dem Kreis und den Kommunen geklärt, ob diese Stelle neu besetzt werden muss, was auf den ersten Blick bei aktuell über 900 (!) für die Kommunen relevanten FÖRDERPROGRAMMEN durchaus Sinn machen könnte.

Losgelöst von der Frage, ob eine Person alleine überhaupt in der Lage ist, die unterschiedlichen Interessen der ohne Gießen 17 Kreiskommunen für solch eine große Zahl an Förderprogrammen zu bündeln, stellt sich aus meiner Sicht viel eher die Frage, warum Bund und Länder über 900 verschiedene Förderprogramme für die Kommunen auflegen müssen. Ist es da nicht viel vernünftiger, das mit den Förderprogrammen gebundene Geld den Kommunen direkt zukommen zu lassen? Dieser Frage möchte ich mit meiner heutigen Kolumne nachgehen.

Es ist ein altbekanntes Problem in der Kommunalpolitik: zu wenig Geld, zu viel Bürokratie. Doch was wäre, wenn wir den Spieß umdrehen? Statt komplexer Förderprogramme einfach den Kommunen direkt das Geld überweisen - ganz ohne Umweg, ohne Antragsschlacht, ohne Warteschleifen.

Die Idee klingt verlockend: Mehr Flexibilität, weniger Bürokratie. Die Kommunen wissen selbst am besten, wo der Schuh drückt - sei es das marode Kita-Gebäude, die kaputte Straße oder der fehlende Spielplatz. Statt auf eine passende Förderlinie zu warten, könnten sie sofort handeln. Effizienter, zielgenauer, bürgernäher.

Doch so einfach ist es dann doch nicht. Denn wo Freiheit wächst, da wachsen auch Risiken. Was, wenn wichtige strategische Ziele auf der Strecke bleiben? Wenn etwa die dringend notwendige Energiewende keine Priorität mehr bekommt, weil kurzfristige Prestige-Projekte populärer erscheinen? Oder wenn einige Kommunen clever wirtschaften - und andere schlicht überfordert sind?

Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten. Auf der einen Seite steht die berechtigte Hoffnung auf schnellere, bedarfsgerechtere Entscheidungen vor Ort. Auf der anderen Seite die Sorge, dass ohne gezielte Steuerung wichtige gesellschaftliche Entwicklungen ausgebremst werden - sei es bei den erneuerbaren Energien, beim Wohnungsbau, der Digitalisierung oder dem sozialen Zusammenhalt.

Und dann ist da noch die Frage der Gerechtigkeit. Wird der eine Ort schöner, weil er zufällig über ein besonders engagiertes Rathaus verfügt? Wird die andere Gemeinde abgehängt, weil ihre Verwaltungsstruktur schwächer ist? Ohne Transparenz und klare Standards droht ein Flickenteppich kommunaler Entwicklung.

Die Wahrheit liegt - wie so oft - in der Mitte. Warum nicht beide Ansätze kombinieren? Ein Teil der Mittel könnte direkt und flexibel zugewiesen werden, ein anderer über gezielte Förderprogramme - etwa dort, wo es um große, überregionale Ziele geht. So ließe sich der Wunsch nach kommunaler Selbstbestimmung mit dem Bedarf an strategischer Steuerung in Einklang bringen. Und so ganz nebenbei würde dabei auch die wahnsinnig hohe Zahl an Förderprogrammen auf ein vernünftiges Maß zurechtgestutzt.

Eines muss dabei jedoch klar sein: Wer den Kommunen wirklich helfen will, muss ihnen Vertrauen schenken - aber auch Verantwortung abverlangen. Nur so kann kommunale Freiheit zu einem echten Fortschritt für alle werden.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Peter Gefeller
Bürgermeister