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Amtsblatt Staufenberg
Ausgabe 38/2022
Seite 2 - AB
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KOLUMNE DES BÜRGERMEISTERS

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

am 14. SEPTEMBER 1942 hielt - laut Zeitzeugen wie dem damals fünfjährigen Karl-Friedrich Zecher - ein offener Lastwagen in Mainzlar. Im Auftrag der „Geheimen Staatspolizei Giessen“ führte die Stadtwerke Gießen an diesem Tag eine „Sonderfahrt“ durch verschiedene Orte unserer Region durch, u. a. auch durch unsere heutigen Stadtteile Mainzlar und Treis.

Letzte Woche, am diesjährigen 14. September, also exakt 80 Jahre später, traf ich mich mit Pfarrer Traugott Stein, Stadträtin Susanne Gerschlauer und Stadtverordneten Peter Müller in Mainzlar. Mit dabei waren drei junge Menschen aus Daubringen sowie der heute mit seiner Familie von einer Abschiebung bedrohte Flüchtling Luke Wendwosen. Zusammen erinnerten wir an den 80. JAHRESTAG der DEPORTATION der letzten Mitglieder der jüdischen Gemeinden in unseren heimischen Dörfern.

In das „Abmeldebuch“ von Mainzlar schrieb der damalige Sachbearbeiter die Worte: „auf Reisen“. Das tut weh, wenn man an die „Reise“ denkt, auf die die Menschen jeden Alters an diesem Tag geschickt wurden. Über die Gießener Goetheschule wurden die Verschleppten nach Darmstadt gebracht. Am 30. September 1942 fuhr von dort ein Zug mit 883 Menschen aus Hessen, Mainz und weiteren Orten in das Tötungslager Treblinka. Nur das über 65 Jahre alte Ehepaar Jakob und Henriette Wolff wurde nach Theresienstadt deportiert. Alle anderen 27 Menschen aus Mainzlar und Treis wurden nach Treblinka verbracht und dort ermordet.

An diese Menschen aus den heutigen Stadtteilen Staufenbergs haben wir uns letzte Woche erinnert. Wir trafen uns an den Stolpersteinen vor dem ehemaligen Anwesen in der Daubringer Straße 13 in Mainzlar. An den dort frisch gereinigten Erinnerungssteinen für die Familie Rosenthal haben wir an diese Familie aber auch an die vielen anderen Opfer gedacht.

Am gleichen Tag besuchte mit LAWRENCE S. BACOW der amtierende PRÄSIDENT der berühmten US-amerikanischen HARVARD UNIVERSITY unsere Region. Anlass seines Besuchs war die Einweihung von Gedenkstelen in Londorf, die an die dortigen „jüdischen Deportierten“ erinnern sollen. Eine dieser aus Londorf stammenden Deportieren war Ruth Wertheim, die Mutter des heutigen Harvard-Präsidenten. Sie hatte den Holocaust überlebt und war im Anschluss in die USA ausgewandert. Als Sohn der Frau Wertheims kam Lawrence Bacow nun nach Deutschland, um im Herzen Londorfs die Gedenkstelen an die Opfer des Holocausts einzuweihen.

Zuvor traf er sich in einer Podiumsdiskussion mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe der CBES in Lollar. Als Gast dieser in englischer Sprache geführten Veranstaltung war ich über die sehr guten Englischkenntnisse der Schülerinnen und Schüler äußerst beeindruckt. Aber noch mehr beeindruckten mich die Worte des aktuellen Harvard-Präsidenten.

Er erinnerte an die Lebensgeschichte seiner Familie. Nur mit einem Koffer und ohne Geld seien seine Eltern als jüdische Flüchtlinge in die USA gekommen. Nur eine Generation später sei er nun Präsident der Harvard Universität. Dies zeige, dass wir Flüchtlinge überall auf der Welt willkommen heißen sollten. Sie seien eine Bereicherung für uns alle. In diesem Zusammenhang sagte Bacow den aus meiner Sicht wichtigsten Satz: „It’s never too late to do the right thing - Es ist niemals zu spät das Richtige zu tun!“ Ich finde, an diesem 14. September 2022 haben viele Menschen in und aus unserer Region vielfach das Richtige getan.

Im Spätsommer 2021 haben fleißige Eltern der Kita „Am Buchenberg“ in Daubringen den dortigen KINDERWAGENUNTERSTAND mit einer wunderschönen Waldlandschaft versehen. Im Frühjahr dieses Jahres folgten letzte Detailarbeiten. Ein echter Hingucker ist entstanden, an dem auch alle Kinder der Kita mitgewirkt haben. Die Kinder und die ErzieherInnen der Kita „Am Buchenberg“ freuen sich sehr über den wunderschönen Kinderwagenunterstand, wie KiTa-Leiterin Myriam Bergmann-Franke berichten konnte. Für die tolle Idee und ihre sehr gute Umsetzung kann ich mich nur ganz herzlich bei allen Helferinnen und Helfern mit den Vertreterinnen und Vertretern des Elternbeirats an der Spitze bedanken.

Wie von Matthias Schick, dem Behindertenbeauftragten der Stadt Staufenberg, angeregt, haben unsere städtischen Mitarbeiter vom Bauhof die Farbmarkierung der Trittstufen in der STAUFENBERGER BIMBERGASSE erneuert. Bei der Gelegenheit wurde auch gleich das Geländer neu gestrichen. Damit wurde gerade zu Beginn der dunklen Jahreszeit die Verkehrssicherung auf dieser historischen Treppe in der Staufenberger Altstadt deutlich verbessert.

In der letzten Woche eröffnete an alter Stelle in der Lollarer Straße in Staufenberg eine neue BÄCKEREIFILIALE. Das war und ist sicher eine gute Nachricht für alle Staufenbergerinnen und Staufenberger aber sicher auch für viele Pendler sowie Schülerinnen und Schüler, die sich nun wieder früh morgens mit frischen Backwaren direkt im Ort versorgen können.

Letzte Woche konnte ich zudem Kommunalpolitiker aus Fernwald empfangen, denen ich unseren WINDPARK LUMDATAL im Staufenberger Wald vorstellen durfte. Der neue Park zählt bekanntlich drei Windkraftanlagen. Eine Anlage ist bereits komplett aufgebaut, die beiden anderen befinden sich kurz vor ihrer Fertigstellung. Alle drei werden gemeinsam im Oktober noch ans Netz gehen.

Überrascht zeigten sich die Fernwalder über den sehr langen Realisierungszeitraum, der von der Planung bis zum Bau der Anlagen leider sieben Jahre betragen hat. Dieser lange Zeitraum ist allerdings nicht der Stadt Staufenberg anzulasten. Vielmehr war gerade sie es, die mit vielen Informationsveranstaltungen den Windpark stets im positiven öffentlichen Gedächtnis hielt und so für eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung gesorgt hat. Mit Blick auf nicht immer nachvollziehbare Verfahrensabläufe beim zuständigen Regierungspräsidium Gießen konnte ich kritisch anmerken, dass unter Berücksichtigung der augenblicklichen, mehr als problematischen Energiesituation und dem im vollen Gang befindlichen Klimawandel auf unserem Planeten, ein Zeitraum von sieben Jahren absolut inakzeptabel ist.

Zum Schluss waren wir uns einig, dass eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung nur durch frühzeitige und transparente Informationsveranstaltungen erzielt werden kann. Dabei spielt die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung eine ganz entscheidende Rolle.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr
Peter Gefeller
Bürgermeister