Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ab August 2026, also von jetzt ab in weniger als drei Jahren, soll stufenweise der RECHTSANSPRUCH AUF GANZTAGSBETREUUNG IN GRUNDSCHULEN eingeführt werden. Zunächst erhalten alle Grundschulkinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch, ganztägig gefördert zu werden. Dieser Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung.
Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, um Familien zu entlasten und Bildungschancen zu verbessern. Es ist jedoch bedauerlich, dass dieser wichtige Schritt in Hessen erneut auf dem finanziellen Rücken der Kommunen abgeladen wird. Die Folgen dieser einseitigen Belastung können weitreichend sein und die ohnehin schon angespannten kommunalen Haushalte weiter strapazieren.
Ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ermöglicht es Eltern, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Eltern berufstätig sind, ist eine zuverlässige Betreuung ihrer Kinder von großer Bedeutung. Eine qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung bietet nicht nur eine sichere und sinnvolle Freizeitgestaltung, sondern auch zusätzliche Bildungsangebote und individuelle Förderung für die Schülerinnen und Schüler. Dieser ganzheitliche Ansatz unterstützt die Kinder in ihrer Entwicklung und schafft beste Voraussetzungen für ihre Zukunft.
Allerdings ist es bedauerlich, dass die Umsetzung dieses Rechtsanspruchs in vielen Kommunen zu finanziellen Engpässen führen wird. Die Finanzierung der Ganztagsbetreuung liegt größtenteils in der Verantwortung der Kommunen, die bereits mit einer Vielzahl anderer Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert sind. Die Finanzierungslast wird somit erneut auf die Kommunen abgewälzt, ohne dass ihnen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dies kann zu Einschränkungen in anderen Bereichen wie Infrastruktur, Kultur oder Sozialleistungen führen und die kommunale Handlungsfähigkeit weiter einschränken.
Weiter dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass bereits heute ein akuter Fachkräftemangel in den Kitas besteht, der sich durch die Erweiterung der Ganztagsbetreuung in den Grundschulen weiter verschärfen könnte. Die Kommunen plädieren daher dafür, dass die Umsetzung der Ganztagsbetreuung im Schulbereich in die Verantwortung des Landes fällt, um ganzheitliche Lösungen zu finden.
Der Fachkräftemangel in den Kitas ist kein neues Phänomen. Die hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen und die steigenden Qualitätsanforderungen haben bereits jetzt dazu geführt, dass viele Kommunen große Schwierigkeiten haben, genügend qualifiziertes Personal zu finden. Die Erweiterung der Ganztagsbetreuung auf Grundschulen wird die Nachfrage weiter erhöhen und somit den Druck auf die vorhandenen Ressourcen verstärken. Es ist absehbar, dass ohne entsprechende Maßnahmen die Betreuungsqualität darunter leiden und die Situation für alle Beteiligten schwieriger werden könnte.
Die Kommunen argumentieren, dass eine Umsetzung der Ganztagsbetreuung im Schulbereich in die Verantwortung des Landes fallen sollte, da dieses über größere Ressourcen und Möglichkeiten zur Personalgewinnung verfügt. Eine zentrale Steuerung und finanzielle Unterstützung seitens des Landes könnte dazu beitragen, den Fachkräftemangel gezielt anzugehen und die notwendigen Kapazitäten in den Kitas und Grundschulen bereitzustellen.
Bund und Länder sind nun gefordert, eine breit angelegte Ausbildungsinitiative für Erzieherinnen und Erzieher zu starten. Dabei sollte der Schwerpunkt auf die praxisintegrierte, vergütete Ausbildung gelegt werden, um möglichst rasch ausreichend Personal für den zusätzlichen Betreuungsbedarf zu gewinnen.
Zudem ist es wichtig, die Ganztagsbetreuung in Grundschulen nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext des gesamten Bildungssystems und der frühkindlichen Betreuung. Eine ganzheitliche Lösung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen und weiteren relevanten Akteuren, wie beispielsweise den freien Trägern. Gemeinsam müssen Strategien entwickelt werden, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Qualität der Betreuung sicherzustellen.
Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ist zweifellos ein wichtiger Schritt, um Familien zu unterstützen und Bildungschancen zu verbessern. Allerdings darf diese Maßnahme nicht auf Kosten der Betreuungsqualität und des Wohlergehens der Fachkräfte gehen. Eine ganzheitliche Lösung, bei der das Land eine aktive Rolle bei der Umsetzung und finanziellen Unterstützung der Ganztagsbetreuung in Grundschulen übernimmt, ist notwendig, um sowohl Familien als auch das Personal angemessen zu entlasten.
Gerade die Landespolitik muss hier Verantwortung übernehmen und eine gerechte und nachhaltige Finanzierung sicherstellen. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung sollte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch mit ausreichenden finanziellen Landesmitteln untermauert werden, um den Kommunen eine faire Umsetzung zu ermöglichen. Nur so können wir sicherstellen, dass Familien tatsächlich von dieser Maßnahme profitieren und die Bildungsqualität und Chancengleichheit für alle Kinder gewährleistet sind.
Es ist höchste Zeit, dass die Bedürfnisse der Familien und Kinder im Mittelpunkt stehen und nicht auf Kosten der Kommunen vernachlässigt werden. Ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber er sollte nicht zu einer weiteren Belastung für die bereits finanziell gebeutelten Kommunen führen. Eine ausgewogene und faire Finanzierung ist unerlässlich, um das volle Potenzial dieses Rechtsanspruchs zu entfalten und Familien nachhaltig zu unterstützen.
Es grüßt Sie herzlich