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Amtsblatt Staufenberg
Ausgabe 47/2023
Seite 2 - AB
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KOLUMNE DES BÜRGERMEISTERS

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

am letzten Sonntag hatten sich viele von Ihnen in unserer Stadthalle zur STAUFENBERGER FRIEDENSGEDENKSTUNDE am VOLKSTRAUERTAG versammelt. Es wurde eine Gedenkstunde, die uns die Möglichkeit gab, über die Schrecken der Vergangenheit nachzudenken und gleichzeitig den Blick auf aktuelle Herausforderungen zu richten.

Es ist unsere moralische Pflicht an einem Tag wie dem des Volkstrauertages, der Millionen Menschen zu gedenken, die weltweit in den beiden Weltkriegen ihr Leben verloren haben, auch hier in den vier Dörfern unserer gemeinsamen Stadt Staufenberg. Mit diesem Gedenken bekunden wir, nicht wegzusehen, wenn irgendwo Unrecht geschieht oder Blut vergossen wurde oder heute wird.

Vor 85 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, erlebte Deutschland eine der dunkelsten Stunden seiner Geschichte – die Reichspogromnacht. An diesem Tag wurde staatlich gelenkter Terror gegenüber unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern entfesselt.

85 Jahre nach der Reichspogromnacht werden in Deutschland wieder Häuser mit dem Davidstern markiert, trauen sich Jüdinnen und Juden nicht mehr auf die Straße, lassen ihre Kinder aus Angst nicht in die Schule oder in den Sportverein gehen. 85 Jahre nach der Reichspogromnacht verzeichnen unsere Strafverfolgungsbehörden einen massiven Anstieg antisemitisch motivierter Straftaten.

Gerade in unserem Land dürfen wir hier nicht einfach zusehen. In allen Städten und Gemeinden Deutschlands, egal wo, müssen wir uns klar zur Glaubensfreiheit bekennen. Jeder Mensch muss in unserem Land seinen Glauben frei von Gewalt und Angst ausüben dürfen. Das gilt für uns alle und selbstverständlich auch für Menschen jüdischen Glaubens.

Die aktuellen Entwicklungen mahnen uns eindringlich, nicht nur der Vergangenheit zu gedenken, sondern auch die Gegenwart und Zukunft in den Blick zu nehmen. Der Volkstrauertag bietet uns jedes Jahr aufs Neue die Gelegenheit, nicht nur zu trauern, sondern auch darüber nachzudenken, wie wir als Gesellschaft dazu beitragen können, dass sich die schmerzlichen Kapitel unserer Geschichte nicht wiederholen.

Die Realität der heutigen Zeit überschreitet die Grenzen Deutschlands, und wir müssen uns den globalen Herausforderungen stellen. Der anhaltende Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat nicht nur tausende Opfer gefordert, sondern auch zahlreiche Menschen zur Flucht gezwungen. Auch hier in unserer Heimat suchen Menschen Zuflucht vor Krieg und Terror.

In Butscha und andernorts sichern heute ukrainische Staatsanwälte die Spuren russischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Millionen von Frauen, Kindern und junger Menschen mussten ihre ukrainische Heimat verlassen und haben in Deutschland und auch hier bei uns in Staufenberg Zuflucht gefunden.

Ein weiterer trauriger Vorfall liegt nur wenige Wochen zurück, als am 7. Oktober von Gaza aus Terroristen der radikalislamistischen Hamas über tausend Israelis auf brutale Weise ermordeten und über 200 Menschen als Geiseln nahmen, die sie bis zum heutigen Tag als erpresserischen Faustpfand in irgendwelchen Tunneln verstecken.

In der Folge dieses wahnsinnigen und völlig irrationalen Terrorakts hat Israel sein legitimes Recht auf Selbstverteidigung wahrgenommen, was leider auch großes Leid über die Zivilbevölkerung Gazas gebracht hat. Tagtäglich sterben dort Menschen, hungern nun Tausende, viele von ihnen warten dabei verzweifelt auf medizinische Hilfe.

Die Zivilisten auf beiden Seiten dieses Krieges sind die wahren Verlierer. Dies gilt für diesen neuerlichen Nahost-Konflikt genauso wie für den Krieg in der Ukraine oder für jeden anderen Krieg irgendwo und irgendwann auf dieser Welt.

Bisweilen scheint es, als ob Menschen und Gesellschaften nicht aus der Geschichte lernen würden. Doch die Jahrzehnte nach 1945 zeitigten auch eines der größten politischen Wunder der Weltgeschichte: die europäische Einigung. Europa ist heute in weiten Teilen befriedet und beweist, dass vormalige Konfliktregionen auch nachhaltig zu stabilen, prosperierenden und demokratischen Friedensregionen werden können. Vorausgesetzt Nationalismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit kehren nicht zurück an die Macht.

Die Kriege in der Ukraine aber auch in Gaza zeigen aus meiner Sicht mehr als deutlich auf, dass diese drei furchtbaren Machtinsignien zumindest in diesen Regionen zurückgekehrt sind.

Sie verdeutlichen zudem, dass der Weg zu Frieden und Versöhnung mit Herausforderungen gespickt ist. Doch in dieser schweren Zeit müssen wir zusammenstehen, um Werten wie Frieden, Toleranz und Mitmenschlichkeit treu zu bleiben. Der Volkstrauertag ermahnt uns dazu, uns aktiv für eine friedliche Zukunft einzusetzen und entschlossen jeglicher Form von Hass und Gewalt entgegenzutreten.

Dabei gibt es einen Motor für ein friedliches Zusammenleben. Dieser heißt gegenseitiges Vertrauen, das auf den verschiedenen Ebenen unserer Gesellschaften gelebt werden muss.

Unsere Städtepartnerschaften mit Tarján in Ungarn, Mährisch-Trübau in Tschechien und Mönichkirchen in Österreich haben grenzübergreifende Netzwerke des Vertrauens geschaffen. Wir ermöglichen in diesen Partnerschaften über den jährlich in einer der vier Partnergemeinden stattfindenden Jugendaustausch gerade unseren Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein gegenseitiges Kennenlernen unterschiedlicher europäischer Sichtweisen.

Dieser Jugendaustausch zeigt mir jedes Jahr aufs Neue, dass jede junge Europäerin und jeder junge Europäer mindestens einmal in seiner Jugendzeit einen mehrtätigen Jugendaustausch erleben sollte.

Sie und er werden dabei ganz schnell feststellen, dass ein gemeinsames Europa keineswegs ein Elitenprojekt, sondern eine einzigartige Chance für jeden jungen Menschen ist. Freundschaft in und mit Europa ist die beste Prävention gegen Nationalismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit.

Lassen Sie uns in Einigkeit und Respekt die Erinnerung an die Opfer bewahren und uns gleichzeitig daran erinnern, dass es in unserer Verantwortung liegt, eine Welt zu schaffen, in der Frieden und Verständigung die obersten Prinzipien sind. In diesem Sinne bitte ich Sie alle, nicht nur zu trauern, sondern auch darüber nachzudenken, wie wir als Gesellschaft unseren Beitrag dazu leisten können.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Peter Gefeller
Bürgermeister