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Amtsblatt Staufenberg
Ausgabe 47/2025
Seite 2 - AB
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KOLUMNE DES BÜRGERMEISTERS

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wie jedes Jahr am VOLKSTRAUERTAG kamen auch am letzten Sonntag viele Menschen zur Friedensgedenkstunde in die Stadthalle. Dieses Jahr war etwas anders. Etwas größer, schwerer, bedeutungsvoller: Wir haben auf 80 Jahre Kriegsende zurückgeblickt.

80 Jahre - das klingt nach einer Ewigkeit. Und doch liegen die Folgen dieses Krieges nicht in ferner Vergangenheit. Vieles davon ist noch spürbar.

Etwa 3,5 Prozent der damaligen Weltbevölkerung starben im Zweiten Weltkrieg. Eine Zahl, die man kaum begreifen kann. Die ganze Welt wurde in einen Strudel aus Gewalt, Zerstörung und Verbrechen gezogen - ausgehend von einem Krieg, den Deutschland begonnen hatte.

Europa lag 1945 in Trümmern. Was bleibt, sind nicht nur Zahlen und Fakten aus Geschichtsbüchern. Was bleibt, sind die Geschichten von Angst und Verlust, die auch heute noch in den Familien erzählt werden. Geschichten, die - wenn überhaupt - ganz leise von Hoffnung sprechen. Hoffnung, die sich ihren Weg durch die Trümmer einer zerstörten Welt suchte.

Und mit dem Ende des Krieges kam für Millionen Menschen nicht etwa Frieden - sondern Flucht, Vertreibung, der Verlust der Heimat. Viele dieser Menschen kamen auch zu uns. Damals fremd, häufig nicht willkommen, begegnet mit Skepsis und Vorurteilen.

Aber mit der Zeit sind sie geblieben. Und mit ihnen ihre Bräuche und Erinnerungen. Sie wurden Teil unserer Dörfer und damit Teil von uns. Heute können wir mit Überzeugung sagen: Ohne die Vertriebenen wären wir nicht das, was wir sind.

80 Jahre Kriegsende - das heißt auch: 80 Jahre Hiroshima und Nagasaki.

Am 6. August 1945 fiel die erste Atombombe auf Hiroshima. Drei Tage später folgte die zweite auf Nagasaki. „Little Boy“ und „Fat Man“ nannten die US-Soldaten die Bomben. Namen, die heute zynisch klingen - angesichts der Vernichtung, die sie in Sekunden über zwei Städte brachten.

Rund 140.000 Menschen starben in Hiroshima, etwa 80.000 in Nagasaki. Seitdem wurde keine Atombombe mehr im Krieg eingesetzt. Aber die Gefahr ist nie ganz verschwunden.

Im Gegenteil: Nach Jahrzehnten des Ab- und Umrüstens erleben wir gerade wieder den Rückschritt. Neue Bedrohungen. Neue Drohgebärden. Die atomare Abschreckung ist zurück in den Schlagzeilen.

Doch wer sich mit Hiroshima beschäftigt hat, weiß: Atomwaffen bringen keine Sicherheit. Sie zerstören nur. Und zwar alles - Leben, Städte, Zukunft.

Deshalb setzen sich heute über 600 Städte in Deutschland im Rahmen der „Mayors for Peace“ aktiv für Abrüstung ein. Auch in Staufenberg wurde in diesem Jahr wieder die Friedensflagge gehisst. Sicher: Es ist nur ein Symbol - aber eines, das zählt.

80 Jahre Kriegsende bedeuten für uns aber auch: 80 Jahre Freiheit. Zuerst im Westen Deutschlands nach 1945, später - mit der Wiedervereinigung - auch im Osten. Doch diese Freiheit ist kein Selbstläufer. Sie ist ein Geschenk, das verteidigt werden muss.

Heute erleben wir wieder eine Zeit der Unsicherheit. Die Welt wirkt unübersichtlich. Putins Krieg in der Ukraine, die Eskalation in Nahost, die Verwerfungen im Verhältnis zu den USA - das alles verunsichert nicht nur die große Politik, sondern auch unseren Alltag.

In dieser Unsicherheit wachsen Misstrauen, Spaltung, Frust. Und statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, zeigen wir allzu oft mit dem Finger auf andere.

Auch hier bei uns, in unserer Gesellschaft, sind die Debatten rauer geworden. Der Ton ist schärfer. Die Geduld kürzer.

Doch wenn sich jeder nur noch um sich selbst dreht, wenn wir uns in unsere kleinen Gruppen und Meinungen zurückziehen, dann verlieren wir das, was unsere Demokratie ausmacht: Gemeinsam in Freiheit leben zu können.

Freiheit heißt aber nicht, dass jeder tun und lassen kann, was er will. Freiheit bedeutet, sich verantwortlich zu verhalten - gegenüber anderen, gegenüber der Gemeinschaft. Diese Verantwortung ist keine Last. Sie ist ein Angebot. Eine Chance, das Miteinander zu gestalten. Denn: Frieden gibt es nur in Freiheit. Und Freiheit nur mit Verantwortung.

Das ist die vielleicht wichtigste Lehre aus dem 8. Mai 1945. Auch heute - 80 Jahre danach.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Versammlung der „Jungnationalisten“ der Partei „Die Heimat“ eingehen, die am letzten Samstag - einen Tag vor dem Volkstrauertag - hier in Staufenberg stattfinden durfte.

Der Fackelmarsch, den die Gerichte trotz meines Verbots am Ende leider zuließen, war für mich - und sicherlich für viele andere auch - ein schmerzhafter und kaum zu ertragender Anblick. Er darf aus meiner Sicht nicht unkommentiert bleiben.

Dieser Fackelzug und die Reichsflaggen, die diese Menschen trugen, weckten schmerzliche Erinnerungen. Erinnerungen an den 30. Januar 1933, als das Nazi-Regime in Deutschland die Macht übernahm und damit das Ende der Weimarer Republik und den Beginn des düstersten Kapitels unserer Geschichte einläutete. Diese dunkle Vergangenheit sollte auch von einer unabhängigen Justiz niemals vergessen werden.

Am Ende war es hier in Staufenberg ein kleiner Haufen von Ewiggestrigen, der mit Fackeln zum Immelmann-Mahnmal zog. Weit beeindruckender war die überwältigende Zahl an Menschen, die sich der Gegen-Demonstration anschlossen. Es war ein klares Zeichen für unsere Demokratie: Mehr als zehnmal so viele Menschen waren gekommen, um für die Werte einzutreten, die unsere Gesellschaft ausmachen.

Menschen aus der Rabenau, aus Grünberg, aus Allendorf, aus Hungen, aus Mücke und natürlich viele aus Staufenberg selbst. Sie alle kamen zusammen und zeigten wahren Mut.

Sie standen nicht nur für die Demokratie, sondern für Freiheit, für Gleichheit, für Vielfalt, eben für eine bunte und weltoffene Welt! Das hat mir, trotz all der Sorgen, die dieser Tag mit sich brachte, Hoffnung gegeben.

Besonders dankbar bin ich für die klare Haltung der Kirche. Die Worte von Pfarrerin Jolanda Grässel-Farnbauer, Pfarrer Andreas Lenz und Pfarrer Traugott Stein waren ein starkes Zeichen für Mut und Verantwortung.

Wir alle dürfen nicht schweigen. Gerade in unserem Land dürfen wir nicht einfach tatenlos zusehen, wie sich die Dunkelheit wieder Platz verschaffen will. Es muss unser Ziel sein, immer und immer wieder auf das Leid der Opfer von Krieg und Terror aufmerksam zu machen. Aber ebenso wichtig ist es, für das Recht eines jeden Menschen einzutreten, in Freiheit und ohne Angst vor Verfolgung leben zu können.

Lassen Sie uns für eine Welt eintreten, in der Hass keinen Raum hat. Eine Welt, in der jeder Mensch in Frieden leben kann - ohne Furcht, ohne Ausgrenzung, ohne Gewalt. Das ist die Verantwortung, die wir alle tragen. Es ist die Verantwortung, die wir nie aus den Augen verlieren dürfen.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Peter Gefeller
Bürgermeister