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Amtsblatt Staufenberg
Ausgabe 50/2025
Seite 2 - AB
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KOLUMNE DES BÜRGERMEISTERS

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

an sich wollte ich mich nicht zu den jüngsten Ereignissen rund um die NEUGRÜNDUNG der AfD-JUGENDORGANISATION äußern, die am vorletzten Samstag in und um Gießen stattfanden. In den letzten Tagen hat eine mediale Auseinandersetzung über die „richtige“ Deutung dieser Vorkommnisse viel Aufmerksamkeit erhalten - und, offen gesagt, hat sie mich ebenso wenig unberührt gelassen wie viele andere. Diese Ereignisse fordern eine Reaktion, und ich empfinde es als meine Pflicht, mich damit auseinanderzusetzen. Dabei möchte ich den Versuch wagen, möglichst alle Perspektiven zu bedenken, mit einer Ausnahme: Die derjenigen, die unsere Verfassung und Demokratie ablehnen und die Regeln des Rechtsstaates nur für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.

Es ist wichtig, dass wir uns erinnern, dass bereits zwei Wochen vor den Ereignissen in Gießen, eine Gruppe von „Jungnationalisten“ der Partei „Die Heimat“ einen äußerst belastenden Fackelmarsch in Staufenberg organisiert hatte. Für diesen Marsch wurden rund 130 Polizistinnen und Polizisten eingesetzt, die mit beeindruckender Besonnenheit dafür sorgten, dass die Situation nicht weiter eskalierte. Auch den vielen friedlich demonstrierenden Menschen, die sich diesem Marsch entgegenstellten, gebührt mein Dank. Ihr Engagement für den Frieden und unsere Demokratie war ein starkes Zeichen dafür, dass derartige Vorfälle in unserer Gesellschaft nicht tatenlos hingenommen werden.

Auch in Gießen selbst gingen zehntausende Menschen auf die Straße, um für unsere gemeinsamen Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Freiheit, Solidarität und Vielfalt einzutreten. Es war ein beeindruckendes und bewegendes Bild des Zusammenhalts, des friedlichen Widerstands gegen Hass und Intoleranz.

Doch es gab auch eine dunklere Seite dieses Samstags: Eine kleine Gruppe von Menschen, die vermummt und gewaltbereit auftraten. Sie blockierten Straßen, warfen Steine, Flaschen und Böller auf die Polizei und setzten sogar Mülltonnen als Rammböcke ein. In den umliegenden Orten wie Heuchelheim, Lützellinden und Atzbach kam es zu Straßenblockaden und Angriffen auf Autos und Gemeindemitarbeitende, die als „Staatsbüttel“ beschimpft wurden. In diesen Momenten war es die Polizei, die die Straßen sicherte, illegale Blockaden auflöste und dabei ihre eigene Gesundheit riskierte. 50 Polizistinnen und Polizisten erlitten Verletzungen, und auch wenn jede einzelne Verletzung eine zu viel ist, gilt mein Dank unvermindert allen Einsatzkräften, die mit Mut und Entschlossenheit unsere Rechtsordnung verteidigten. Ich wünsche allen verletzten Einsatzkräften eine schnelle und vollständige Genesung.

Doch während ich mich klar hinter unsere Polizei stelle, möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Videos, die uns zeigen, wie Polizisten mit Schlagstöcken auf Demonstranten losgehen, keinesfalls unbeachtet bleiben dürfen. Diese Bilder werfen Fragen auf, und es ist wichtig, dass sie im Kontext aufgeklärt werden.

Gewalt, gleich welcher Art, ist nie eine Lösung. Sie schürt nur neuen Hass und schafft neue Probleme. Diese Grundüberzeugung möchte ich in aller Deutlichkeit betonen. Es geht nicht nur um die physische Gewalt, sondern auch um die verbale Gewalt, die ihren Weg aus dem Inneren der von der AfD-Jugendorganisation angemieteten Hessenhalle nach außen gefunden hat.

Bei dem ganzen Trubel um die Demonstrationen sollten wir uns stets an ihren eigentlichen Anlass erinnern. Die „Gedanken zum Wochenende in Gießen“ meines Freundes Frank Steibli bringen es dabei auf den Punkt:

„Wir halten das aus. Keine Frage! Wir sind hier gute Demokraten, unsere Verfassung ist unser Leitstern, wir achten geltende Regeln. Gießen hat schon ganz anderes Ungemach überstanden. Aber was soll das? Warum hier? Warum in unserer liebenswerten Stadt? Wir haben mit Eurem Hass, mit Eurer Menschenfeindlichkeit, mit Eurer Verachtung für Rechtsstaat und Vielfalt nichts am Hut. Wir sind die Stadt der Erstaufnahme, hier kümmert man sich umeinander, hier werden die ersten Schritte zur Integration zurückgelegt. Euren Deportationswahn könnt Ihr anderswo verbreiten. Nicht hier, nicht in der Stadt der Freiheit, der Solidarität, der Vielfalt, des Miteinanders. Nicht in der Stadt von Forschung und Lehre, in der Stadt der guten Medizin, in der Stadt der Neugier, in der man willkommen geheißen wird, wenn man mühselig und beladen strandet und dann eben doch wieder aufsteht und bereit ist, mit anzupacken und zusammen mit anderen etwas zu gestalten und aufzubauen. In den 80ern trugen wir Buttons mit „Mach meinen Kumpel nicht an“. Das gilt übrigens bis heute. Schreibt Euch das hinter die Ohren! Noch etwas: Eine Messe sollte das Tor zur Welt sein. Unsere ist es nicht. Aber auch das halten wir aus. Auf ein friedliches Wochenende, trotz alledem. Und auf ein starkes Signal für eine soziale und liberale Demokratie, die sich nicht in die Büsche schlägt, wenn ihr der Wind ins Gesicht bläst.“

Diese Worte können nicht deutlicher sein. Sie fassen zusammen, was auch ich empfinde: Gießen ist ein Symbol des Miteinanders, ein Symbol, das sich durch Offenheit, Vielfalt und einen Willen zur Integration auszeichnet. Diese Werte müssen wir verteidigen - gegen alle, die mit Hass und Hetze gegen diese Prinzipien kämpfen.

Ich wünsche uns allen, dass wir trotz aller Unruhe und der Herausforderungen dieser Tage nicht den Mut verlieren und in unserer gemeinsamen Verantwortung für eine friedliche, solidarische und demokratische Zukunft festhalten.

Aber nun zu einem erfreulicheren Thema: Mit großer Freude habe ich am letzten Samstag dem Konzert der SÄNGERVEREINIGUNG 1865 Treis/Lda. beigewohnt. Anlass war die Feier zum 160-jährigen Jubiläum des Vereins. Im Namen des Magistrats der Stadt Staufenberg - und auch ganz persönlich - konnte ich herzlich zu diesem ganz besonderen Jubiläum gratulieren.

Entstanden aus den traditionsreichen Chören „Liederkranz“ und „Hoffnung“, hat sich die Sängervereinigung im Laufe der Zeit stetig weiterentwickelt - und das immer mit Blick auf die Zukunft. Besonders die Öffnung für Frauen hat frischen Wind gebracht und neue Impulse gesetzt. Die gemischte Formation „treiStimmig“ zeigt dies eindrucksvoll, und mit Karina Otto an der Spitze hat die Sängervereinigung eine starke, engagierte Vorsitzende gewonnen. Das ist ein tolles Zeichen für Aufbruch und gelebte Gleichstellung.

Allen, die sich früher und heute ehrenamtlich für den Verein eingesetzt haben oder aktuell engagieren, möchte ich meinen großen Respekt und herzlichen Dank aussprechen. Ohne dieses Engagement wäre so eine lange Erfolgsgeschichte gar nicht möglich gewesen.

Umso schöner ist es, dass der Verein seine Proben wieder im vertrauten Bing abhalten kann - einem Ort, der für viele Erinnerungen steht und nun als ehrenamtlich betriebene Begegnungsstätte neues Leben erfahren hat. Auch das zeigt: Treis lebt vom Miteinander - und die Sängervereinigung ist ein fester Bestandteil dieses Gemeinschaftsgefühls.

Der Sängereinigung 1865 Treis/Lda. mit all ihren Mitstreitenden wünsche ich weiterhin ganz viel Erfolg, Freude und verdiente Wertschätzung für ihre wertvolle Arbeit.

Die große Beliebtheit der Treiser Sängervereinigung zeigte sich auch an der Vielzahl der Gästechöre, die das Konzert abrundeten. Neben den „auswärtigen“ Chören Regenbogen aus Londorf und dem MGV aus Bauerbach begeisterten das Publikum auch die heimischen Chöre Voice Factory aus Mainzlar, Gesangsverein Harmonie aus Daubringen und Cantiamo aus Staufenberg. Nicht vergessen möchte ich dabei CHORizonte, den Erwachsenenchor de ev. Kirchengemeinde Treis, und den Mandolinenverein Treis.

Alle Gruppen begeisterten das Publikum mit einem fantastischen Auftritt. Das Jubiläumskonzert der Sängervereinigung Treis wird bei vielen noch lange in guter Erinnerung bleiben.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Peter Gefeller
Bürgermeister