Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
am letzten Sonntag haben 5.328 Staufenbergerinnen und Staufenberger ihre Wahl zum 21. Deutschen BUNDESTAG getroffen. Bei 6.298 Wahlberechtigten entsprach dies einer bemerkenswert hohen Wahlbeteiligung von 84,6 Prozent. Sie lag damit noch um 2,1 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, der mit 82,5 Prozent schon sehr hoch war.
Damit diese Wahl so reibungslos ablaufen konnte, bedurfte es wieder vieler Helferinnen und Helfer, die über den ganzen Tag die Wahl sicherstellten und anschließend bis spät in den Abend hinein mit dem Auszählen der Stimmzettel beschäftigt waren. Im Namen des Magistrats möchte ich mich an dieser Stelle bei diesen Menschen ganz herzlich bedanken. Erst durch ihr ehrenamtliches Engagement konnte die Wahl sicher ablaufen.
Ohne den Einsatz von engagierten Bürgerinnen und Bürgern ist die Durchführung einer Wahl mit vier Wahl- und zwei Briefwahlbezirken nicht durchführbar. Deshalb kann es nicht hoch genug geschätzt werden, dass viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ihren freien Sonntag opferten, um unser aller Grundrecht auf eine allgemeine, freie und geheime Wahl zu sichern. Herzlichen Dank für diesen Einsatz! Für ihre Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl gilt nicht zuletzt mein Dank auch den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Verwaltung. Gerade sie waren in allen Wahllokalen die Stützen der Wahlvorstände.
Mit einer in Hessen bisher einmaligen Erklärung haben in der letzten Woche die Dezernenten des Landkreises Gießen mit Landrätin Anita Schneider an der Spitze gemeinsam mit allen 18 Bürgermeistern aller Kreiskommunen die an Bund und Land gerichtete Resolution „ERKLÄRUNG DES GIESSENER LANDES“ unterzeichnet. Heute möchte ich Ihnen erklären, worum es uns hierbei geht.
Unsere Städte und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen. Die finanzielle Situation vieler Kommunen ist dramatisch. Als Bürgermeisterin und (Ober)-Bürgermeister des Landkreises Gießen haben wir gemeinsam mit den Verantwortlichen des Landkreises eine deutliche Forderung an Bund und Land gestellt: Die kommunale Selbstverwaltung darf nicht nur ein Verfassungsrecht auf dem Papier sein - sie muss auch in der Praxis funktionieren!
Die Realität sieht leider anders aus: Während immer mehr Aufgaben per Gesetz auf die Kommunen übertragen werden, bleibt die finanzielle Ausstattung weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Fast 98 Prozent aller kommunalen Aufgaben sind Pflichtaufgaben - das heißt, wir müssen sie erfüllen, egal ob das Geld reicht oder nicht. Gleichzeitig steigen die Kosten für elementare Dienstleistungen wie Trinkwasserversorgung, Straßenunterhaltung oder Kinderbetreuung, während die öffentliche Finanzierung stagniert oder sogar zurückgeht.
Kommunen haben kaum noch Luft zum Atmen
Besonders besorgniserregend ist, dass der kommunale Anteil am Steueraufkommen mit nur 15 Prozent viel zu gering ist, obwohl die Kommunen rund ein Viertel aller staatlichen Aufgaben übernehmen. Das bedeutet, dass wir für immer mehr Aufgaben immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Die Folge sind defizitäre Haushalte und die Notwendigkeit, Kreis- und Schulumlagen zu erhöhen - eine Maßnahme, die viele Städte und Gemeinden an die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit bringt. Wir erleben, dass zahlreiche Kommunen schlicht nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben aus eigener Kraft zu erfüllen.
Ein Beispiel ist der dringend benötigte Ausbau der Ganztagsbetreuung an unseren Schulen. In den nächsten Jahren müssen allein im Landkreis Gießen rund 40 Millionen Euro in zusätzliche Räume und Plätze investiert werden. Doch aus dem Investitionsprogramm des Bundes stehen gerade einmal 6,7 Millionen Euro zur Verfügung. Ähnlich dramatisch ist die Lage im sozialen Bereich: Die Kosten für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung belaufen sich im Landkreis Gießen auf über 21 Millionen Euro pro Jahr - erstattet werden aber nur 250.000 Euro.
Bürokratie abbauen, Standards senken, Kommunen stärken
Gleichzeitig werden wir mit immer detaillierteren Vorgaben und Standards konfrontiert, die die Bürokratie aufblähen, aber den Menschen vor Ort oft wenig bringen. Die Umsetzung von Gesetzen wie dem Gute-Kita-Gesetz oder dem Telekommunikationsgesetz stellt die Kommunen vor enorme personelle und finanzielle Herausforderungen - ohne dass eine entsprechende Gegenfinanzierung bereitgestellt wird.
Daher fordern wir gerade von einer neuen Bundesregierung nicht nur eine angemessene Finanzierung der uns übertragenen Aufgaben, sondern auch eine Reform des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Es muss darüber diskutiert werden, welche Anforderungen sinnvoll, realistisch und umsetzbar sind. Weiter gilt es, die überbordende Bürokratie abzubauen und die immer feingliedrigeren Standards zu hinterfragen. Weniger Bürokratie kann oft mehr bewirken als immer neue gesetzliche Detailvorgaben.
Kommunale Selbstverwaltung bedeutet gelebte Demokratie
Unsere Städte und Gemeinden sind das Fundament unserer Demokratie. Sie sind es, die Daseinsvorsorge und Bürgernähe garantieren. Wenn wir die kommunale Handlungsfähigkeit weiter einschränken, gefährden wir nicht nur die Qualität öffentlicher Dienstleistungen, sondern auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Institutionen. Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spannungen müssen wir alles dafür tun, um eine weitere Spaltung zu verhindern.
Deshalb setze ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Landkreis Gießen dafür ein, dass Bund und Land endlich handeln. Wir brauchen eine faire Finanzierung unserer Aufgaben - für starke Kommunen, eine funktionierende Demokratie und lebenswerte Städte und Gemeinden.