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Ausgabe 1/2023
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„Jedes Ding kann zum Andenken werden“

Reisesouvenirs: kleine Geschichten im Gepäck

Ob Miniatur-Eiffelturm aus Plastik, quietschbunter Kühlschrankmagnet oder wertvoller Seidenschal: Die meisten bringen aus dem Urlaub ein Souvenir mit. Warum eigentlich? Und warum kommt es da nicht unbedingt auf Schönheit an?

Manche lassen von vornherein etwas Platz im Urlaubsgepäck. Schließlich soll da noch Raum für ein Mitbringsel sein. Andere sind nicht ganz so planvoll und lassen sich überraschen, was sie in den Ferien finden, das es wert ist, gekauft und mit nach Hause befördert zu werden. Notfalls in einer Tasche, die man extra für den Transport eines größeren Souvenirs ersteht. „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“, dichtete Matthias Claudius vor mehr als 200 Jahren. Stimmt - aber mitbringen kann er auch etwas.

Ein Mitbringsel war bereits den Menschen wichtig, die in die Ferne aufbrachen, als man sich Tourismus in seiner heutigen Form wohl noch nicht vorstellen konnte. „Souvenirs von Fahrten ins Heilige Land und nach Jerusalem gehörten schon in der Renaissance zum Bestand vieler fürstlicher Kunst- und Wunderkammern. In den bürgerlichen Raritätenkabinetten des 17. und 18. Jahrhunderts waren solche Gegenstände ebenfalls zu finden“, heißt es im Begleittext zur Ausstellung „Pilgerspuren“, die das Museum Lüneburg vor einigen Jahren zeigte.

Kühlschrankmagneten sind besonders beliebt

Raritäten? Das bringt man heute eher selten von einer Reise mit. Laut dem Onlinedienst Statista waren 2017 Kühlschrankmagnete das beliebteste Souvenir europäischer Reisender. Immerhin 48 Prozent der Umfrageteilnehmenden haben so einen Magneten erstanden. Auch lokale Spezialitäten (40 Prozent) und Schlüsselanhänger (38 Prozent) erfreuen sich großer Beliebtheit.

Doch warum begeben wir uns in den Ferienwochen überhaupt so gern auf die Suche nach einem Andenken? Warum stöbern wir dafür in manchmal muffigen Läden oder an überladenen Verkaufsständen?

Laut Katharina Koppenwallner, Kunsthistorikerin und Autorin des Buches „Souvenirs. 50 Dinge, die es hier nicht gibt“ (Verlag Kein & Aber), bringen wir das Andenken schlicht als „Erinnerung an die Reise“ mit, die wir gemacht haben. Getreu dem französischen Verb „se souvenir“, auf Deutsch: erinnern. Mit dem Stück ist es, „als verlängert man die Reise“, sagt sie. Allerdings hat wohl nahezu jeder und jede schon die Erfahrung gemacht, dass nicht bei jedem Mitbringsel die Freude zu Hause ungetrübt ist. Der Wein, der an den Urlaubsabenden mit Blick aufs Meer so köstlich schmeckte, ist am heimischen Esstisch nur noch mittelmäßig.

Was macht ein gutes Souvenir aus?

Für Koppenwallner hat ein gutes Souvenir „etwas mit dem Land zu tun und ist im besten Fall von Hand hergestellt und hat einen traditionellen Hintergrund“. Genormte Massenware ohne Seele, die man am Flughafen kaufe, zähle vielleicht nicht zu den allerbesten Andenken. „Aber eigentlich ist doch alles schön, was man mitbringt - ob für sich oder für andere als Geschenk“, meint die Autorin.

Oft kommt es bei einem Andenken nicht darauf an, ob und wie es in der Urlaubsregion tatsächlich verankert ist. Sondern es geht um die Gefühle, die damit verbunden sind, und um die Geschichte, die es erzählt. „Prinzipiell kann jedes Ding durch eine entsprechende Gründungsszene zum Andenken werden“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Christiane Holm im „Handbuch Literatur & Materielle Kultur“. Sprich: Der besonders geformte Stein, den wir bei einem romantischen Spaziergang finden, kann zum Andenken werden.

Wichtig ist bei einem Souvenir eben die Geschichte, die sich damit erzählen oder erinnern lässt. Dieses „Weißt du noch, wie wir im Urlaub immer an diesen Ständen mit Halstüchern und Strohhüten vorbeigekommen sind? Weißt du noch, wie redselig der Kachelverkäufer in Sevilla war?“ Mitunter erzählt auch ein Kühlschrankmagnet eine Geschichte - und sei es die, dass man auf den letzten Drücker vor dem Rückflug noch in den Flughafenshop gerast ist, um überhaupt irgendetwas mitzubringen.

Souvenirs sind präsenter als Fotos

Und manchmal kommt es vielleicht gar nicht so sehr auf das Objekt an, sondern mehr darauf, wie man es entdeckt hat. Für Koppenwallner ist gerade die Suche nach einem Souvenir besonders spannend - „wenn man sich in einen Töpferort aufmacht oder auf eine Dattelplantage, um direkt vom Erzeuger zu kaufen, oder zu einem Parfümhersteller in Grasse, dann ist das doch eine interessante Art, ein Souvenir zu finden“, sagt sie. Eine getöpferte Schale und ein Parfüm lassen sich zu Hause tatsächlich nutzen. Immer, wenn man es dort zur Hand nehme, erinnere man sich an den Urlaub, meint die Kunsthistorikerin.

Darin seien Souvenirs Fotos haushoch überlegen. Wir können noch so viele Aufnahmen mit dem Smartphone machen - im besten Fall klickt man sich in den eigenen vier Wänden ab und an durch die Sammlung. Selten jedoch sind diese Bilder im Alltag so präsent wie es ein Produkt ist, das sich nutzen, benutzen, anfassen, verbrauchen lässt.

Allerdings: Es gibt natürlich auch Menschen, die eine Reise ohne Souvenir beenden - und sich auch ganz ohne Kühlschrankmagnet an den jüngsten Urlaub erinnern. Möglicherweise sogar gern.