Der erneute Blick auf die Uhr zeigt, dass man schon längst schlafen sollte. Doch das will einfach nicht gelingen. Wer unter einer Insomnie leidet, erlebt dieses Szenario beinahe jede Nacht. Wie man die Krankheit diagnostiziert und therapiert - und was sie von normaler Schlaflosigkeit unterscheidet.
Dass den Begriff Insomnia viele Menschen kennen, ist einer britischen Band zu verdanken. Mitte der Neunzigerjahre preschte der Song „Insomnia“ von Faithless in zahlreichen Ländern auf die vorderen Plätze der Musikcharts. Das Lied startet friedlich. Der psychedelisch anmutende Klang von Synthesizern erinnert an den Moment kurz vorm Einschlafen. Doch plötzlich hämmert der Beat. Das Tempo steigt, die Synthesizer hören sich nun bedrohlich an. „Insomnia - I can’t get no sleep“, rappt Maxi Jazz. Auf Deutsch: „Ich kann nicht schlafen“.
Sich manchmal die ganze Nacht hin und her zu wälzen und sich nach dem Aufwachen erschöpft zu fühlen, ist ganz normal. Doch ab wann gilt mieser Schlaf als Insomnie - und was hilft? Fragen und Antworten rund um die Schlaflosigkeit.
Unter einer Insomnie verstehen Fachleute „eine chronische Schlafstörung, welche die Tagesbefindlichkeit beeinträchtigt“. So ist es auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) nachzulesen. Von Insomnie Betroffenen fällt das Ein- und Durchschlafen schwer. Die Dauer des Schlafes ist zu kurz und die Qualität mies. Und das alles, obwohl genug Zeit zum Schlafen wäre, das Bett bequem und der Raum ruhig ist. Als Folge starten die Betroffenen erschöpft in den Tag. Sie fühlen sich wie gerädert.
Zu den typischen Symptomen am Tag nach der unruhigen Nacht zählen Müdigkeit, depressive Verstimmungen, Reizbarkeit, allgemeines Unwohlsein und kognitive Beeinträchtigungen - also etwa Fahrigkeit oder verminderte Konzentration. So ist es in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) der Weltgesundheitsorganisation beschrieben.
Doch manche Menschen kommen trotz schlechten Schlafs gut durch den Tag. „Personen, die über schlafbezogene Symptome berichten, ohne dass es tagsüber zu einer Beeinträchtigung kommt, gelten nicht als an einer Schlaflosigkeitsstörung leidend“, ordnet die Weltgesundheitsorganisation ein.
Ursachen für Insomnien gibt es viele. Erkrankungen der Schilddrüse oder der Lunge sowie eine chronische Nierenschwäche, Depressionen oder Ängste zählen dazu.
Ärztinnen und Ärzte können verschiedene Formen der Insomnia disorders diagnostizieren, also Schlaflosigkeitsstörungen. Die ICD-11 unterscheidet zwischen chronischer Schlaflosigkeit, kurzfristige Schlaflosigkeit und nicht näher bezeichnete Schlaflosigkeitsstörungen. Damit die Insomnie als chronisch gilt, müssen sie und die daraus resultierenden Symptome am Tage mindestens drei Monate und mehrmals pro Woche auftreten.
Die DGSM nennt drei Kriterien:
| • | Die Betroffenen bemühen sich darum, gute Bedingungen fürs Schlafen zu schaffen. Trotz dieser Schlafhygiene bleibt der Schlaf schlecht. |
| • | Die Betroffenen sind tagsüber sehr müde. |
| • | Es treten depressive Verstimmungen, Ängste oder andere psychische Störungen auf. |
Wichtig ist es, die Ursache zu erkennen und zu beseitigen. Ein Beispiel: Schläft jemand aufgrund von Schmerzen schlecht, können Physiotherapie oder das Ändern der Dosis bereits verordneter Schmerzmittel auch gegen die Schlaflosigkeit helfen.
Bei einer diagnostizierten Insomnie empfehlen Ärztinnen und Ärzte häufig eine kognitive Verhaltenstherapie. Deren Ziel ist es, „Denkmuster und Verhaltensweisen zu verändern, die den Schlaf beeinträchtigen“, erklärt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Eine weitere Maßnahme ist das Überweisen an ein Schlaflabor. Dort arbeiten Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen in einem Team und beobachten Patientinnen und Patienten vor Ort während des Schlafens.
Auch Medikamente können gegen Schlaflosigkeit helfen. Aber Achtung: „Verschreibungspflichtige Schlaf- und Beruhigungsmittel haben viele Nebenwirkungen und können schnell abhängig machen“, warnt das IQWiG. Solche Medikamente kämen nur bei schweren Schlafstörungen, wenn keine andere Therapie geholfen hat und zeitlich begrenzt infrage, damit Patientinnen und Patienten wieder etwas Kraft schöpfen können.
Hilfreich ist zum Beispiel ein Schlaftagebuch. Darin notiert man, wie gut oder schlecht der Schlaf war und was am Vortag oder in der Nacht passiert ist. Das Schlaftagebuch hilft Betroffenen dabei, Zusammenhänge zu erkennen, die im Alltagstrubel sonst untergehen. Ärztinnen und Ärzte können anhand der Aufzeichnungen besser einschätzen, wie schwer das Schlafproblem ist.
Bei leichten Formen der Insomnie kann es helfen, die eigenen Gewohnheiten rund um das Schlafen zu verbessern. „Dazu gehört, vor dem Schlafengehen nur leichte Mahlzeiten sowie alkohol- und koffeinfreie Getränke zu sich zu nehmen, das Bett nur zum Schlafen zu benutzen und erst dann ins Bett zu gehen, wenn man müde ist“, erklärt das IQWiG.
Entspannung fördert den Schlaf. Dementsprechend können Techniken wie progressive Muskelentspannung oder autogenes Training hilfreich sein, ebenso Atemübungen, Meditation, Yoga - oder ganz einfach ein ausgiebiger Spaziergang am Abend.
Manche Menschen nutzen Hausmittel. Sie trinken vor dem Schlafen ein Glas Milch mit Honig oder Kamillentee oder nehmen ein warmes Fußbad. Letztlich ist es ein Ausprobieren. Aussagekräftige Studien, was beim Schlafen hilft, seien bisher rar, so das IQWiG.
Alkohol ist übrigens nicht förderlich fürs Schlafen. Manche Menschen schlummern nach einem Glas Wein zwar schneller ein. Auf die gesamte Nacht bezogen führt Alkohol aber dazu, dass man unruhiger und damit schlechter schläft.
Etwa 4 Prozent der Deutschen leiden unter einer schweren Form der Insomnie, so die DGSM. Von Ein- und Durchschlafstörungen ist mindestens ein Fünftel der Menschen in Deutschland betroffen. Das IQWiG nennt etwas höhere Zahlen. Ein Drittel der Menschen könne schlecht ein- oder durchschlafen. 6 Prozent litten unter einer Schlafstörung.
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Wann haben Sie das letzte Mal so richtig gut geschlafen? Wer sich daran nicht erinnern kann, ist nicht alleine. Ein Drittel der Deutschen hat einen fragilen Schlaf, sagt Hans-Günter Weeß, psychologischer Psychotherapeut und Leiter des interdisziplinären Schlafzentrums des Pfalzklinikums in Klingenmünster. Fakt ist: Sechs von zehn Menschen leiden an Ein- und Durchschlafstörungen. Dabei ist Schlaf sehr wichtig für den Menschen. Unser Organismus benötigt ihn, um das Immunsystem zu regenerieren, den Stoffwechsel zu regulieren, die Muskulatur loszulassen und den Geist fit zu halten.
Die folgenden 13 Tipps können beim Einschlafen helfen.
Wenn es mit dem Schlafen mal gar nicht klappen will, sollte man versuchen, das zu akzeptieren. Der Körper kann eine kürzere Nacht wegstecken. Setzt man sich unter Druck, führt das zu Anspannung, die das Einschlafen verhindert. Es hört sich vielleicht zu einfach an, um wirklich als Tipp zu gelten, aber: „Die eigenen Sorgen und Nöte sollte man vor der Schlafzimmertür lassen - und nicht ans Schlafen denken“, erklärt Weeß. Wer seinen Schlaf nämlich zu ernst nehme, kommt in die Anspannung und schläft nicht ein.
Nach der Arbeit direkt ins Bett? Besser nicht. Wer den Arbeitstag bewusst abhakt und den Feierabend genießt, dem gelingt es leichter, auf Entspannung umzuschalten.
Von Einschlafritualen, etwa einer Bettlektüre oder einem warmen Bad, profitieren nicht nur Kinder. Sie helfen dem Körper, auf Entspannung umzuschalten. Spazieren gehen, Musik hören oder Entspannungsverfahren, beispielsweise Meditationen, können dazu beitragen, zur Ruhe zu kommen. Auch Sex halten Schlafforschende für entspannend und letztlich schlaffördernd. Um einschlafen zu können, ist Entspannung nämlich enorm wichtig.
Laut dem Schlafforscher Christian Benedict vom Institut für Neurowissenschaften an der Universität Uppsala in Schweden können Routinen dabei helfen. Schlafmedizinerin Dora Triché, die das Schlaflabor am Klinikum Nürnberg leitet, rät außerdem dazu, möglichst wenig Zeit wach im Bett zu verbringen und dort nicht Fernsehen zu schauen. „Das Bett sollte der Ort sein, an dem der Kopf weiß: Hier wird geschlafen“, sagt sie. Gut sei es, eine entspannte Haltung zu gewinnen, sich in das Kissen zu kuscheln und schöne Gedanken zu machen, meint Weeß.
Weeß erklärt, dass einigen Menschen auch Fantasiereisetechniken zum Einschlafen helfen. Dazu helfen etwa Erinnerungen an einen schönen Urlaub - im Internet finden sich aber auch geführte Fantasiereisen. Das Gehirn ist so beschäftigt und kann in keine Grübelei abgleiten. „Manche Menschen schlafen auch zu Hörbüchern, Podcasts oder sogar vor dem Fernseher gut ein“, erklärt Weeß.
Ein Glas Wein am Abend kann zwar dabei helfen, schneller einzuschlafen - insgesamt verschlechtert Alkohol die Schlafqualität aber gravierend. „Dann wird der Tiefschlaf unterdrückt und wir haben in der zweiten Schlafhälfte mehr Wachphasen, mehr Albträume und mehr Weckreaktionen“, erklärt Weeß. Auch auf Koffein reagieren einige Menschen sehr empfindlich: Wer dazu gehört, sollte ab etwa 13 Uhr weder Kaffee noch Schwarztee trinken.
Nach umfangreichen Menüs schläft es sich schlecht. Besser ist es, abends in Maßen zu essen und zu trinken. Manchen Menschen hilft es, tryptophanreiche Kost wie dunkle Schokolade, Nüsse oder Milch zu sich zu nehmen. Wenig empfehlenswert sind größere Mengen Salz, zum Beispiel in Form von Chips oder Knabberstangen, weil sie den Blutdruck in die Höhe treiben können.
Menschen, die zu Schlafproblemen neigen, gehen nach der Erfahrung von Schlafforschenden oft zu früh ins Bett. Wer sich abends erst dann hinlegt, wenn er richtig müde ist, schläft in der Regel leichter ein und besser durch. Deshalb sollte man insgesamt nicht zu lange schlafen und auf längere Nickerchen tagsüber verzichten.
Wer regelmäßig Sport treibt, schläft insgesamt besser und ist entspannter. Empfehlenswert ist vor allem, sich bei Tageslicht an der frischen Luft zu bewegen. Achtung: Vor dem Zu-Bett-Gehen sollte man eine Aktivitätspause einlegen. Nehmen die Augen nämlich noch spätabends Blaulicht auf, beispielsweise vom Smartphone oder Laptop, kann das den Körper wieder wacher machen. Daher empfiehlt es sich, Handy und Co. vor dem Schlafengehen nicht mehr zu benutzen und zum Beispiel eher ein gutes Buch zu lesen.
Uhren in der Nähe des Bettes können stören. Wer nicht einschlafen kann und ständig nachschaut, ärgert sich. Braucht man zum Aufwachen einen Wecker, stellt man ihn besser unters Bett.
Kann man längere Zeit nicht mehr einschlafen und wird deshalb unruhig, sollte man besser aufstehen und einer ruhigen Tätigkeit nachgehen. Sich im Bett herumzuwälzen und zu ärgern ist kontraproduktiv. Auch wenn es schwerfalle, sollte man dann gelassen bleiben, rät Schlafforscher Weeß. Sich Druck zu machen und die Stunden bis zum Weckerklingeln zu zählen erzeuge Stress. Aufzustehen und etwas Entspannendes zu tun, wie zum Beispiel ruhige Musik zu hören, könne jedoch müde machen.
Beim weißen Rauschen handelt es sich um „eine Mischung aller hörbaren Tonfrequenzen“, wie im Stangl-Lexikon für Psychologie nachzulesen ist. Oder einfacher ausgedrückt: White Noise klingt wie ein ziemlich eintöniges Rauschen, das Menschen beim Einschlafen helfen soll. „Ich persönlich halte diesen Hype um das weiße Rauschen für übertrieben“, sagt Weeß. Im Schlafzentrum behandeln seine Kolleginnen, Kollegen und er Tausende von Patientinnen und Patienten quer durch alle Altersgruppen. Dass jemand davon berichtet, mit weißem Rauschen einzuschlafen, sei „ganz, ganz selten“. Einen Versuch ist es aber wert.
Diese uralte Tradition könne Weeß zufolge das Einschlafen tatsächlich etwas begünstigen - denn Milch enthält L-Tryptophan. „Wegen der Kohlenhydrate im Honig kann der Stoff leichter die Blut-Hirn-Schranke passieren und im Gehirn weiter zu Melatonin verstoffwechselt werden“. Weeß vermutet aber, dass weniger die Substanzen, als vielmehr die Handlung beruhigend wirke. Ich gehe in die Küche, tue mir etwas Gutes und mache mir eine Milch warm. Das sei ein kleines, entspannendes Schlafritual.
Die Wirksamkeit dieser Methode ist keinesfalls erwiesen. Wer aber nicht einschlafen kann, kann es einmal versuchen. Bei der 4-7-8-Methode wird erst vier Sekunden lang durch die Nase eingeatmet, dann hält man sieben Sekunden die Luft an und lässt sie anschließend acht Sekunden lang wieder hinaus.
Einschlafprobleme sind zunächst einmal nicht dramatisch oder gefährlich. Jeder und jede hat von Zeit zu Zeit mit ihnen zu kämpfen, das sei normal, sagt Thomas Penzel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und Wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité. Problematisch wird es erst, wenn die Einschlafstörungen länger anhalten. Sind sie nach vier Wochen noch immer nicht verschwunden und treten sie jede Woche mindestens dreimal auf, sollte man sich ärztlichen Rat suchen.
Manchmal liegen die Schlafprobleme aber auch gar nicht an einem selbst. So schlafen zwar gerade junge Menschen besonders gut, wenn sie das Bett mit Partnerin oder Partner teilen. „Das ändert sich aber im Alter“, weiß Ingo Fietze, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Berlin. Die Wahrscheinlichkeit für Schlafstörungen sei Fietze zufolge im Alter höher und der Schlaf daher besser, wenn man allein und in einer komfortablen Umgebung schläft.
Der Griff zur Schlaftablette sollte übrigens besser nur eine Ausnahme sein. „Bei Schlaftabletten handelt es sich eigentlich um Beruhigungsmittel“, erklärt Weeß. „Die sind wie ein chemischer Hammerschlag auf den Kopf, sodass das Gedankenkreisen aufhört“. Nachhaltig wirke diese Methode Weeß zufolge nicht.
Quelle: https://www.rnd.de