Für ein Schachspiel (Beitrag letzte Woche) wurde ein Schachbrett benötigt, das aus abwechselnd weißen und schwarzen Karo-Flächen bestand. Das einfachste wäre eine Bemalung auf einem Stück Sperrholz gewesen. Beliebt war unter den kreativen Bergleuten und später auch in der Arbeiterschaft das Basteln von Schachbrettern aus Streichhölzern.
Streichhölzer waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts begehrte neue Materialien mit einem „wiederverwertbaren“ Abfall. Am meisten wurden die Hölzchen zum Anzünden des Feuers im Küchenherd und der Zigaretten der Raucher benutzt. Nach dem Anzünden wurden sie sofort durch Schütteln in der Hand gelöscht und in einigen Familien wurden sie in einer leeren Streichholzschachtel gesammelt, um sie wieder verwenden zu können.
Für die Bergleute mithin ein wunderbares Bastelmaterial – nicht nur für ein Schachbrett.
Für ein Schachbrettkaro benötigten die Bastler etwa 18 bis 20 Hölzchen und das bedeutete, dass sie für das gesamte Brett 32 Schachteln voll Streichhölzer benötigten. Einige der Bastler schnitten mit einer Laubsäge die unbenutzten Streichholzköpfe ab. So war garantiert, dass sie auf den Hölzchen kein Brandspuren hatten und die Hölzchen auch in gleicher Länge zum Basteln dienten. Das Kürzen der Hölzchen geschah durch ein Nebeneinanderlegen der Hölzchen auf das Laubsäge-Brettchen und gleichseitiges Pressen mit einen zweiten Brettchen in der linken Hand.
Eine Schachtel Streichhölzer kostete noch in den 1950er Jahren fünf Franken. Das klingt nach sehr geringen Kosten. Für das fertige Brett wurden mithin 1,60 Franken benötigt. Zum Vergleich: Ein Brot mit einem Gewicht von einem Kilogramm kostete in diesen Jahren etwa die Hälfte und 200 Gramm Schokolade waren auch billiger, als die Streichhölzer für ein Schachbrett.
Schachbastleien der Bergleute verschwanden nicht mit dem Einstellen des bergmännischen Holzverbaues untertage. Mutterklötzchen gab es zwar nun nicht mehr, doch die Arbeiter waren, das Schachspiel betreffend, zu einem neuen Material übergegangen: Lindenholz, aus dem sie in gleicher Weise die Figuren drechselten, wie im Beitrag der Vorwoche beschrieben.
Die beiden Beispiele dieses und des letzten Sellemòls-Beitrages zeigen noch einmal, dass die saarländische Arbeiterkultur wirklich ein Stück erhaltenswertes Wissen vermittelt, das es gilt, der Nachwelt zu bewahren.
Gunter Altenkirch