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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 16/2024
Sellemòls in der Gemeinde
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Bucheln

Unsere Abendnachrichten berichten uns in den letzten Zeiten immer wieder von Hungerkatastrophen in Kriegsgebieten.

Den Alten in unseren Dörfern sind derartige Situationen aus eigener Erinnerung noch bekannt, besonders aus dem letzten Krieg und der Nachkriegszeit. Das, was damalige Vorteile für uns waren, war das Wissen der noch älteren Leute auf den Dörfern, vor allem das der Frauen: In vergangenen Jahrhunderten lebten unsere Vorfahren von den Feld-, Wald- und Wiesenfrüchten, die sie in der Sommerzeit sammeln oder ernten konnten. In der Winterzeit nahmen die Vorräte immer mehr ab. Im Frühling bescherte uns die Natur vor allem viele Kräuter, die den Mittagstisch wieder garantierten und dazu zählte etwas, was heute fast gänzlich aus unserem Gedächtnis verschwunden ist. Für diese „Ernte“ im Frühlingswald kannten die Alten sogar ein eigenes Mundartwort, das Wort „bucheln“ oder „buchele“.

Derartiges Ernten im Wald war grundsätzlich verboten, doch viele Familien wichen dem Förster aus und taten es trotzdem: Die Buchenbäumen trieben bereits im ausgehenden März und Anfang April die genießbaren Blätter. Die tief hängenden Zweige wurde von den Frauen mit der linken Hand erfasst und mit der rechten rissen sie die Blätter ab, indem sie die geschlossene Hand mit einem „Ruck“ in Richtung Stamm durchzogen. Das Ergebnis war eine kleine Hand voll junger Buchenblätter, die schnell in einer Tasche verschwanden. Dieses Grünzeug wurde dem Salat beigemischt, meist jedoch dienten sie, wie viele Kräuter des Frühlings, einer Anreicherung der dicken Suppen. Zu Kartoffeln wurden Buchenblätter auch zusammen mit anderen Frühlingskräutern zu einer Art Spinat verarbeitet.

Junge Buchenblätter sind mineralienreich und enthalten viel Protein. Ihr Geschmack übertönt nicht die Salate oder Suppen, wie zum Beispiel die jungen Blätter des Weins.

Wir haben heute - Gott sein Dank - keine armen Zeiten mehr, wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts, aber wir sind heute offener für natürliche Lebensmittel geworden, so darf ich Ihnen einen guten Appetit zu Ihrer Kostprobe wünschen.

Gunter Altenkirch