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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 16/2025
Sellemòls in der Gemeinde
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Brauchtum Judasverbrennen

Mit dem Ausgang der Karwoche gab es seit dem Frühmittelalter einen Brauch, der uns im Laufe des 20. Jahrhunderts – wohl durch unsere Aufarbeitung der NS-Zeit - abhandenkam: Das Judasverbrennen.

Das Münchener Forschungsinstitut für Zeitgeschichte entschloss sich 2024, den Brauch deutschlandweit aufzuarbeiten und dazu schrieb es alle landeskundlichen Institute in der Republik an. Die Saarländer, und wohl nicht die einzigen, teilten dem Institut mit, dass es hier kein Wissen mehr über den uralten Brauch gäbe, unterrichteten mich jedoch und ich konnte dem Münchner Institut zu diesem Brauch eine Reihe hiesiger Zeitzeugenberichte übersenden, was die Wissenschaftler sehr freute:

Seit dem Frühmittelalter pflegte die christliche Kirche einen alten Brauch: Judas hatte Jesus verraten, so dass unser Herrgott den Kreuzestod erleiden musste. Dafür sollte Judas zu Gericht gebracht und verurteilt werden.

Der Brauch sah diese Handlungen am Karsamstag vor. Im Saarraum lebte der Brauch bis in den Zweiten Weltkrieg. Danach verschwand er, wohl wegen der Judenverfolgung im Dritten Reich, denn der Brauch hieß wahrscheinlich seit Jahrhunderten in unserer Mundart auch „Juddverbrenne“ für Judasverbrennen und davon berichteten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen folgendes:

In den Kirchengemeinden bildete sich nach dem Karfreitag eine Gruppe von Helfern, die Verurteilung und Hinrichtung Judas vorzunehmen. Aus der örtlichen Kirchengemeinde waren viele Zuschauer gekommen, um das „Spiel“ erleben zu dürfen. Dazu wurde aus Stroh und alten Lumpen eine menschliche Figur gebastelt, eben der Judas. Dieser wurde vor ein Gericht geladen und hingesetzt. Das Gericht, bestehend aus einigen Personen der Gruppe, verurteilte ihn schließlich wegen des Verrates an die Pharisäer zum Tode. In den meisten Dörfern wurde er zunächst an einem Baum, meist an einer Buche, erhängt. In vielen Dörfern trugen diese Bäume einen eigenen Namen, wie z. B. in Bebelsheim die Judasbuche.

Dieser Brauch ähnelte sehr dem Erhängen des Kerwehonnes, wie es immer noch in Rubenheim nach der Kirmes üblich ist. Anschließend wurde der Judas verbrannt.

Hier beginnt in den mündlichen Berichten eine Verwechslung mit dem Osterfeuer. Einige Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichteten, dass die Menschen am Ostertag gerne von der Asche des Judasfeuers gesammelt hätten, um sie in Heilkunde, Viehheilkunde und anderen magischen Gelegenheiten anzuwenden. Doch älteren Berichten zufolge galt die Asche des Judas als unrein – im Gegensatz zu der Osterasche, aus der die Dorfbewohner diese Kohlenstückchen sammelten.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein friedvolles Osterfest.

Gunter Altenkirch