Seit dem Ende des 19. Jahrhundert berichteten Lehrer und Pfarrer gerne über die Gräfin Marianne von der Leyen. Sie erfanden viele gute Geschichten, obwohl in den Archiven gegenteilige Berichte zu lesen waren und sind.
Zeitzeugen, die in langen Maiabenden ebenfalls von ihrer Gräfin erzählten, sahen in ihrer Regierungszeit viele menschenverachtende Erfahrungen ihrer Vorfahren. Und zu diesen Beispielen müssen auch die von der Herrschaft gesetzlich geregelten Kirchenstrafen gerechnet werden. Erstaunt waren die Menschen über eine gesetzeskonforme Regelung, mit der die Gräfin das Fernbleiben von den katholischen Messen und Gottesdiensten als strafbare Handlung betrachtete und sühnen ließ.
Gut, derartige Strafen gab es auch in anderen Herrschaften, den hiesigen Bewohnern blieb die Durchsetzung solcher Strafen jedoch nur aus ihrem Wohngebiet in Erinnerung.
In einer Kirchenrechnung der Pfarrei Medelsheim aus dem Rechnungsjahr 1761/62 hieß es, dass Kirchenbesucher Valentin Weißer, Johann Binger, Caspar Bauer und Johann Conrad wegen ungebührlichen Verhaltens während der Messen zur Abgabe von je einem Pfund Bienenwachs gestraft wurden.
Und im Jahr 1767 verdonnerte der Pfarrer Mathis Kirchensäumige zu je vier Gulden Strafe.
Das war eine sehr hohe Strafe, die viele Bewohner der Parr in die Schulden stürzte.
Gulden waren Goldmünzen. Historiker vergleichen den Wert dieser Goldmünzen etwa mit zehn bis zwölf Euro. Man bedenke allerdings, dass derartige Löhne in der besprochenen Zeit kaum gezahlt wurden - pro Monat versteht sich.
Das war kein Vorgang alleine in Medelsheim! Kirche und Fürstentümer besaßen auf diese Weise gleiche Vorstellungen von der jeweiligen Dorfordnung und übten sie auch aus.
Im angesprochenen Fall schuf die Gräfin von der Leyen ein Gesetz mittels Kirchenstrafen. Sie schuf auf diese Weise die diktatorische Möglichkeit einer großen Unterstützung ihrer persönlichen und uneingeschränkten Machtausübung im Staat durch die Kirche.
Durch das einstige abendliche Maien blieb das kollektive Gedächtnis der Dörfler erhalten. Es deckte sich in diesem Fall mit den Niederschriften im Medelsheimer Pfarrarchiv.