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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 24/2023
Sellemòls in der Gemeinde
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Jungfernkehlcher

Wenn wir heute durch den Bliesgau wandern, entdecken wir keine Kartoffelfelder mehr. Einst spielten sie in unserer Landschaft eine große Rolle, besonders solche der Nebenerwerbsbauern. Deren Felder waren klein. Mitte Juni waren sie bereits von den Familien gehackt.

Dieser Hackvorgang sollte primär einem nachträglichen Häufeln der Kartoffelpflanzen dienen.

Bis in die 1950er Jahre war die Arbeit mit einer weiteren Nebenarbeit verbunden:

Zum einen wurde gleichzeitig das Unkraut gerupft und teilweise noch sortiert, schließlich waren die frischen Kräuter noch als Viehfutter und teilweise sogar noch als Wildgemüse verwendbar.

Etwas, was heute fast vergessen ist, war das nachträgliche Bepflanzen von Ackerflecken, auf denen keine Kartoffel aufgegangen war. Nachgesetzt wurden an diesen Stellen Rummeln, das sind die Futterrüben, ein Herbst- und Winterfutter für das Kleinvieh. Die meisten Familien setzten kleine Kappespflänzchen nach. Die Bauern besaßen zu diesem Zweck in geschützter Lage ihres Gartens je ein kleines eingefasstes Beet, in dem sie für viele Zwecke aus Samen die Jungfernkehlcher züchteten. Darunter darf man Kohlsetzlinge verstehen, die vor allem in den Garten umgepflanzt wurden - allerdings auch.im Kartoffelacker draußen in de Feldflur. Tagelöhnerinnen dieser Bauernfamilien konnten teilweise mit solchen Pflänzchen entlohnt werden und so standen den Arbeiterbauern die Pflänzchen für den eigenen Kartoffelacker ebenfalls zur Verfügung.

Solche Kohlköpfe konnte man bis in die 1950er Jahre in der Sommerzeit in vielen Kartoffeläckern entdecken. Äcker und Gärten wurden auf diese Weise optimal genutzt.

Für die Jungfernkehlcher kannten die Bauern weitere Verwendungen. Die letzte Ernte war im Folgejahr manchmal zu Lichtmess, allerdings stets zum grünen Donnerstag. Die nie versetzten Kohlpflanzen, weiterhin Jungfernkehlcher genannt, obwohl schon ausgewachsen, wurden an diesen beiden katholischen Brauchtagen traditionell zu einem Gemüse zubereitet, das den gleichen Namen trug. Nach Ostern wurden die restlichen Kohlpflanzen in der Regel als Viehfutter genutzt.

Gunter Altenkirch