Das Halten von Haustieren ist keine Mode der heutigen Zeit. Praktisch in allen Zeiten hielten die Dorfbewohner Tiere in der eigenen Wohnung und dazu zählten noch bis in die 1950er Jahren auch die Saatkrähen, gerne als „Raben“ genannt. Solche Haustiere wurden nicht gehandelt. Beliebt war es, ein Krähennest auszurauben und einen Jungvogel aus dem Nest zu holen, bevor dieser flügge wurde. Das war keine ungefährliche Räuberei, denn die Buben kletterten zu diesem Zweck auf hohe Bäume, in deren Kronen sie durch tagelange Beobachtung ihre Opfer aus den Nestern raubten. Sie wurden zu Lieblingstieren der Buben.
Um solche Vögel gleich an ihr neues Zuhause zu gewöhnen, kürzten diese dem Vogel die Flügelfedern mit einer Schere. Solche Tiere konnten sich fortan nur noch flügelschlagend und hüpfend fortbewegen, was als zusätzliche Kinderbelustigung gesehen wurde, zumal die Tiere auch noch dabei krähende Laute von sich gaben.
Die allermeisten Tiere erhielten auch einen Namen. Sehr weit verbreitet war „Jakob“.
Die Raben wurden wie jedes Haustier versorgt mit einem Nest und vor allem mit angepasstem Fressen. Sie liebten vor allem fleischliche Nahrung. Auch diese wurde von den Buben selbst „gejagt“, denn Fleischabfälle aus der Küche waren nicht möglich. Die Buben sammelten Käfer, Engerlinge, Schnecken und fingen vor allem gerne Mäuse in Fallen, was ihnen ein zusätzliches Lob durch die Eltern einbrachte. Als Grünzeug wurden den Tieren Unkräuter angeboten.
Die Krähen wurden schnell zu Haustieren, die auf Namen und Zeichen folgten und ihr „Herrchen“ anerkannten. Die Beschäftigung mit den Tieren war den Buben ein Spiel, vor allem, wenn andere Spielkameraden neidisch darauf schauten. Manch ein Vogel schaffte es akrobatische und sprachliche Fähigkeiten zu erlernen und zum Mittelpunkt in der Kinderspielwelt zu werden.
Heute würde diese Haustierhaltung als Tierquälerei kritisiert werden. Aus diesem Grund ist sie nicht mehr zu sehen.