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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 32/2025
Sellemòls in der Gemeinde
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Dorfdenkmäler II

Ein langgezogenes Herz aus, unten mit Kreuz, Holunderholz zu einem Amulett geben böse Geister geschnitten

Bäume als dörfliche Denkmäler werden immer häufiger gefällt, „weil sie stören“ oder von Schädlingen befallen sind.

Ein sehr altes Dorfdenkmal war bis etwa in die Mitte des 20. Jahrhunderts Holunderbäume, eher wegen der vielen Stämmchen aus der Wurzel als Büsche bezeichnet. Bis in die 1950er Jahre gab es noch in vielen Dörfern außerhalb der Siedlung, meist an Wegen und oft auf kleinen Hügeln oder Rechen gelegen derartige alte Holunder, die in den dörflichen Bräuchen und als Heilmittel eine sehr großes Ansehen genossen. Die Ortsbezeichnungen „owwe omm Holler“ oder „hinne omm Holler“ sind ebenfalls verschwunden.

Den Dorfgeistlichen galten die sehr alten hohen Anerkennungen meist als sündhaft, schließlich wurden diese Bäume bereits zu gallogermanischen Zeiten als verehrenswerte Bäume der Göttin Holda hoch geachtet.

In der Tat, der Holunder war und ist ein sehr wichtiger Lieferant von Heilmitteln und Nahrungsergänzungen, gleichzeitig aber auch von geisterabwehrenden Verwachsungen, die häufig nachgeschnitzt wurden.

Ein ganz wichtiger und sehr alter Brauch war das Vergraben von Lebensteilen der Menschen. Als die Kinder noch in Hausgeburten das Licht der Welt erblickten, vergrub die Hebamme unter dem Holunder die Nachgeburt. Vaganten vergruben unter dem Baum Totgeburten, denn ihnen war meistens noch das Beerdigen auf einem Dorffriedhof nicht gestattet, ihre Bestattungen mussten dann vor der Friedhofsmauer erfolgen. War ein Kleinkind oder ein Säugling erkrankt, badete die Mutter das Kind warm und auch dieses Badewasser wurde unter den Holunder gegossen, wie auch abgeschnittene Haare oder Fingernägel. In unserer Mundart kannten wir für diese Bräuche ein besonderes Wort, nämlich „hollern“, wie bereits im Sellemòls-Beitrag am 15.9.2023 beschrieben.

Einen derart hoch verehrten Baum wollte man nicht vernichten, denn nach dem alten Volksglauben konnten die Menschen unter diesem Busch auch zu ihren Ahnen Kontakt aufnehmen.

Aus diesem Grund war es unmöglich ungestraft einen solchen Baum zu fällen und die Wurzel auszugraben. Taten es dennoch einige Personen sollten sie mit einem Unglück über Haus und Familie rechnen.

Bauern, die einen großen Garten besaßen, pflegten auf dem eigenen Anwesen selbst einen oder zwei dieser Büsche, meist in kleinen Gartenecken. Dort pflegten sie auch die gleichen Bräuche.

Die Büsche in der Feldflur waren soziale Hilfen für die Dorfbevölkerung, die solche Büsche nicht auf dem eigenen Grundstück anpflanzen konnten.

Heute werden dies Bräuche als dummer Aberglauben abgetan. Dennoch sollten wir Dorfbewohner diese Büsche, wenn sie noch erhalten geblieben sind, hoch achten, und sei es nur als kleines dörfliches Naturdenkmal, das uns Schatten und Ruhe schenkt.

Gunter Altenkirch