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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 33/2023
Sellemòls in der Gemeinde
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Königskerze

Königskerze

Eine der bedeutendsten Pflanzen in unserem Raum sind die gelb blühenden Königkerzen, auch wenn in den letzten Jahren ihr Wuchs und Erscheinen rückläufig zu beobachten ist – eine Folge der Klimaveränderungen. Die sehr hohen blühenden Pflanzen erreichten einst Höhen von bis zu drei Metern und besaßen einen bevorzugten Platz im Garten, waren jedoch auch in Wiesen zu entdecken.

Das, was die Königskerze für uns so wichtig machte, war die Verwendung in katholischen Bräuchen. Am Tag Maria Himmelfahrt war sie die wichtigste Blume im Würzwisch, wie im vorigen Beitrag beschrieben. Sie stellte die Seele des Würzwischs dar. Das Wort Seele kommt in diesem Fall aus der Seilersprache. Beim Herstellen von Seilen wurde zunächst eine Seele aus dem Fadenmaterial, meist aus Hanf, gedreht und um diese Seele wurden weitere Schnüre gedreht. Ohne die Seele ist und war ein stabiles Seil nicht herzustellen.

Beim Würzwisch war es ähnlich: Die Königskerze als Seele diente dazu, die neun bis zwölf Sträuße und die ein bis drei Zwiebeln aufzunehmen. Diese Sträuße wurden untereinander um die Seele gebunden. Das hatte zur Folge, dass der Würzwisch bis etwa zum Ersten Weltkrieg eine stattliche Höhe erreichte, selten unter einem Meter.

War die Zeit des Würzwischs abgelaufen, konnte die Seele wie der Hanf zu Garn verarbeitet werden. Dieses Garn wurde nun wie ein etwa zwei Millimeter dickes Seil weiterverarbeitet und sollte nun als Docht der Altarkerzen dienen.

Die Königskerze hatte noch eine weitere wichtige Funktion: Sie war eine viel genutzte Heilpflanze. Ihre gelben Blüten wurden getrocknet und als Tee gegen Halsschmerzen verwendet, denn dieser Tee löst den festsitzenden Schleim im Hals. Besondere Ermahnungen dazu kannten die alten Frauen: Die gelben Blüten durften nicht braun geworden sein. Aus diesem Grund empfahlen sie das Trocknen der Blüten samt Pflanzenstängeln in der Dunkelheit auf dem Speicher.

Dieses Wissen und die Anwendungen sind heute weitgehend verloren gegangen. In Gärten sind die Königskerzen kaum noch zu finden und ihre Höhen erreichen sie nicht mehr wie in früheren Zeiten.

Gunter Altenkirch