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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 39/2022
Sellemòls in der Gemeinde
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Mit den Hühnern schlafen gehen

Eine alte Redewendung war "mit den Hühnern schlafen gehen". Das bedeutete nicht, dass diejenigen, die dieses von sich sagten, ihr Schlaflager im Hühnerstall aufmachen wollten.

Noch im 19. Jahrhundert war es sehr armen Menschen in ihren Hütten nicht ermöglicht, die Wohnung warm zu heizen und am Abend auch noch ein Licht anzumachen. Man musste sparen, also legte man sich mit dem Untergang des Tageslichtes in die Betten und stand erst mit dem neuen Tageslicht wieder auf.

Das war die gleiche Art, wie es die Hühner - und wohl auch andere Tiere - taten. Auch sie verkrochen sich im Stall mit dem Abgang des Tageslichtes und die kamen erst wieder hervor, wenn das Licht am anderen Morgen erschien.

Das war natürlich nicht bei allen armen Leuten so. Wer gute Beziehungen zur Bauerngesellschaft besaß, in der Regel viele Tagelöhnerfamilien, konnte dort am Abend"ze Licht gehen". Das bedeutete, dass man dort anklopfte und den Abend vor dem Harsch zubrachte, dessen Feuer der gesamten Küche Licht und Wärme spendete. In den allermeisten Fällen war es üblich, dass in diesen Abendkreisen, "Maistubb" genannt, gemait wurde und zugleich verrichteten die Frauen Handarbeiten. Die Bauern geben vergaben solche Arbeiten, wie Spinnen, Hecheln und sonstige Stoffarbeiten gerne an die Frauen, die dafür in den Genuss von abendlicher Wärme und Licht gelangten.

Bei den männlichen Tagelöhnern war es meistens so, dass diese schon am Tag zum Dreschen in der Scheune erschienen und dafür am Abend ebenfalls Licht, Wärme und sogar etwas zu Essen bekamen.

Wer nicht in den Genuss von Tagelohnarbeiten gelangte, musste wohl oder übel "mit den Hühnern schlafen gehen".

Gunter Altenkirch