Sellemòls gab es noch einen weit verbreiteten Brauch, der schon viele Jahrzehnte nicht mehr gepflegt wird und an den sich kaum noch jemand erinnert. Es war das Krähen wie ein Hahn, der etwas erreicht hatte.
Es ist September und das war die Ernte der Feldkartoffeln. Für diese Erntearbeit gab es sogar bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts die „Gumbierferien“, damit die Kinder bei der Ernte mithelfen konnten – und das war nötig.
Die allermeisten Familien besaßen in der Flur einen Acker, der mit Kartoffeln - neben dem Getreide unser Hauptnahrungsmittel – angebaut waren. Der Kartoffelacker wurde abgeerntet und zwar noch von Hand mit „Kaaschd“ und „Blatthack“. Die Arbeit dauerte tagelang. War der letzte Kartoffelstock erreicht, wurde es zu einer Ehre, den auszumachen. Häufig durfte das jüngste Kind den ausmachen. War er geerntet, wurde von allen, die an der Ernte mitgeholfen hatten auf dem Feld laut gekräht: „Kikerikiiiii“
Nach dem Abräumen des Ackers ging es mit den gefüllten Kartoffelsäcken im Handwagen nach Hause. Begegnete man Menschen aus dem Dorf, so grüßte man mit einem Hahnenkrähen. Die Antwort war dann in der Regel „Honna de Hòhn?“ und der Rückgruß „Jò, mir honn de Hòhn“.
Dieser Brauch wurde von den dörflichen Arbeiterfamilien im 19. Jahrhundert aus der Bauernkultur übernommen. Die Bauern krähten in dieser Zeit noch mit dem Einfahren der letzten Getreidegarbe.
Die Übernahme des Brauches aus der Bauernkultur war nichts neues. Auch die Dachhandwerker hatten den Hahnenbrauch einst nach dem Schindelsetzen auf dem Dach übernommen und als die Schindeln durch Biberschwanzziegel ersetzt wurden, hielt sich dieser Brauch auch noch kurze Zeit. Stets verkündete der Hahnengruß das Ende eine viel Tage dauernden Arbeit. Wahrscheinlich war der Brauch Jahrhunderte alt, ist heute jedoch gänzlich in Vergessenheit geraten und auch in der volkskundlichen Literatur wird er nicht mehr erwähnt.