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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 4/2023
Sellemòls in der Gemeinde
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Personelle Einzelschicksale

In den Gemeinden gab es nicht nur interessante Informationen über die Dörfer, ihre Bräuche oder Flurnamen, hier lebten Menschen, deren Einzelschicksale es wert sind, noch einmal ins Gedächtnis gerufen zu werden.

Ein Beispiel zu diesem Thema ist der Herbitzheimer Nikolaus Fuchs, geboren 1856. Er wurde nach seiner Schulausbildung Bergmann, wie viele aus der Gemeinde. 1907 wurde er pensioniert. Bis dahin führte er ein beachtliches berufliches Leben, das uns heute zeigt, wie Bergleute und andere Arbeiter aus unseren Dörfern mit ihren Familien in früheren Zeiten ihr Leben meisterten.

So, wie die meisten Bergleute hatte Fuchs nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Obenan stand ein bescheidener Kartoffelanbau und die Kleintierhaltung.

In den 1890er Jahren kam es zu einem bedeutenden Streik der Bergleute im Saarland. Ursache war die Unzufriedenheit der Bergleute mit dem Arbeitgeber. Fuchs war Mitstreiter in der christlichen Bergbaugewerkschaft und als solcher tat er seine Pflichten zur Besserung der Zustände im Bergbau. Den Schergen des Bergbaues gefiel das natürlich nicht. Sie suchten seine Wohnung heim und durchsuchten sie nach verdächtigen Schriftstücken, wurden allerdings nicht fündig. Trotzdem wurde ihm fristlos gekündigt. Von heute auf morgen stürzte die Familie in eine große Notzeit, denn Arbeitslosengeld oder Bürgergeld, wie wir es neuerdings kennen, gab es in diesen Zeiten nicht.

Um seiner Familie mit Frau und 13 Kindern ein für damalige Zeiten dennoch erträgliches Leben zu ermöglichen, nahm der grundlos in die Not gestürzte Bergmann bei seinem Bruder in Pirmasens eine neue Arbeit auf. Doch der Lohn für die Kosten der zeitweise getrennten Familie reichte nicht aus. Dennoch gab der zu Unrecht verstoßene Bergmann nicht auf. Auf dem "Hanock" in Herbitzheim besaß die Familie ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Wie so manche Familie mit eigenem Grundstück in diesen Zeiten, begann er nun auf diesem Anwesen Kalk zu brechen. Abnehmerin war die Kalkbrennerei im Dorf. Diese Handarbeit war eine sehr schwere.

Da seine bergmännischen Fähigkeiten und sein Fleiß den Verantwortlichen auf der Grube Altenwald bekannt blieben, wurde er dort bald wieder eingestellt. Noch 14 Jahre arbeitete er als Bergmann fleißig, bis er 1907 in Pension ging.

Fuchs war in unseren Dörfern kein Einzelfall. Viele Bergleute und andere Arbeiter zeigten in früheren Zeiten ein großes Durchhaltevermögen. Sie gaben in schlechten Zeiten nicht auf und das war möglich, weil die gesamte Familie mitzog.

Hervorzuheben ist, dass ein solches Leben nicht ohne die Familie funktionierte. Die Ehefrau und die Kinder ermöglichten es, dass der Ehemann immer wieder auf die Füße fiel - ein lobenswertes Phänomen in der Arbeiterkultur, das heute leider in Vergessenheit geraten ist.

Gunter Altenkirch