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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 41/2022
Sellemòls in der Gemeinde
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Die Gehemm

In den Erzählungen der Alten lebte auch ein Flurname, der nur sehr selten einen Platz in den dörflichen Flurnamenregistern fand: Die Gehemm.

Der Flurnamenforscher Heinrich Dittmaier nannte wenige saarländische Orte mit derartigen aktenkundigen Flurnamen, jedoch keinen aus dem Bliesgau. Er erklärte den Flurnamen mit einem Geländeabfall, an dem gebremst werden müsste. "Bremsen, hemmen, gehemm".

Prof. Ernst Christmann widerspricht dieser Theorie und erklärt nach Auswertung alter Akten, dass es sich um eine Grenze, einen Grenzpfahl oder ähnliches handelte.

Zeitzeugen liegen mit ihrer Erklärung nicht verkehrt: Für sie ist es ein Wort, das sie mit "Geh heim" oder "von da aus geht es nach Hause" erklären wollen. Andererseits war es für die Dorfbewohner eine Art Grenze, die sie sich selbst gesetzt hatten. Dies wird auch durch die Sagenwelt bestätigt. Diese Grenzen sind auch in den altenBräuchen zu erkennen. Die Grenzen sind jedoch keine amtlich festgelegten, sondern durch die alten Bräuche ausgeübte. Häufig waren die Orte Geländeveränderungen, wie Beginn eines Waldes, übertreten eines Baches, Beginn eines Berges oder Tales.

Ein sehr gutes Beispiel ist die doppelte Gehemm in Erfweiler oben am Wolfersheimer Weg, oben am Waldrand. Für die Erfweiler, Wolfersheimer und Rubenheimer, war es eine symbolische Grenze.

Der Weg führte die einen nach Wolfersheim (geradeaus über den Wolfersheimer Weg), die anderen Leute nach Rubenheim (über den Zwerchweg, der heute verwildert ist, fortgeführt am Wäschbrunnen vorbei ins Dorf.)

Die Gehemm war in allen Dörfern mit einem sehr alten Brauch verbunden:

Stets war es ein großes Ereignis, wenn Besucher für einen oder mehrere Tage aus einem Dorf ins andere kamen. Solche Besuche gab es vor allem zur Kirmes oder großen Familienereignissen.

Bis ins 19. Jahrhundert gab es noch keine Möglichkeit diese Wege fahrend zurückzulegen Außerdem sollten solche wichtigen Besuche nicht durch Hektik gestört werden.

So war es einst üblich, sich "außerhalb des Dorfes" zu verabschieden. Einige der Besuchten begleiteten die Besucher ein Stück aus dem Dorf hinaus - bis zu einer für die Dorfbevölkerung angesehenen Grenze, über die man mit den Besuchern nicht weiter gehen wollte. Und das galt für alle Dorfbewohner.Insofern war es ein Grenzpunkt in der Flur.

Der Weg dahin war nicht hektisch, ganz ruhig, denn zum Abschied haben sich die Leute Zeit genommen. Und erst dann ist man auseinander. Man hat manchmal noch lange an der Gehemm gestanden und wollte dieses und jenes noch mitteilen und erst danach ist man auseinander.

Die Besuchten blieben bisweilen noch einige Zeit an der Gehemm zurück und sahen die Besucher in der Dunkelheit verschwinden. Hin und wieder wurde noch ein Satz oder Gruß hinterher gerufen.

Die Gehemm war mithin für alle Beteiligten eine symbolische Grenze mit positiven Erinnerungen.

Der Abschluss eines Besuches über die Gehemm war ein alter, heute längst vergessener aber wohltuender Brauch.

Gunter Altenkirch