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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 43/2025
Sellemòls in der Gemeinde
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Mundart und Brauch: gauen, gäuen

Das Wort zählt schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr zum aktiven Wortschatz im hiesigen Raum. Dennoch blieb der Brauch des Gauens als Ulk innerhalb der Kirmesbräuche bis ins 20. Jahrhundert erhalten.

Sowohl das Wort als auch die damit verbundenen Bräuche waren in ganz Mitteleuropa verbreitet. Ursprünglich war es ein weit verbreiteter Brauch der Bettelnden. Er galt nicht als verboten, wenn die ganz armen Menschen durch die Dörfer zogen.

Der Ursprung des alten Wortes ist nicht eindeutig geklärt. Er wird von den Sprachwissenschaftlern mit dem Wort „gähnen“ in Verbindung gebracht, denn mit dieser Form des Bettelns war keine wörtliche Forderung verbunden. Die Sprachwissenschaftler erklären das Wort mit „mit offenem Mund dastehen“. Die Bettelnden klopften und blieben nach dem Öffnen der Türe stumm stehen, öffneten den Mund weit und das sollte heißen „leerer Mund = Hunger“. Sie hofften auf eine Gabe, meist erhielten sie eine wasserverdünnte Suppe.

Mit dem Aufkommen einer Geldwirtschaft im 19. Jahrhundert verschwand der offene Mund und wurde durch eine offene leere Hand ersetzt, was heißen sollte: „Habe kein Geld, um mir etwas zu leisten“.

Der Herbst mit gefüllten Vorratskellern der Bauern galt für die Armen als eine lohnende Gelegenheit zum Betteln.

Dieser alte Bettelbrauch wurde von den Straußbuben zum Abschluss der Kirmes als Persiflage genutzt und damit auch ins Lächerliche gezogen.

Die Kerwebuuwe und -mädel zogen von Haus zu Haus und erbaten für ihre Kirmesleistung eine Gabe - eben in der alten Form der Bettler - offener Mund, stumm und schließlich die offene Hand. Doch der Kirmesbrauch des Gauens veränderte sich seit dem 20. Jahrhundert dahin, dass er begleitet wurde von Liedern und Sprüchen, die die Straußbuben vortrugen.

Durch den Kirmesbrauch blieb der alte Bettelbrauch der Armen - wenngleich als Persiflage - bis vor einige Jahrzehnte erhalten. Heute ist er auch zum Abschluss in der Kirmes nur noch höchst selten zu sehen.

Gunter Altenkirch