Fünfzigerjahrehaus
In den Zeiten des Wiederaufbaues nach 1945 war in unseren Dörfen das Bauen von neuen Wohnungen groß angesagt. Durch den Krieg war sehr viel zerstört worden und manche Familien bauten sich ein „Fünfzigerjahrehaus“, zu dem es billige, allgemein gültige Norm-Baupläne gab.
Gegen Jahresende lebte in vielen Familien der Wunsch auf, einzuziehen, auch wenn das Haus erst teilweise fertig war. Es galt als schönes Geschenk, in das halbfertigen Haus schon einzuziehen, um das große Fest zu feiern.
Der Umzug blieb vielen Menschen in Erinnerung, vor allem, weil nach dem Umzug ein alter Brauch wieder auflebte, die Beschau. „Mir gehn bei Millersch uff die Beschau“ war ein oft vernommener Spruch im Dorf.
Man wurde von den neuen Hausbesitzern eingeladen und diese führten die Geladenen durch das gesamte Haus, vom Keller bis zur oberen Etage, wobei der Speicher in der Regel ausblieb, denn zu dem baute man erst nach langer Zeit eine Treppe ein.
Den geladenen Gästen wurden nicht nur alle Räume gezeigt, in jedem Raum gab es eine oder mehrere Geschichten zum Ausbau und der beabsichtigten Verwendung zu erzählen. Zum Schluss setzte man sich noch einmal zusammen und plauderte.
Die geladenen Gäste, brachten zur Beschau nach altem Brauch ein großes Stück Brot und ein kleines Behältnis voll Salz mit. Das Brot war ein symbolischer Wunsch, dass den Hausbesitzern nie das Notwendigste zum Leben ausgeht und das Salz war das altes Symbol für die Lebenswürze. Überreicht wurden beide mit dem Spruch „Brot und Salz, Gott erhalt´s“.
Die Beschau kam immer wieder in den folgenden Monaten vor.
Heute ist dieser Brauch sehr selten geworden, in der Regel sogar vergessen.