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Bekanntmachungsblatt der Gemeinde Gersheim
Ausgabe 8/2024
Sellemòls in der Gemeinde
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Fastenzeiten

Die Fastenzeiten sind für die katholischen Christen angebrochen. Sie werden heute häufig als Entbehrungen und damit als lästig empfunden. Andere Menschen schränken ihren Alkohol- und Zigarettenkonsum ein.

Fastenzeiten hatten sellemòls einen ganz wichtigen Grund, der uns heute in unserer Überversorgung nicht mehr bekannt ist, aber ein Stück Geschichte aus unseren Dörfern in Erinnerung bleiben soll.

Bis in das 19. Jahrhundert gab es in unseren Dörfern keine Lebensmittelgeschäfte. Geld für die Nahrungsmittel war ebenfalls noch keins vorhanden. Die Sommerzeit über erwirtschaftete die Dorfbevölkerung Lebensmittel und Futter für Mensch und Vieh und bevorrateten diese Erträge für das Winterhalbjahr, in dem man davon leben musste. Als Faustregel für die derartige Bevorratung galt „Vorräte für eineinhalb Jahre“, denn das Folgejahr könnte ein Jahr der Missernten werden.

Tagelöhnerinnen und Taglöhner erhielten in dieser Winterzeit keine Abendmahlzeiten, schließlich waren die Tage kürzer geworden und die Arbeitsleitungen geringer als im Sommer.

Der Anfang dieser einschränkenden Zeit begann mit der Herbstkirmes, an der noch einmal gut gegessen werden konnte, schließlich waren in einigen Familien Schweine geschlachtet worden.

Nach der Kirmes, die um Martini lag, ebbten die Restarbeiten ab und mit der Andreasnacht (29. November) begann die erste Fastenzeit, vielfach heute noch bekannt als das Adventsfasten. In diesen Wochen bis Weihnachten wurde sparsam gegessen, ausgenommen waren die Donnerstage und Sonntage. Sonntags gab es sogar hin und wieder in einigen Familien Fleisch zu essen.

Die Weihnachtszeit mit den nachfolgenden Tagen war keine Fastenzeit, es wurde meist genug zum Essen gereicht. Danach begann eine weitere Zeit mit weniger Speisen, die erst mit einer üppigen Fastnacht unterbrochen wurde. Diese Zeit vor der Fastnacht trug keinen Namen, der an das bescheidenere Essen erinnern sollte. Nach der Fastnacht, am Aschermittwoch begann eine erneute Fastenzeit, die von der Kirche unterstützt wurde und die bis in heutige Tage noch allgemein bekannt ist. In vergangenen Jahrhunderten wurden in dieser Zeit die Vorräte genau überprüft und eingeteilt.

Mit Ostern endete diese Fastenzeit wieder. Essen war wieder reichlicher angesagt, doch das brauchte die Dorfbevölkerung auch, schließlich nahmen in dieser Zeit die Arbeiten wieder zu und Arbeit erfordert Energie. Noch gab es auf den Feldern nichts zu ernten, doch in den Wiesen gab es nun wieder nach und nach reichlich Kräuter, sehr wichtig, denn die tägliche Grütze wurde vor allem mit Kräutern und Gemüse angereichert.

Fastenzeiten waren mithin keine Pflichteinschränkungen, die die Kirche predigte, sie waren Notwendigkeiten, die von der Kirche sehr hilfreich unterstützt wurden.

Heute haben wir täglich ausreichende Nahrungsmittel im Angebot des Handels. Dennoch sollten wir an diese alten Zeiten zurückdenken, sie waren uns Menschen stets sehr hilfreich.

Gunter Altenkirch