Bald verlorenes Sgraffito an der Schwimmhalle in St. Ingbert
- Verlorenes Mosaik am ehemaligen Kindergarten in Schiffweiler
Im Dezember des vergangenen Jahres berichteten wir von einer großen Wandarbeit des saarländischen Künstlers Walter Bernstein, die hinter Büschen und Containern an der Giebelwand des Hauses der Vereine aufgetaucht ist. Durch die notwendigen Sanierungsarbeiten war im Dezember das Werk bereits hinter Dämmmaterial verschwunden.
Dennoch ist es nicht verloren. Denn vor sechs Jahren startete die aufwendige Erarbeitung eines „Werkverzeichnisses Walter Bernstein“, initiiert durch die Förderstiftung Walter Bernstein und finanziert durch die Landesregierung des Saarlandes. Die Wandarbeit war dadurch bereits mit Foto, Technik und Maßen in einer Datenbank hinterlegt.
Deshalb möchten wir in diesem Beitrag erläutern, warum ein Werkverzeichnis so wichtig ist und wie es entsteht.
Die Forschung zu Künstlerinnen und Künstlern basiert auf der Kenntnis der Fakten, also der Kunstwerke, die hinterlassen wurden. Falls sich diese an den unterschiedlichsten Orten befinden, müssen die Besitzer und Besitzerinnen ausfindig gemacht werden. Zwecks Inventarisation werden die Werke fotografiert, vermessen und ihre Technik bestimmt. Soweit möglich, wird der Werdegang des Bildes oder der Skulptur erforscht und diese sogenannte Provenienz festgehalten.
Sehr häufig wurden die Objekte bei ihrer Entstehung nicht datiert. Das bedeutet, man muss auf der Grundlage von Ankerpunkten das Entstehungsdatum einkreisen.
Die Daten, die in früheren Zeiten mit Karteikarten und einer einfachen Ordnung (zum Beispiel nach Entstehungsdatum, also chronologisch) festgehalten wurden, kann man heute in einer Datenbank verwalten. Die Möglichkeiten, die Daten zu gliedern und zu ordnen, sind vielfältig. Ein Werkverzeichnis oder Oeuvrekatalog wird in aller Regel fortgeschrieben. Wann immer ein Hinweis auf ein Artefakt auftaucht, das kann auch ein Foto oder eine schriftliche Überlieferung sein, wird das Verzeichnis aktualisiert. Die gedruckte Version ist der populären Verbreitung des Oeuvres dienlicher.
Im Fall der Wandarbeit in Wustweiler wird nun im Werkverzeichnis vermerkt, dass das in Zukunft sichtbare Werk eine Rekonstruktion vorstellt und dass das Original durch die Dämmarbeiten überlagert, aber nicht zerstört wurde. Letzteres ist immer wieder zu beklagen. In Schiffweiler fiel ein großes Mosaik am ehemaligen Kindergarten der Modernisierung zum Opfer. Es stellte den Heiligen Franziskus dar. In St. Ingbert wird gerade das Sgraffito an der Außenwand der Schwimmhalle abgerissen. Es gibt aber auch Beispiele privater Fürsorge: Bernstein hat an etlichen Häusern im Saarland Wandarbeiten hinterlassen. Zum Beispiel die Kraniche in Stennweiler. Der Besitzer hat die Arbeiten restaurieren lassen und er hat vom großen Mosaik des Heiligen Franziskus einen Kranich gerettet.
Warum betreiben wir mit unserer Kultur diesen Aufwand? Weil unsere Identität und unser Kulturbewusstsein auf Historie beruhen. Mit jedem Verlust von historisch bedeutsamer Substanz geht ein Teil der „Schwarmintelligenz“ verloren. Die Bedeutung wird durch ein vielschichtiges Gemisch aus den verschiedensten Umgangsformen mit den Kunstwerken und der Künstlerpersönlichkeit ermittelt. Die Bedeutung rüttelt sich sozusagen über Jahrzehnte zurecht.
Im Fall Walter Bernsteins seien einige Faktoren genannt:
- Die hochkarätige Ausbildung des Künstlers in Nürnberg und Berlin mit einem Lehrer wie Hans Meid (1883 Pforzheim - 1957 Ludwigsburg).
- Die Beachtung, die Publizierung und der Ankauf der Werke zu Lebzeiten, nicht nur durch Privatpersonen, sondern auch durch bedeutende Institutionen, wie Landesregierung, Saarbergwerke und Stahlwerke.
- Die Bildthemen: Bernstein widmete seine Aufmerksamkeit, abgesehen von Kunst im öffentlichen Raum, der Industriemalerei. Hüttenindustrie und Bergbau sind hierzulande identitätsstiftende Sujets.
- Die Wahrnehmung des Werkes durch Rezipienten in Form von Bilder besprechenden Aufsätzen, Büchern oder Ausstellungen auch nach der Lebenszeit des Künstlers.
Wie sind wir bei der Erstellung des Oeuvrekatalogs vorgegangen?
Die Förderstiftung Walter Bernstein konnte durch öffentliche Aufrufe zahlreiche Besitzer und Besitzerinnen ausfindig machen. Sie wurden besucht und die Daten ihrer Bilder vor Ort aufgenommen. Von den rund 4.400 Werken, die wir ausfindig machen konnten, befinden sich 1.800 im Besitz der Gemeinde Schiffweiler. Bei einem Werkverzeichnis werden Artefakte aller Größen und Techniken berücksichtigt. Abgesehen von privaten Besitzern befinden sich die Objekte in Institutionen wie Banken, Stadtverwaltungen, Gemeinden, der Landesregierung, Vereinen.
Bilder von Walter Bernstein tauchen in allen Landkreisen auf, eine deutliche Häufung allerdings im Landkreis Neunkirchen. Sehr viele der älteren Besitzerinnen und Besitzer hatten eine persönliche Beziehung zum Künstler oder zur Gemeinde Schiffweiler oder zu Neunkirchen. Andere hatten Kontakt zu Hütte oder Bergbau. Im Gespräch mit den Sammlern und Sammlerinnen konnte auch manches Detail über das Lebensschicksal des Künstlers erfahren werden.
Ingeborg Besch