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Ausgabe 49/2022
>> Leben in Illingen
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Fundkunst

„Das Sgrafitto an der Giebelwand des zweiten Bautraktes hat ein Herbstmotiv zum Inhalt: Drachensteigen lassen, ein beliebtes Spiel der Landjugend. Der Obstbaum lädt zur Ruhepause und Stärkung ein. In rotem Verputz führte der Künstler diese Kratzmalerei aus mit Kellenputz...“ Theo Schwinn, Festschrift, Einweihung der Volksschule Wustweiler 1956.

WANDMALEREI VON WALTER BERNSTEIN

Fundkunst

Eine Wandmalerei von Walter Bernstein am Giebel des Hauses der Vereine ist in Wustweiler aufgetaucht.

In den 1950er Jahren gab es auch im Saarland viel Aufschwung, einhergehend mit einem Bauboom.

Man schaue sich die Erbauungsdaten der Volksschulen saarländischer Dörfer an. Während die schlicht und praktisch gehaltene Architektur den Menschen das Notwendige bot, sollte die Malerei für die geistige und seelische Erbauung da sein. Denn nicht nur Kinder schicken im Umgang mit zweckfreien Gebilden ihre Phantasie auf Reisen.

Im Laufe der Jahrzehnte veränderte sich der Geschmack, die modernen „fifties“ wurden altmodisch. Sobald an einem Gebäude Veränderungen anstanden, fiel es leicht, die Kunst zu opfern. Diese Haltung hat sich glücklicherweise, auch im Kontext des heute intensiv diskutierten Begriffs der Nachhaltigkeit, geändert. Wir wollen wieder bewahren.

Als nun bei den Sanierungsarbeiten am Haus der Vereine in Wustweiler die hoch gewucherten Büsche gefällt wurden, da tauchte es wieder auf: das Kunstzeugnis der „fifties“. Eine Wandarbeit von Walter Bernstein, bis sechs Meter in Höhe und Breite. Das Gebäude muss nach zeitgemäßen Vorgaben eine Dämmung erhalten und diese wird dazu führen, dass die einmalige Arbeit eines bedeutenden Künstlers zerstört wird. Im Ortsrat Wustweiler wurde der Erhalt des Kunstwerks gefordert. Auf die Modernisierung kann freilich nicht verzichtet werden, also wie könnte das Alte im Neuen aufgehen?

Was das bedeutet, möchten wir den Leserinnen und Lesern in einer kleinen Beitragsreihe in den kommenden Monaten erläutern. Das Wesentliche vorweg: Die Wandarbeit wird - bzw. wurde bereits - auf ein Pergament übertragen. Die Pause bringt das Bild auf die neu beschichtete Wand und die in Brauntönen gefasste Darstellung wird im Zusammenhang mit der knapp einen Zentimeter dicken Putzschicht im Negativverfahren wieder hergestellt. Der Originalitätscharakter geht nicht verloren, denn der Künstler hat in erster Linie den Entwurf geliefert.

Der in Neunkirchen 1901 geborene Bernstein verließ in jungen Jahren die Heimat, um in Nürnberg und Berlin an hochkarätigen Akademien Kunst zu studieren. Nach sechs Jahren Kriegserfahrung kehrte er 1945 nach Neunkirchen zurück. Seine Wohnung und sein Leben in Berlin waren vollständig zerstört.

„Unserem Illingen“ war der zeitlebens freischaffende Künstler sehr verbunden. In Hirzweiler gestaltete er das Deckengemälde „Christus und der Heilige Laurentius“ im Chor der katholischen Kirche. Am Kindergarten St. Josef in der Nachbarschaft ist ein sehr schönes Mosaik mit Maria, Josef und dem kleinen Jesus erhalten. Die Arbeiten wurden in der Vergangenheit vorbildlich restauriert.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Haus der Vereine in Wustweiler, in der ehemaligen Volksschule und dem Gebäude der heutigen VHS, hat Walter Bernstein die Treppenhauswand gestaltet. Ein Künstler, der sich fein auf kindliche Fantasie einstellen konnte.

Text und Fotos: Dr. Ingeborg Besch, Illingen