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Felsberger Nachrichten
Ausgabe 3/2024
Amtliche Bekanntmachungen
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Amtliche Bekanntmachungen

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Felsberg hat in ihrer Sitzung am 07.12.2023 Kriterien für die Standortbewertung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen beschlossen.

Präambel

Der nachfolgende Kriterienkatalog bindet Verwaltung und Magistrat in der Prüfung und Beantwortung von Anfragen und Anträgen zur Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FF-PVA) im Stadtgebiet Felsberg. Dieser dient Interessenten an der Errichtung von Anlagen ebenso wie der Verwaltung und der Bevölkerung als Orientierungsrahmen für die städtische Bauleitplanung in Zusammenhang mit FF-PVA.

Baurechtlich sind nicht-privilegierte FF-PVA im Außenbereich nach § 35 Baugesetzbuch (BauGB) unzulässig. Hierzu gehören auch Agri-Photovoltaikanlagen, die keinem landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb dienen. Zu ihrer Umsetzung ist immer eine kommunale Bauleitplanung (Flächennutzungsplanänderung, Bebauungsplan) erforderlich. Deshalb liegt es in der Zuständigkeit und Verantwortung der Kommune, ob und wo großflächige FF-PVA errichtet werden können.

Weiterhin muss die Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung angepasst sein. Zum Beispiel sind Freiflächen-Photovoltaikanlagen in einem „Vorranggebiet für Landwirtschaft“ nicht mit den Zielen des Regionalplans vereinbar (regionalplanerischer Zielverstoß). In diesem Fall muss ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren durchgeführt und positiv beschieden werden. Dagegen können Freiflächen-Photovoltaikanlagen in einem „Vorbehaltsgebiet für Landwirtschaft“ aus regionalplanerischer Sicht zugelassen werden. Bei einem Verstoß können regionalplanerische Bedenken im Rahmen der Abwägung überwunden werden.

Ausnahme: Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 b BauGB sind FF-PVA bis zu einer Entfernung von 200 Metern entlang von Autobahnen sowie von Schienenwegen des übergeordneten Netzes mit mindestens zwei Hauptgleisen privilegiert und benötigen deshalb keine kommunale Bauleitplanung. Voraussetzung ist, dass die ausreichende Erschließung gesichert ist und andere öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

Kriterienkatalog zur Zulassung von FF-PVA

Lfd.

Nr.

Kriterium

1

Begrenzung der Größe der Einzelanlagen auf maximal 10 ha.

Die Gesamtfläche der FF-PVA im Stadtgebiet wird auf 80 ha begrenzt.

2

Ausschlussflächen

Folgende Flächen werden für die Errichtung von FF-PVA grundsätzlich ausgeschlossen:

  • Wohnbauflächen
  • Naturschutzgebiete
  • kartierte und geschützte Biotope
  • Waldflächen zzgl. Mindestabstand 30 m
  • Landschaftsschutzgebiete
  • Fauna-Flora-Habitate (FFH-Gebiete)
  • Vogelschutzgebiete
  • Grünzäsuren
  • Boden- und Naturdenkmäler
  • Kompensationsflächen
  • (naturnahe) Gewässer, Gewässerrandstreifen
  • Wasserschutzgebiete / Heilquellenschutzgebiet
  • Überschwemmungsgebiete (HQ 100)

hier: Einzelfallprüfung und Ausnahmegenehmigung durch zuständige Behörde

nach § 78 WHG

• Flurstücke mit hoher Nutzungseignung für Acker- bzw. Grünland (s. Bodenqualität)

3

Bodenqualität

FF-PVA können nur auf Flächen unter einer Bodenzahl von {{lt}}45 Bodenpunkten (Acker-, Grünlandzahl) zugelassen werden.

Für Agri-Photovoltaikanlagen spielt der Bodenkennwert keine Rolle.

4

Sichtbarkeit und Landschaftsbild

  • Der Abstand der FF-PVA zu Wohngebäuden soll mindestens 100 m entsprechen. FF-PVA mit geringerem Abstand sind nur mit einem mindestens 10 m breiten Pflanzstreifen mit standortgerechter Baum- und Strauchvegetation als grüner Puffer zur Bebauung möglich. Die Bepflanzung soll als Sichtschutz dienen und mindestens die Höhe der zulässigen Modulhöhe erreichen.
  • Die maximale Höhe der PV-Module wird auf 3,5 m über Geländeoberkante festgelegt.
  • Der erforderliche Mindestabstand zwischen zwei oder mehreren Anlagen erfolgt nach einer Einzelfallbetrachtung (jedoch mindestens 300 m).
  • Neben einer Landschaftsbilddarstellung ist grundsätzlich ein Blendgutachten zum Entwurf vorzulegen. Grundsätzlich sind blendarme Module zu verwenden.

5

Land- und Forstwirtschaft / Jagd

Nutzungskonflikte mit der Land- und Forstwirtschaft als auch mit der Jagdausübung sind zu minimieren. Der Bau von FF-PVA soll nicht zu einer Verknappung qualitativ besonders hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen führen. Ausschlusskriterien können sich durch regionalplanerische Festlegungen ergeben. Beim Vergleich zwischen mehreren potenziellen Standorten sind solche mit geringerer Bodenqualität zu bevorzugen.

6

Die Netzanbindung der FF-PVA an das Stromnetz soll zur Reduzierung der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes per Erdverkabelung erfolgen.

Vorgelagert sollte eine Prüfung erfolgen, mit welchem Aufwand die Einspeisung in das Stromnetz verbunden ist. Zudem ist vor dem Entwurfsbeschluss eine Bestätigung des Stromnetzbetreibers für den gesicherten Netzanschluss vorzulegen.

7

Ökologische Aspekte

  • Ausgleichsmaßnahmen sollten vorrangig am Standort der FF-PVA vorgenommen werden. In begründeten Einzelfällen können auch Ausgleichsmaßnahmen außerhalb des B-Plan-Gebietes vorgenommen werden.
  • Ausgleichsmaßnahmen sind vor Baubeginn der Anlage auszuführen und nachzuweisen.
  • Umzäunung der Anlage nur mit Durchlässigkeit für Amphibien und Kleinsäuger (bis zur Größe von Füchsen).
  • Die Anlage muss so gestaltet werden, dass Niederwild und Kleintiere nicht maßgeblich in ihrem Lebensraum eingeschränkt werden. Gegebenenfalls müssen Wildkorridore vorgesehen werden.
  • Die Bewirtschaftung der Fläche unter den PV-Modulen als extensives Grünland mit Schafbeweidung oder abschnittsweisen Mahd (max. 2-mal pro Jahr).
  • Bei Agri-Photovoltaikanlagen ist die landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder gartenbauliche Nutzung der Flächen vorrangig.
  • Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sowie Gülle und Düngemittel.
  • Benachbarte landwirtschaftlich genutzte Flächen dürfen nicht negativ beeinträchtigt werden.
  • Es ist ein Nachweis über die Versickerung von Niederschlagswasser auf dem Gelände der FF-PVA zu erbringen.
  • Der Abstand zwischen Bodenoberfläche und Modulunterkante muss mindestens 80 cm betragen und der Abstand zwischen den PV-Modulen muss angemessen sein, um die vorgesehene Bewirtschaftung zu erlauben.
  • Zur Belegungsdichte der PV-Module wird die Grundflächenzahl (GRZ) für die Modulfläche als projizierte überbaubare Fläche auf max. 0,7 festgelegt.

8

Tourismus und Erholung

  • Kulturlandschaften mit einer erheblichen touristischen Bedeutung (historisches und kulturelles Erbe) oder Naherholungsfunktion sind in der Abwägung zu berücksichtigen.
  • Vorhandene Feld-, Spazier- und Verbindungswege, die während der Bauphase durch die FF-PVA beeinträchtigt werden, sind nach Abschluss der Bauarbeiten wiederherzustellen.
  • Soweit durch die FF-PVA vorhandene Feld-, Spazier- und Verbindungswege unterbrochen oder beeinträchtigt werden, sind entsprechende Ersatzwege vor Baubeginn rund um die Anlagen zu schaffen.

9

Regionale Wertschöpfung / Wahrung kommunaler Interessen

  • Der erzeugte Strom soll vorrangig über lokale Strompunkte zu marktüblichen Konditionen in der Region geliefert werden.
  • Vereinbarungen sind nur mit örtlichen oder regionalen Betreibern zu treffen.
  • Die Gewerbesteuereinnahmen sollen idealerweise zu 100 % (so hoch, wie das Steuerrecht es zulässt) der Stadt zukommen, d.h. der Betriebssitz muss in das Stadtgebiet gelegt werden.
  • Zwingende finanzielle Beteiligung der Kommune am Ertrag, die nach Möglichkeit auch über den gesetzlichen Mindestbetrag (derzeit 0,2 Cent je kWh) im Sinne von § 6 EEG hinausgeht.
  • Der Vorhabenträger muss in der Gemeinde ein Bürgerbeteiligungsmodell anbieten.
  • Sämtliche Kosten der Bauleitplanung trägt der Antragsteller, inklusive der Verwaltungsleistungen, die nach Stundenaufwand abgerechnet werden.
  • Bei Verkauf einer FF-PVA erhält die Stadt ein Vorkaufsrecht.
  • Ein vollständiger Rückbau der FF-PVA nach der Nutzungsdauer ist vertraglich und durch Bürgschaftshinterlegung sicherzustellen.
  • Für die Entwicklung der Stadt Felsberg sollen die im Flächennutzungsplan definierten Flächen (z.B. Wohnbauflächen) vorgehalten werden.
  • Die Wahrung kommunaler Interessen regelt ein städtebaulicher Vertrag.

10

Sonstige Punkte

  • Dem Antrag auf Aufstellung der Bauleitplanung liegt die Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer bei.
  • Die Benutzung der städtischen Feldwege zum Verlegen von Leitungen bedarf einer Ausnahmegenehmigung des Magistrates.
  • Für die Erschließung der FF-PVA darf kein neuer und dauerhafter Wegebau stattfinden. Dies gilt nicht für den kürzesten Weg für Wartungszufahrten und Wege innerhalb der FF-PVA.
  • Vor Aufstellung der Bauleitplanung ist der jeweils betroffene Ortsbeirat durch die Verwaltung anzuhören.
  • Die Stadtverordneten behalten sich (abweichende) Einzelfallentscheidungen vor.
Stadt Felsberg, den 08.01.2024
Klaus Albert, Erster Stadtrat