Titel Logo
Felsberger Nachrichten
Ausgabe 48/2024
Aus dem Rathaus wird berichtet
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Aus dem Rathaus wird berichtet

Familie Schomberg aus Gensungen: ausgewandert nach Clyde, Saint Claire, Michigan

Wer im 18. oder 19. Jahrhundert auswandern wollte, brauchte eine Entlassung aus dem kurhessischen-Untertanenverband - später dem preußischer Staatsverband.

Rolf Fröhlich schilderte in seinem dritten Vortrag im Stadtarchiv Felsberg anhand von Einzelschicksalen, dass dem endgültigen Abschied aus der Heimat oft persönliche Not und schwere Entscheidungen vorausgegangen waren.

Bis es aber soweit war, mussten hohe bürokratische Hürden überwunden werden. So musste der Nachweis geführt werden, dass keine Schulden oder Steuerrückstände zurückgelassen wurden. Minderjährige brauchten die Zustimmung ihrer Eltern und Verheiratete die Zustimmung ihrer Familie. Männer zwischen 20 und 29 Jahren mussten zuvor ihren Militärdienst abgeleistet haben.

Deshalb finden wir unter den Auswanderern sehr viele jugendliche Männer. Auch ganze Familien wagten den Sprung in die neue Welt. Zu verlockend waren die positiven Nachrichten aus Nordamerika. Allein aus Gensungen verabschiedeten sich 260 Einwohner in der Zeit von 1830 bis 1900. Nur wenige kehrten wieder zurück.

Wer das notwendige Barvermögen hatte, konnte sich drüben für verhältnismäßig kleines Geld eine neue Zukunft aufbauen. Grund und Boden waren preisgünstig zu erwerben, so dass Farmgrößen um 80 oder 100 ha üblich waren. Auch Gensunger sind erfolgreich Farmer oder Geschäftsleute geworden.

Rolf Fröhlich berichtete dazu aus dem von ihm und von Heinz Körner verfassten Buch mit gleichem Titel und wurde unterstützt von Heinz Körner und Klaus Winter (alle aus dem Team des Stadtarchivs) z.B. von Christian Jutzi. Dieser war Verwalter auf der kurfürstlichen Domäne Mittelhof gewesen. Er begab sich mit einem großen Familienverband auf den Weg nach Amerika. Im Township Madison, im Staate Ohio siedelte er sich an. Sein neues Domizil nannte er Middlehof. Ein bisschen Wehmut hatte er offensichtlich mit über den großen Teich gebracht.

Die Brüder Beyer (Beyer Brothers) aus dem Haus Nr. 34 (heute Foto + Buch) hatten sich auf den Handel spezialisiert und waren darin überaus erfolgreich. Sie arbeiteten im Bundesstaat Indiana und werden als die „umfassendsten Händler für Geflügel aller Art, Wild, Butter und Eier“ beschrieben. In ihrem Geschäft waren sie äußerst fair und bezahlten immer in bar. Sie gründeten „das schöne und beliebte Sommerresorts SPRING FONTAIN PARK“ nahe der Stadt Warsaw: einen Brunnenpark mit künstlerischen Landschaften und Campingplätzen. Über 100 Ruderboote standen zur Verfügung. Sogar zwei Dampfschiffe fuhren auf dem See. „Eigentlich eine Fülle von allem, was in irgendeiner Weise zum Vergnügen der Gäste beiträgt.“ Noch heute gibt es in ihrem Wohnort Warsaw, Indiana, z.B. die Beyer Street, den Beyer Park und vieles andere, was auf die Beyers aus Gensungen hinweist.

Einen weiteren Part seines Vortrages widmete Rolf Fröhlich den hessischen Soldaten in Amerika. Nach dem 30-jährigen Krieg begannen viele deutsche Fürsten stehende Heere aufzubauen, so auch die Landgrafen von Hessen. Die stehenden Heere verschlangen Unsummen Geldes, das die Fürsten nicht hatten. Um das nötige Kleingeld herein zu bekommen, gingen viele dazu über, ihr Militär an andere kriegführende Mächte zu vermieten. Da kam dem hessischen Landgrafen Friedrich II. gerade Recht, dass sein Schwager, der englische König Georg III. in den Unabhängigkeitskrieg der englischen Kolonien in Amerika gegen das englische Mutterland verwickelt war. In einem sog. Subsidienvertrag wurde 1776 vereinbart, dass aufs Erste 12.000 hessische Soldaten - später etwa 19.000 - an England vermietet wurden. Die Hessen sahen ihre Chance darin, als Söldner ihr Geld zu verdienen als in der Heimat ihr Leben als Tagelöhner oder Bauernknechte zu verbringen. 136 Männer aus Felsberg und den heutigen Stadtteilen hatten sich zum Soldatenleben verpflichtet. Nur 61 - also nicht einmal jeder Zweite kehrte 1783 nach Hause zurück. Die Anderen waren verstorben, gefallen oder waren für immer in Amerika geblieben.

Mit diesem Vortrag endet die Trilogie des Stadtarchivs Felsberg.