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Niestetaler Nachrichten
Ausgabe 25/2025
Vereine und Verbände
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Naturschutzbund - Arbeitsgruppe Niestetal

Wirksam, naturnah und bezahlbar, weil viele dezentrale Maßnahmen schützen

Die Initiative für nachhaltigen Hochwasserschutz stellte am 17.11. im Bürgerhaus Oberkaufungen ein tragfähiges Gesamtkonzept für einen nachhaltigen Hochwasserschutz im Lossetal vor. Zirka 70 Bürgerinnen und Bürger nahmen an der informativen und faktenreichen Veranstaltung teil. Neun Referenten stellten die unterschiedlichen Bereiche von Schutzmaßnahmen vor.

Manfred Ellenberger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erläuterte das Gesamtkonzept eines nachhaltigen Hochwasserschutzes, das die gesamte Fläche des Losseeinzugsgebiets berücksichtigt. Neben kleineren technischen Bauwerken mit Rückhaltekapazitäten bedeutet dies auch, die Speicherkapazitäten im Siedlungsraum zu erhöhen sowie die vielfältigen Rückhaltemöglichkeiten und die Verringerung der Fließgeschwindigkeit in der Forst- und Landwirtschaft auszunutzen. Dies ist der grundlegend andere Ansatz im Vergleich zu den derzeit geplanten Großstaudämmen, die nahezu ausschließlich auf zwei große Volumenspeicher setzen und zudem viele Ortslagen nicht schützen.

Dezentraler und nachhaltiger Hochwasserschutz beginnt dort, wo Niederschläge auf die Erde fallen. Das heißt: ab den Wasserscheiden zu den benachbarten Bächen können Rückhaltemöglichkeiten und Maßnahmen zur Verminderung der Fließgeschwindigkeit eingeleitet werden. Jeder Tropfen, der auf den Flächen oberhalb des Zulaufs zur Losse zurückgehalten wird, reduziert das Hochwasserrisiko. Die Waldflächen des Kaufunger Walds und der Söhre, zu der auch der Stiftswald gehört, begrenzen weitgehend das Losseeinzugsgebiet an den Wasserscheiden.

Was dies für den Stiftswald bedeutet, referierte der Landschaftsgärtner Reinhold Liphardt stellvertretend für Förster Carl Hellmold. Ehemalige und noch vorhandene Feuchtflächen – vor allem in den oberen Bereichen – können erhalten bzw. deren Wiedervernässung gefördert werden, mit vergleichsweise großem Potenzial des Wasserrückhalts. Dies würde zudem die ökologische Vielfalt fördern. Begleitgräben an Forstwegen können so verändert werden, dass das Wasser nicht ins Tal zur Losse „schießt“, sondern seitlich in die Waldgebiete abgeleitet wird. Dies reduziere deutlich die Fließgeschwindigkeit und damit die Höhe der Flutwelle in der Losse; gleichzeitig werde mit der Versickerung die Grundwasseranreicherung gefördert, die den für den Wald zunehmend bedrohlicheren Dürreperioden entgegenwirkt. Solche Maßnahmen können kostengünstig bei ohnehin anstehenden Wegearbeiten miterledigt werden.

Das Anlegen von Retentionsmulden ist eine weitere effektive und kostengünstige Maßnahme. Solche sind von Reinhold Liphardt in Zusammenarbeit mit der Stiftsverwaltung im Stiftswald bereits angelegt worden. Mit der recht einfachen Installation von Drosseln und der Erweiterung zu einem Kaskadensystem kann die Effektivität dieser Mulden weiter gesteigert werden. Als Feuchtbiotope tragen sie zudem zum Amphibienschutz bei. Der bereits begonnene Waldumbau trägt mittel- und langfristig ebenfalls zum Hochwasserschutz bei, da die Versickerungsraten im Mischwald höher sind als in Fichtenwäldern.

Der Kaufunger Landwirt und Agrarwissenschaftler Max Fahrendorf erläuterte die Wasserrückhaltemöglichkeiten durch Agroforstmaßnahmen, die in Ober- sowie in Niederkaufungen bereits realisiert worden sind. Ergänzt werden können diese durch das Anlegen von Rückhaltemulden. Eine solche hat er kürzlich entlang der Niester Straße angelegt. Eine einfache Drossel sorgt dafür, dass das Wasser bei Starkregen zunächst gestaut und dann langsam – gedrosselt – abfließt.

Der Gemeindevertreter Klaus Will erläuterte die vielfältigen Möglichkeiten des Regenrückhalts in Siedlungsgebieten und die Möglichkeiten, die Gemeinden haben, diese einzuführen und durchzusetzen. Zisternen, Regenwassernutzung und -bewirtschaftung, begrünte Dächer, Entsiegelung, das Schaffen von Versickerungsflächen, Rigolen und ihre Nutzung bei großen versiegelten Flächen (Supermarktparkplätze etc.), saugfähige Steine zur Straßenpflasterung und weitere Maßnahmen können dazu beitragen, die Gemeinden im Lossetal zu sogenannten Schwammstädten bzw. Schwammdörfern umzubauen.

Alle diese Maßnahmen, die zum Teil förderfähig sind, dienen sehr unmittelbar dem Schutz der Menschen im Lossetal sowie ihrem Hab und Gut vor Hochwasser. Sie schützen und fördern aber auf unterschiedliche Art und Weise auch Flora und Fauna. Dies erläuterte der Vorsitzende der Ortsgruppe Kaufungen/Lohfelden des Naturschutzbundes Deutschland, Martin Lange, am Beispiel einzelner Arten.

Einem solchen dezentralen Konzept stehen die derzeitigen Planungen für zwei Großdämme gegenüber, die für einige Ortslagen sogar geringeren Schutz bieten und zudem sehr teuer sind. Der Fraktionsvorsitzende der GLLK Torsten Felstehausen rechnet vor, dass bei Realisierung der Dämme durch Abschreibung und Wartung jährlich etwa eine Million Euro durch das Land und die Anliegergemeinden im Wasserverband Losse aufgebracht werden müssen. Auf Kaufungen entfielen ca. 50.000 Euro jährlich.

Durch eine frühzeitige Bürgerbeteiligung hätten die jetzigen Konflikte höchstwahrscheinlich vermieden werden können, erläuterte der Sozialwissenschaftler Dieter Gawora, da von allen an der Debatte Beteiligten ein grundsätzlich gemeinsames Interesse bestehe, die Auswirkungen von Hochwasser möglichst einzudämmen. Von allen wird auch die steigende Gefahr durch den Klimawandel anerkannt.

Von Claus Brechmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wurde schließlich dargelegt, wie sich der seit März bestehende Beirat des Wasserverbands Losse zusammensetzt. Wie sich in der Debatte zeigte, erweist sich zunehmend als Konfliktpunkt die Frage, ob der Wasserverband Losse in die Planfeststellung für den Damm Oberkaufungen gehen wird, obwohl ein ergebnisoffener Prozess im Beirat vereinbart worden war, der auch die Priorisierung des nachhaltigen Hochwasserschutzes zuließe.

Die rege Debatte im Anschluss zeigte, dass zumindest von der übergroßen Zahl der Anwesenden ein nachhaltiger, wirksamer, naturnaher und bezahlbarer Hochwasserschutz, mit dem zudem kurzfristig begonnen werden könnte, bevorzugt würde.