Die Wege sind gefroren. Da wird der Spaziergang oder der Gang zum Supermarkt schnell zur Rutschpartie. Dabei muss es aber nicht immer nur der Sturz im Winter sein. Die Teppichkante, eine übersehene Stufe oder die Wasserlache auf den Fliesen bieten ebenfalls ein großes Stolper- oder Rutschpotenzial. Ein Sturz, egal ob von alt oder jung, kann dabei zu Verletzungen mit teilweise schweren Folgen führen. Insbesondere ältere Personen sind besonders gefährdet. Bei dieser Personengruppe zieht ein Sturzereignis oftmals neben den möglichen körperlichen Folgeerscheinungen auch psychische Folgen nach sich, wie zum Beispiel die Angst vor einem erneuten Sturz. Im Zuge dessen geraten die Betroffenen in eine negative Spirale. Sie gehen immer seltener vor die Tür, bewegen sich generell weniger und werden dadurch immobiler. Das alles hat negative Auswirkungen auf die Lebensqualität. Daher ist es wichtig, die Gleichgewichtsfähigkeit zu trainieren, um die Sturzgefahr zu reduzieren und somit möglichst lange mit beiden Beinen im Leben zu stehen.
Für das Gleichgewicht spielt nicht nur unser Vestibularapparat, also unser Gleichgewichtsorgan im Ohr, eine Rolle, sondern auch die Verarbeitung verschiedener Reize wie zum Beispiel visuelle und sensorische Reize sowie die Informationsweiterleitung über das Nervensystem. Dieses komplexe System gibt unserem Körper die notwendigen Informationen, in welcher Position sich unser Körper oder ein Körperteil im Raum befindet. Dies gibt dem Körper die Möglichkeit, durch eine Spannungsänderung in der Muskulatur die Position zu verändern. Daher ist auch das Zusammenspiel von verschiedenen Muskeln, aber auch das Zusammenspiel von einzelnen Muskelfasern innerhalb eines Muskels von Bedeutung. Es ist deshalb auch kaum verwunderlich, dass zahlreiche Studien belegen konnten, dass durch ein regelmäßiges kombiniertes Gleichgewichts- und funktionelles Krafttraining das Sturzrisiko gesenkt werden kann.
„Gleichgewichtsübungen lassen sich ganz einfach in den Alltag integrieren. So kann man zum Beispiel beim Warten an der Bushaltestelle oder beim Fernsehen die ein oder andere Übung absolvieren. Wichtig ist hierbei natürlich auch das regelmäßige „Beüben“, so die Sportwissenschaftlerin Angelika Lißmann aus dem Team der DSLG-Koordinierungsstelle. „Achten Sie auf eine sichere Umgebung. Der Boden im Übungsbereich sollte frei von Gegenständen und nicht rutschig sein. Wer noch nicht so standfest ist, kann sich beim Üben an einer Wand oder einem Stuhl abstützen, allerdings nur so viel wie wirklich nötig. Achten Sie hierbei immer auf Ihren Körper. Führen Sie die Übungen immer kontrolliert aus und beenden Sie die Übungen bei auftretenden Schmerzen, Unwohlsein oder Schwindel. Falls Sie Vorerkrankungen haben, sollten Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin besprechen, ob alle Übungen für Sie geeignet sind“.
Übungsblock 1: Standweite verringern
Versuchen Sie Ihre Standweite nach und nach zu verringern. Starten Sie in einem hüftbreiten Stand und versuchen Sie möglichst aufrecht und stabil zu stehen. Wenn dies gut funktioniert, versuchen Sie die Füße geschlossen nebeneinander zu stellen. Versuchen Sie in dieser Position zu verweilen. Wenn Sie diese Übung gut meistern, steigern Sie die Schwierigkeit, indem Sie die Füße in einer Linie direkt voreinander stellen, so dass sich Ferse und Zehen berühren. Verweilen Sie auch in dieser Position. Das Ganze auf der anderen Seite wiederholen. Wer diese Variante gut gemeistert hat, kann sich langsam an den Einbeinstand herantasten. Versuchen Sie hierzu sich auf Ihr rechtes oder linkes Bein zu stellen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Auch hierbei sollten Sie eine aufrechte Körperhaltung einnehmen. Wer sich noch sehr unsicher fühlt, kann einen Zwischenschritt einbauen oder zunächst die Wand beziehungsweise einen Stuhl zum Stützen zur Hilfe nehmen. Hierzu wird der Fuß, auf dem nicht gestanden wird, mit dem Vorderfuß sanft als Standhilfe direkt neben dem Standbein aufgesetzt. Jetzt können Sie versuchen, die Standhilfe immer wieder kurz vom Boden zu lösen. Auch im Einbeinstand sollten immer beide Seiten beübt werden. Als zusätzliche Schwierigkeit kann man bei allen Standvarianten immer wieder im Wechsel langsam den Kopf von rechts nach links drehen.
Übungsblock 2: Dynamische Bewegungen
Nehmen Sie einen hüftbreiten Stand ein und versuchen Sie immer wieder vom Fersen- in den Zehenstand zu wechseln. Schwingen Sie hierbei gerne Ihre Arme mit. Versuchen Sie auch einmal im Zehenstand mit den Armen über Kopf kurz anzuhalten und in dieser Position zu verharren. Wiederholen Sie die gleiche Übung mit den in Übung 1 beschriebenen Fußpositionen (enger Stand und Füße hintereinander). Wenn Sie den Einbeinstand sicher meistern, können Sie versuchen, mit dem Fuß, welcher in der Luft ist, eine liegende Acht oder Ihren Namen in die Luft zu malen. Auch hier sollten beide Seiten berücksichtigt werden.
Variante Übungsblock 1 und 2: Instabiler Untergrund
Wenn Sie die Übungen der Blöcke eins und zwei sicher beherrschen, können Sie den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Hierzu können Sie sich auf eine zusammengelegte Decke oder Matte, ein Kissen oder ein Handtuch stellen und die Übungen darauf wiederholen.
Übungsblock 3: Balancieren
Versuchen Sie auf einer Linie zu balancieren. Die Linie kann zum Beispiel die Fliesenfuge oder auch eine gedachte Linie sein. Wenn Sie dies gut beherrschen, versuchen Sie auch rückwärts und im Zehengang zu balancieren.
Das DSLG-Team wünscht Ihnen viel Spaß beim Üben!
Weitere Informationen zum saarlandweiten Netzwerk „Das Saarland lebt gesund!“ (DSLG) finden Sie unter www.pugis.de oder www.das-saarland-lebt-gesund.de
Weiterführende Literatur
de Marées, H. (2003). Sportphysiologie. Köln: Strauß Verlag.
Jansen, C.-P., Gross, M., Kramer-Gmeiner, F., Blessing, U., Becker, C. & Schwenk, M. (2021). Empfehlungspapier für das körperliche Gruppentraining zur Sturzprävention bei älteren, zu Hause lebenden Menschen. Aktualisierung des Empfehlungspapiers der Bundesinitiative Sturzprävention von 2009. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 54, 229-239.
Sherrington, C., Fairhall, NJ., Wallbank, GK., Tiedemann, A., Michaleff, ZA., Howard, K., Clemson, L., Hopewell, S. & Lamb, SE. (2019). Exercise for preventing falls in older peolpe living in the community (Review). Zugriff am 18. Januar 2024 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6360922/
Bildnachweis
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