v.l.n.r. Harald Semmler (HSGB-Geschäftsführer), Markus Röder (Sprecher der PuB und Präsident des HSGB) und Roman Poseck ( hessischer Minister des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz)
Auch unser erster Stadtrat, Michael Johne, war als Gast vor Ort
Am Montag, dem 24. Juni 2024, durfte ich knapp 50 meiner Kollegen, Bürgermeister aus ganz Hessen, sowie den hessischen Innenminister Roman Poseck auf Schloss Spangenberg im Rahmen einer Sitzung des HSGB (Hessischer Städte- und Gemeindebund) begrüßen. Es ist entscheidend, führende Politiker, Minister und Landtagsabgeordnete in ländliche Regionen zu holen. Eindrücke prägen sich besser ein, wenn man direkt damit konfrontiert wird und die Situation vor Ort sieht, statt nur davon zu hören.
Ich begrüßte Herrn Poseck mit den Worten: „Herzlich willkommen in Spangenberg, einer der 40 größten Städte in Hessen. Mit fast 98 km² liegt Spangenberg auf Platz 36 der 421 Kommunen in Hessen. Bei der Einwohnerzahl befinden wir uns jedoch eher im hinteren Mittelfeld, soweit hinten, dass ich keinen genauen Platz gefunden habe.“
Damit waren wir direkt bei einem der zentralen Probleme, die wir in Hessen haben. Der kommunale Finanzausgleich sorgt dafür, dass alle Städte und Gemeinden vom Land Hessen Gelder erhalten, die auf die Einwohnerzahl bezogen sind. Städte wie Spangenberg haben eine große Fläche, aber relativ wenige Einwohner. Dadurch sind die Infrastruktur, der Brandschutz, die Wasser- und Abwasserversorgung sowie der Straßenunterhalt nur mit überdurchschnittlich hohen Unterhaltungs- und Investitionsgeldern möglich. Wenn man den ländlichen Raum stärken möchte, muss der Finanzausgleich seitens des Landes umstrukturiert werden. Es kann nicht sein, dass Großstädte immer noch höhere Gelder pro Einwohner erhalten als Kleinstädte.
Auf Schloss Spangenberg wurden noch viele weitere Themen besprochen und diskutiert.
Spangenberg - „Ich bin bereit, über alles zu sprechen“, sagte Innenminister Roman Poseck. Der hessische Minister des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz, hat auf Schloss Spangenberg einen Austausch mit den parteiunabhängigen Bürgermeistern (PuB) begonnen.
Markus Röder, Sprecher der PuB und aktuell Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebunds, rechnete zu Beginn vor: Der HSGB vertritt 400 der 421 Kommunen in Hessen. In 173 Städten und Gemeinden sind parteiunabhängige Rathaus-Chefs, die sich in der größten Arbeitsgruppe des kommunalen Spitzenverbands organisieren. Ein Viertel der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nutzte in Spangenberg die Gelegenheit der Gruppensitzung zum direkten Austausch mit dem „Kommunen-Minister“.
„Viel Fläche, wenig Einwohner, 12 Feuerwehren und ein Neubau für 10 Millionen Euro“, stelle Spangenbergs Bürgermeister Andreas Rehm die Gastgeber-Gemeinde mit einem Steckbrief vor, der auf viele der vertretenen Kommunen passen würde. Fünf Monate im Amt lernt Innenminister Poseck solche Probleme immer wieder kennen. Er will sich nicht nur einen Überblick verschaffen, sondern bittet um Belege und Beispiele. „Wir sammeln alles und schauen uns an, welche Standards notwendig sind und welche eigentlich nicht“, so der Innenminister. Auch wenn die Förderung für Feuerwehr und Katastrophenschutz gesteigert werde, bliebe der „Beitrag des Landes eine begrenzte finanzielle Unterstützung zur kommunalen Aufgabe des Brandschutzes“, so Professor Poseck.
Diesen Widerspruch machte HSGB-Geschäftsführer Harald Semler an einem Wort fest: „Es heißt, Feuerwehrgerätehaus‘ – und wir behandeln es wie eine Betriebsstätte. Jede kleine Feuerwehr hat die gleichen Anforderungen wie in einer Berufsfeuerwehr.“ Im Gegensatz dazu unterliege die Verteilung der Kommunalfinanzen dem „Irrtum, dass in einer Großstadt mehr Geld fließen muss als aufs Dorf“.
Beim beherrschenden Thema Bürokratieabbau wurde die verwirrende Fülle an Förderprogrammen diskutiert. „Das Land hat es an vielen Stellen selbst in der Hand, flexibler zu werden“, sagte Claudia Schnabel, seit 2015 Bürgermeisterin in Fronhausen (Kreis Marburg-Biedenkopf). Selbst EU-Recht werde meistens durch Gesetze und Verordnung des Landes umgesetzt. Auch die Verwendung von Fördermitteln werde „durch alle Instanzen geprüft“, hier bat Schnabel darum, die „Kommunen nicht unter Generalverdacht zu stellen.“
„Wenn es einen Zuschuss von 30 % auf "zuwendungsfähige Kosten“ gibt, dann bezahlen wir oft schon mehr Steuern, als wir Förderung erhalten“, kritisierte Götz Konrad. Der Bürgermeister der Gemeinde Eschenburg (Lahn-Dill-Kreis) bat den Innenminister: „Wir müssen weg von jedweder Symbolpolitik und endlich wieder zu einer Substanzpolitik kommen.“
Wie ernst eine ehrliche Entbürokratisierung sei, schärfte Fred Dettmar (Reinhardshagen, Kreis Kassel) ein: „Nicht die Flüchtlinge und Asylbewerber produzieren diese Wahlergebnisse, sondern der Frust in den Rathäusern.“
„Wir kommen bei den Kitas heute schon nicht nach und sollen ab 2026 Ganztagsbetreuung an den Grundschulen bieten“, blickte Vorsitzender Markus Röder (Hofbieber, Kreis Fulda) düster in die Zukunft. „Die Eltern gehen auf die Barrikaden – und wir haben hohe Kosten wegen der hohen Standards“, bemängelte Christine Klein, Bürgermeisterin in Bensheim (Kreis Bergstraße). Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert deshalb für die Kommunen einen „Überforderungsschutz“ bei neuen Gesetzen und Vorschriften.
Das Bündnis für Bürokratieabbau möchte die parteiunabhängigen Bürgermeister weiter begleiten. „Wir sehen bei jedem Posteingang – auch digital: Die Kolonne der Kontrolleure wird immer länger als die Kolonne der Arbeiter. Selbst der Kreis hat schon mehr Leute zum E-Mails-Schreiben als wir zum Lesen“, schilderte Götz Konrad seinen Eindruck aus 19 Jahren im Amt. Bis zur Herbstsitzung wollen die „freien“ Rathaus-Chefs wieder gemeinsam eine „TOP 10 der sinnlosesten Standards“ aufstellen und auf ihrer Seite www.pub-hessen.de veröffentlichen.