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Söhrewaldbote
Ausgabe 14/2025
Vereine und Verbände
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Das Ende des zweiten Weltkrieges in Wellerode

Der 2. Weltkrieg ging vor 80 Jahren zu Ende. Dieses geschah in Wellerode durch den Einmarsch der Amerikaner am Ostermontag 1945.

Von diesem Ereignis wurden von mehreren Augenzeugen Berichte niedergeschrieben.

Der Geschichtskreis Söhrewald möchte die Berichte in Abschnitten im Söhrewaldbote für die Nachwelt veröffentlichen. Wir beginnen nachstehend mit Albert Werner.

Wie die Amerikaner am 2. Ostertag 1945 Wellerode besetzten.

Erinnerungen von Albert Werner, damals 11 Jahre alt.

Die Besetzung von Wellerode durch die Amerikaner am 1. Ostertag 1945 um 12,30 Uhr wurde im Dorf sehr unterschiedlich erlebt.

Viele blieben zu Hause, schon wegen ihrem Viehzeug. Zu der Zeit hatte jeder etwas und wenn es nur Kaninchen oder Hühner waren. Andere waren in die Bunker geflohen, (Most`s Berg, Gelber Berg, Rains Berg, Steinbach) wieder andere hatten sich an den Fahrerbachsteichen Buden gebaut und waren schon Tage vorher weg.

Es fing schon ein paar Tage vor Ostern an.

Der Leiterwagen (damals noch eisenbereift) wurde auf die Scheune gefahren und mit etwas Heu und Stroh beladen. Man dachte zuerst an die Kühe, denn die mussten den Wagen auf der möglichen Flucht ziehen. Später kam erst der haltbare Essvorrat dazu (Konserven, trockene Wurst) aber auch Wolldecken. Wir waren auf Flucht eingestellt. Die Nacht wurde zum Tage, immer wieder trafen sich die älteren Männer, die nicht zur Wehrmacht eingezogen waren. Ich lief draußen herum, nur wenn ich müde war ging es für kurze Zeit auf das Sofa. Die Nacht von Karfreitag auf Ostersamstag verbrachten wir mit anderen Nachbarn größtenteils auf Peters offener Veranda (damals noch Steinweg, jetzt Jahnstraße). Familie Jakob Kächel wohnte da und Peters Annchen. Entfernt waren schon Kanonenschüsse zu hören und ein Feuerschein in Richtung Eiterhagen sichtbar. Dort sollte angeblich ein Haus oder eine Scheune brennen. Wir froren nicht, weil wir dick angezogen waren. Alles was man auf dem Körper trug, brauchte nicht anderswo verstaut werden. Zu vorgerückter Stunde gingen wir wieder nach Hause aber die Amerikaner waren immer noch nicht da. Immer wieder wurde gerätselt, wo kommen sie her, wo ist die Front?

In der Wattenbacher Straße hatte der Volkssturm sogenannte Panzersperren gebaut. In die Einschnitte an der Böschung sollten Baumstämme quer über die Straße gelegt werden. In der S-Kurve waren in die Fichten Keile gesägt worden. Diese sollten im Ernstfall über die Straße fallen. Die amerikanischen Panzer konnten scheinbar nicht querfeldein durch Wald und Flur fahren. Es wurde erzählt, in Melsungen wären sie schon. Die deutschen Panzer, die am Donnerstag in Richtung Wattenbach gefahren waren, waren wieder zurückgekommen. Ein Panzer war auf der Wattenbacherstraße unterhalb des heutigen Birkenweges in Brand geraten und ist dann während des Brandes führerlos bis zum Feldchenaufgang (Gelber Berg) von der Straße weggerollt. Die Panzerbesatzung wurde von uns mit Esswaren und Ostereiern versorgt. Zerborsten von den explodierten Granaten hat er jahrelang dort gelegen und war für uns Jungen ein Unterschlupf zum Rauchen.

Sonntag gegen Mittag waren meine Mutter und ich mit anderen Leuten oberhalb des alten Sportplatzes auf der damaligen Horst-Wessel-Straße. Es waren noch einige deutsche Landser in der Nähe, die sich mit Zivilisten wegen weiterer Verteidigung gestritten hatten. Deshalb der kleine Menschenauflauf. Mein Cousin war vormittags mit dem Fahrrad Richtung Empfershausen unterwegs und kam wieder zurück und erzählte uns, dass die Amerikaner schon in Eiterhagen wären. Da wir immer wieder Kanonendonner hörten, machten wir uns auf den Heimweg. Kaum zu Hause, gab es einen mächtigen Schlag, es musste in der Nähe eingeschlagen haben. Das Haus Steinweg 8 (Arends) und Untere Hamböhlstraße 1 (Elies) waren an der Rückseite von einer Panzer- oder Artilleriegranate getroffen worden. Die Scherben lagen im Osterbraten. Die Schüsse mussten aus Richtung Steinbach-Gehege / Schornstraße gekommen sein. Aus dieser Richtung marschierten die Amerikaner dann tatsächlich ein. Arends kamen nun zu uns, in die Waschküche, wo auch schon Nachbarn aus der Oberen Hamböhlstraße mit uns zusammen auf die Amerikaner warteten. Eine Granate schlug am heutigen Teichwiesenweg ein, das konnte ich durch das Waschküchenfenster am aufspritzenden Erdboden erkennen. Später habe ich mir das Loch aus der Nähe angesehen. Frau Arend war nach oben gegangen um frische Luft zu tanken. Sie kam zurück und sagte, „sie sind da, mir sind zwei entgegengekommen!“ Die Amerikaner waren sang- und klanglos oben ins Haus gegangen und wir unten in der Waschküche hatten nichts gemerkt. Als wir nach vorn an die Straße kamen, war der Steinweg voller amerikanischer Fußtruppen. Einer fragte nach Eiern. Als ich ihm ein gefärbtes Ei geben wollte, antwortete er „no, weiß Ei“. Als der letzte Amerikaner an uns vorbei war, gingen wir sofort hinterher und sammelten deren lange Zigarettenstummel auf. Endlich richtiger und guter Tabak, bisher mussten wir Jungen uns mit Tee, Kartoffelkraut und Selbstzucht begnügen, ja sogar Lumpen wurden geraucht.

Als wir ins Dorf kamen, hatte dort schon Völkerverständigung und Befreiungsfeier stattgefunden. Die Mädchen von den nach Wellerode evakuierten Familien ließen es sich in der Nähe der Besatzer, unseren Befreiern, schon gut gehen. Im Haus Wattenbacher Straße 10, welches auch belegt war, sah man fröhlich und gut gelaunt gemeinsam aus den Fenstern. Einige Wohnhäuser wurden von den Amerikanern gleich nach dem Einmarsch besetzt. So auch das Haus Gartenstr. 18, in dem meine Godel Gertrud Werner mit ihren Kindern Kurt, ‚Toni und Heidi, und ihren Eltern, August und Anna Vialon zu Hause waren. Die ganze Familie kam zu uns in den Steinweg. Zwei oder drei Tage später musste das Dorf geräumt werden. Man erzählte, es wäre zur Plünderung freigegeben. Es waren ja noch so viele Ausländer aus dem Steinbruch und dem Junkers-Barackenlager da. Jetzt kamen unsere Kühe mit Leiterwagen zum Einsatz. Beladen nicht nur mit Ware, sondern auch mit Menschen. Unsere Großmutter und der Großvater von Kurt, Toni und Heidi kamen oben drauf, weil sie nicht mehr so richtig laufen konnten. Es ging die Fahrenbachstraße hoch in den Wald, wohin wusste niemand. Die lange Karawane mit Handwagen, Kuh- und Pferdegespannen und das dazugehörige Fußvolk war schon ein ganzes Stück im Wald, als ein Amerikaner im Jeep kam und die ganze Karawane zur Umkehr winkte. Jetzt ging es die Wattenbacherstraße hoch. Wir sollten in die Eckebach, ins Junkerslager. Viele sind auch im Junkerslager untergekommen, vor allem die kein Fuhrwerk hatten. Mein Großvater fuhr mit anderen Fuhrwerken nach Wattenbach. Vor dem Dorf, an der Straße links und rechts nur Amerikaner und wir, wie Spießrutenlaufen, mitten hindurch. In Wattenbach kamen wir in der Welleröderstraße im Hause Bachmann/Wambach unter. Die Kühe kamen in der Garage unter und wurden auch dort von meiner Mutter gemolken. Es gab viel Milchsuppe und Grießbrei mit viel Butter dran. Beim Kaufmann Böhling in Wellerode hatte es Sonderrationen gegeben, die waren von den Großeltern abgeholt worden und wurden nun verzehrt. Nach zwei Tagen durften wir den Heimweg wieder antreten. Bei uns war noch alles vorhanden, es hatte niemand geplündert, obwohl man bei uns reichlich Beute hätte machen können.